Donnerstag, 13. Februar 2020

Ein Arzt zockt ab

Fragt man Jürgen Feuerstein, den langjährigen Geschäftsführer der Kontrastmittelfirma Guerbet, welches Abrechnungsmodell er am liebsten hätte, beginnt er zu lächeln. Das sei jetzt "die Frage nach Weihnachten", sagt er, jeder in der Branche "wünscht es sich so zurück wie früher". "Früher", das ist drei Jahre her. Bis Ende 2016 durften Radiologen in vielen Teilen Deutschlands ihre Kontrastmittel bestellen, bei wem sie wollten, der Preis spielte keine Rolle, denn die Krankenkassen zahlten die Rechnung. Der Großhändler lieferte die Kontrastmittel in die Arztpraxen und erhielt vom Arzt dafür ein Rezept. Dieses Rezept war für die Großhändler wie ein großer Geldschein. Denn die Krankenkassen zahlten damals den vollen Listenpreis.

So konnten Großhändler zum Beispiel einen Liter des beliebten Kontrastmittels Dotarem von Guerbet für 1.000 Euro einkaufen. Das geht aus internen Unterlagen des Herstellers Guerbet hervor, die NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" jetzt erstmals vorliegen. Die Kassen erstatteten den Händlern jedoch den Listenpreis von 6.000 Euro pro Liter. Das war wie Weihnachten - und alle Beteiligten achteten peinlich darauf, dass die Krankenkassen niemals erfahren, wie günstig diese Mittel in der Herstellung und im Einkauf tatsächlich waren. Den Reibach durften damals aber nur Pharmafirmen und Großhändler machen – Ärzten war dies verboten – in der Theorie zumindest.

mehr:
- Der Ehefrauentrick: Wie ein Radiologe die Krankenkassen abzockte (Markus Grill, Panorama, daserste.ndr.de, 13.02.2020)
siehe auch:
- Macht und Machtmissbrauch aus psychologischer Sicht (Volker Faust, psychosoziale-gesundheit.net, undatiert – PDF-Download)
Macht ohne Mißbrauch verliert ihren Reiz.
[Paul Ambroise Valéry]
- Precht: "Macht ohne Missbrauch verliert ihren Reiz" (Judith Hecht, Die Presse, 19.10.2013)

Fleisch essen – Realität und Fakes

Viele Landwirte wünschen sich mehr Verständnis für ihre Arbeit. Dafür möchte ein Verein der Branche sorgen, und zwar insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Der Verein heißt "Information.Medien.Agrar" (I.M.A.) und wird unter anderem vom Deutschen Bauernverband getragen.
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Agrarverein: "Grundwissen über Landwirtschaft in die Schulen bringen"

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"Unser Ziel ist es, zunächst erst mal das Grundwissen über die Landwirtschaft wieder in die Schulen zu tragen", erklärt Patrick Simon, I.M.A.-Geschäftsführer. Dafür bietet der Branchenverein sogar eigene Lehrmaterialien für den Unterricht an. Etwa 70.000 Lehrer würden die Unterlagen nach I.M.A.-Schätzungen nutzen.
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Das Angebot ist breitgefächert und spricht alle Altersgruppen an. Dazu gehören Mal- und Lesehefte über "große Maschinen" für die Grundschule, Arbeitshefte wie "Vom Bauernhof zum Supermarkt", die Lernzirkel "Expedition in den Schweinestall" oder "Expedition in den Kuhstall". Der Verein gibt sogar ein extra Lehrermagazin heraus.
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Darin können Lehrer etwa lesen, dass Medien zunehmend ein "einseitiges und verzerrtes Bild der landwirtschaftlichen Tierhaltung" vermittelten, oder sich zum Thema Pestizide über "Sp(r)itzentechnik" und "präzise Geräte für den Acker" informieren. Kinder können in den Unterrichtsmaterialien beispielsweise lesen, dass Fleisch wichtige Nährstoffe enthalte, in Schlachthöfen nach strengen Tierschutzvorschriften geschlachtet werde und Deutschland ein "Paradies für Wurstesser" sei.

mehr:
- Klassenkampf: Bauernlobby drängt in Schulen (Oda Lambrecht, Panorama, daserste.ndr.de, 13.02.2020)
siehe auch:
Schweinepolitik… (Post, 12.02.2020)
Tierquälerei, Emotionen, Nicht-Wissen und der Rechtsstaat (Post, 16.02.2018)
- Gastbeitrag: Tierschutz und Agrarlobby (Post, 22.10.2017)
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Die Sozis und die Banken

Recherchen von Panorama und "Die Zeit" zeigen, dass mehrere SPD-Spitzenpolitiker Warburg-Banker trafen, während gegen diese wegen Cum-Ex-Geschäften ermittelt wurde. Die Hamburger Finanzbehörde verzichtete auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro, die sich die Warburg Bank durch Cum-Ex-Geschäfte verschafft hatte.

Die Stadt Hamburg wusste spätestens seit 2016 von ihren Ansprüchen gegen Warburg. Die vornehme Bank hatte über Jahre hinweg sogenannte Cum-Ex-Deals abgewickelt, bei denen sich Banken einmal bezahlte Steuern mehrfach erstatten ließen. Experten werten den Cum-Ex-Skandal deshalb als größten Steuerraubzug der deutschen Geschichte.


»Finanzbehörde missachtete Warnung aus Berlin«
Im Jahr 2016 informierten Ermittler und das Bundesfinanzministerium die Hamburger Finanzbehörde darüber, dass sich Warburg aus eben solchen Geschäften im Jahr 2009 rund 47 Millionen Euro unberechtigt verschafft hatte. Eine Forderung, die Ende 2016 in die Verjährung zu laufen drohte. Es war nicht das einzige Warnsignal: Anfang 2016 hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Geschäftsräume der Warburg Bank durchsuchen lassen - wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung.

Dennoch blieben die Hamburger Behörden untätig, angeblich weil man das Risiko eines Rechtsstreits mit Warburg nicht tragen wollte. Der Mannheimer Steuerprofessor Christoph Spengel kann das nicht nachvollziehen. "Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits finanzgerichtliche Urteile, die Cum-Ex-Geschäfte als illegal eingestuft haben, auch das Thema der Verjährung war allgemein bekannt. Wenn es dann um eine Summe von rund 50 Millionen Euro geht und dieser Sachverhalt einfach liegen bleibt, dann ist das ein Skandal." Spengel trat unter anderem als Sachverständiger im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags auf.

mehr:
- Cum Ex: Hamburg verzichtete auf 47 Millionen von Warburg Bank (C. Salewski, O. Schröm & B. Strunz, Panorama, daserste.ndr.de, 13.02.2020)
siehe auch:
Scholz sollte endlich seinen Hut nehmen (Albrecht Müller, NachDenkSeiten, 13.02.2020)
Ungleichheit bei Einkommen auf Rekordniveau – Wie bleibt die Bevölkerung ruhig? (Post, 07.10.2019)
Grossbanken sind stärker subventioniert als die Landwirtschaft (Post, 18.08.2019)
- Cum-cum/Cum-ex: Steuerbetrug unter den Augen des Staates (Post, 03.03.2016)

Die Bonpflicht – nervig, aber wichtig! | heute-show vom 14.02.2020 {10:10 – Start bei 08:14}

ZDF heute-show
Am 14.02.2020 veröffentlicht 
Die geltende Bonpflicht sorgt seit dem Jahreswechsel für Papiermüll und Frust bei den Verkäufern.
Dabei ist es ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung.
Zur ganzen heute-show in der Mediathek: http://kurz.zdf.de/hs2003yt/