Samstag, 24. September 2011

Die elektronische Gesundheitskarte – heiße Nadel und heiße Luft

Nun ist sie da, die elektronische Gesundheitskarte. Die Financial Times Deutschland hat einen guten Artikel dazu geschrieben. Meine Sicht:
Die Kosten im Gesundheitswesen steigen. Das liegt nicht nur an den Leistungserbringern (die Privatabrechnung basiert zum Beispiel auf dem Katalog von 1996), es ist systemimmanent: wenn die Leute älter werden, kosten sie auch mehr. Es liegt auch an unsinnigem Sparzwang. Ich habe von einer psychiatrischen Klinik gehört, da werden die Patienten bei Verdacht auf Drogeneinnahme nicht mehr überprüft. Denn wenn sie den Drogenkonsum nachgewiesen bekämen, müßte man sie entlassen – und das würde für drei oder vier Tage ein leeres Stationsbett bedeuten.
Die Datenspeicherung auf Chipkarten ist nur begrenzt sinnvoll: ein Notarzt, der anhand der gespeicherten Daten erkennt, daß er ein bestimmtes Medikament nicht oder in einer niedrigeren Dosierung verabreichen darf, freut sich natürlich über die wichtige Information. Und wenn sich ein psychisch gestörter Patient mehrmals die Lunge röntgen läßt oder sich drei Endoskopien in zwei Wochen ergaunert, läßt sich das mit der Datenspeicherung auf der Chipkarte möglicherweise verhindern.
Hintenherum haben die Kassen folgendes Ziel: Ein Patient hat die Diagnosen A, B und C. Dann darf er im Jahr nicht mehr als soviel hundert Euro kosten. Wenn ein Leistungserbringer also dann mehr macht oder mehr verordnet, kriegt er Probleme. Was aber folgt daraus: Die Leistungserbringer haben dann ein finanzielles Interesse, dem Patienten immer mehr Diagnosen anzuhängen, weil dadurch ihr Handlungsspielraum vergrößert wird. Und so werden wir immer kränker. Otto Normalverbraucher wird in zehn Jahren mit doppelt so viel Diagnosen rumlaufen wie heute. Über den derzeitigen Überschuß der Krankenkassen nochmal die Fiancial Times Deutschland.