Sonntag, 13. März 2016

Ungleichheit in Deutschland: Das Libuda-Prinzip

In der Großen Koalition wird viel über den Kampf gegen Altersarmut und soziale Spaltung geredet - aber nur wenig getan.
Wenn es gilt, ein Herz für den kleinen Mann zu zeigen, lassen sich die Politiker hierzulande ungern überbieten. Höhere Reichen- und Vermögensteuern fordert die Linkspartei. Ein Solidarpaket für die ärmere deutsche Bevölkerung verlangt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und die CDU debattiert über eine "Deutschlandrente" im Kampf gegen die Altersarmut. Glaubt man ihren Parolen, sind Deutschlands Politiker Lobbyisten der Unterschicht.

Seltsam nur, dass sich das in der Praxis kaum niederschlägt, wie jetzt Marcel Fratzscher nachweist, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. In einem neuen Buch*, über das vorab Der SPIEGEL berichtet, beschreibt er den vermeintlichen Sozialstaat Deutschland als eines der "ungleichsten Länder der industrialisierten Welt". Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen fast zwei Drittel des Vermögens. In kaum einem anderen Land haben es Niedrigverdiener schwerer, in höhere Einkommensklassen aufzusteigen. "Die soziale Marktwirtschaft", schreibt Fratzscher, "existiert nicht mehr."

Das Urteil mag etwas überzogen sein, aber dass der Ökonom eine der bedenklichsten Fehlfunktionen im deutschen Sozialsystem aufspießt, ist unübersehbar. In kaum einem anderen Land wird so viel umverteilt wie in der Bundesrepublik, aber fast nirgendwo sonst kommt so wenig dabei heraus. Steuern und Abgaben liegen auf Rekordniveau, aber die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig verringert. Stattdessen wird Etikettenschwindel betrieben, und zwar seit Jahren.

mehr:
- Ungleichheit in Deutschland: Das Libuda-Prinzip (Michael Sauga, SPON, 13.03.2016)

mein Kommentar:
es kommt wenig dabei heraus? Darüber dürfte sich streiten lassen!
Die Frage ist, was dabei herauskommt.
Was kommt dabei heraus, wenn zwei Finanzminister hintereinander mehrere Jahre lang untätig den Cum-cum/Cum-Ex-Geschäften zusehen? Nichts? Nee…

siehe auch:

Oberbiehl: Die schönste Treckerbrücke Deutschlands

Extra 3 vom 09.03.2016 | extra 3 | NDR [30:09]

Veröffentlicht am 10.03.2016
Interview mit Rezept TTIP Egohahn; Die Brücke ins Nichts; Reporter Rollo: Frauen und die Gleichberechtigung; extra 3 mischt sich ein: Der Fall Volker B. und vieles mehr - Christian Ehring zeigt den Irrsinn der Woche.

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Japan: Gericht schaltet AKW ab

Schwerer Rückschlag für Atomlobby zum Fukushima-Jahrestag. In Japan laufen nur noch zwei Reaktoren
Pünktlich zum Jahrestag der dreifachen Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima, die sich heute zum fünften Mal jährt, müssen Japans AKW-Betreiber und die regierende Rechte einen neuen Rückschlag einstecken. Die Japan Times berichtet, dass am Mittwoch ein Gericht die Genehmigung für den Neustart der beiden Reaktoren Takahama 3 und 4 aufgehoben hat. Damit laufen in Japan nur noch zwei Reaktoren und die Bemühungen rund zwei Dutzend der stillstehenden Atommeiler wieder ans Netz zu bringen erhielten einen empfindlichen Rückschlag.

Wie berichtet, war Takahama 3 erst im Januar wieder hochgefahren worden. Reaktor Nummer 4 hätte bereits folgen sollen, doch kam es dort zu einem Kühlwasseraustritt. Das Leck konnte zunächst nicht gefunden werden. Ein ähnliches Problem war im letzten Jahr auch bei einem der beiden jetzt laufenden Reaktoren im AKW Sendai aufgetreten. Diese stehen übrigens am Fuße eines Vulkans.

Gegen das Urteil vom Mittwoch ist Revision möglich, allerdings müssen die Reaktoren zunächst einmal wieder abgeschaltet werden. Der Rechtsweg wird auf jeden Fall viele Monate in Anspruch nehmen. Im letzten Jahr war schon mal eine Neustartgenehmigung, für die beiden Takahama-Reaktoren, von einem Gericht kassiert worden

Die Urteilsbegründung von Mittwoch könnte derweil für andere Fälle in dem erdbebenreichen Land von großer Bedeutung sein, sollte das Urteil nicht von einer höheren Instanz aufgehoben werden. Die Richter folgten nämlich der Ansicht der Kläger, dass die Betreiber ihre Angaben über Erdbebenwahrscheinlichkeiten und Schadensausmaße nicht ausreichend begründet haben. In der Vergangenheit hatte sich wiederholt gezeigt, dass japanische AKW nicht ausreichend gegen starke Erdbeben abgesichert sind.

mehr:
- Japan: Gericht schaltet AKW ab (Wolfgang Pomrehn, Teleplis, 11.03.2016)

siehe auch:
- Fukushima: Nicht einmal für Roboter betretbar (Post, 11.03.2016)


Investigativer Journalismus wird gebraucht

Auftakt zum Logan CIJ Symposium zu investigativem Journalismus in Berlin


In Berlin begann heute die zweitätige Konferenz The Logan CIJ Symposium internationaler investigativer Journalisten. In seiner Keynote konstatierte P. Sainath, die wichtigsten Storys unserer Zeit kämen von außerhalb des konventionellen Medienbetriebs, etwa von WikiLeaks. Zwar griffen die Medien solche Nachrichten auf, doch die Enthüllungen selbst stammten eher von Aktivisten, während Journalisten zu Stenographen reduziert seien. Die Medien seien Corporate Media.

Seinen Befund belegte P. Sainath anhand der Situation in Indien, wo sich die Verlage und TV-Stationen in der Hand von wenigen Superreichen befänden. So hatte der Journalist 2015 eine unerwünschte Reportage über insgesamt 300.000 Suizide von Bauern recherchiert, die aufgrund ihrer Armut ihrem Leben ein Ende setzten. Obwohl mit 800 Millionen die Landwirtschaft die größte Branche sei, käme Kritik am Agrarbusiness in der indischen Presse nicht vor. Der Neoliberalismus habe zur Privatisierung etwa von Wasser geführt. Während die verarmte Bevölkerung nur erschwerten Zugang zu Wasser habe, badeten die Superreichen in diesem Grundnahrungsmittel in protzigen Swimmingpools auf verglasten Balkons. Um in Indien Pressefreiheit zu unterdrücken, bemühe man ein 180 Jahre altes britisches Gesetz der einstigen Kolonialisten.

Auch andere Sprecher bestätigten seinen Befund, dass die interessantesten Enthüllungen von außerhalb des etablierten Journalismus stammten. So wurde etwa der britische Undercoverpolizist Mark Kennedy von Aktivisten enttarnt. Als andere wichtige Quelle wurde das National Security Archive der George Washington University genannt, das regelmäßig freigegebene Akten veröffentlicht. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Whistleblower Edward Snowden seine Informationen zunächst nicht über die konventionelle Presse leakte, sondern hierzu eine politische Filmemacherin ansprach.

mehr:
- "We need investigative journalism, and we need to investigate journalism" (Markus Kompa, Telepolis, 11.03.2016)
siehe auch:
- Logan Symposium: Consequences of Investigative Reporting (FORA.tv)


FDP diskutiert Volksabstimmung über BR-Austritt aus der ARD

Maßnahme könnte bayerischen Gebührenzahlern Geld sparen
Daniel Föst, der Generalsekretär der bayerischen FDP, hat dem Branchenprotal Meedia offenbart, dass sein Landesverband darüber diskutiert, ein Volksbegehren über Kündigung des Rundfunkstaatsvertrags durch den Freistaat Bayern und einen Austritt des Bayerischen Rundfunks aus der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) ins Leben zu rufen. Ein Kurzgutachten, das der Landesverband dazu anfertigen ließ, kam zum Ergebnis, dass solch ein Volksbegehren rechtlich zulässig wäre.
Anlass der Diskussion und des Gutachtens ist Föst zufolge die Einsicht, dass es "keine Möglichkeit [gibt], den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über den klassischen parlamentarischen Weg zu reformieren". Solch eine Reform sei jedoch nötig, weil der Rundfunkstaatsvertrag den Bürgern Fösts Worten nach "einen völlig aufgeblähten, überdimensionierten, kartellähnlichen, ineffizienten und qualitativ schlechten Öffentlich Rechtlichen Rundfunk" aufzwingt. Das "träge" und "viel zu teure" Gebührenfernsehen setzt seiner Meinung nach "völlig falsche Schwerpunkte wie billige Unterhaltung und den Kauf überteuerter Sportrechte".

Tatsächlich geriet der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland in den letzten Jahren unter anderem wegen der mangelnden Qualität von Degeto-Fernsehspielen und anderen Programmen, Moderatorengehältern von zum Teil über 500.000 Euro jährlich, Intendantengehältern von mehreren 100.000 Euro jährlich und Anspruch auf bis zu 12.000 Euro Rente monatlich und der hohen Zahl der 22 TV- und 70 Hörfunksender mit 16 Orchestern, acht Chören und doppelten Kamerateams bei Sport-Großereignissen im Ausland in die Kritik.

Ein reformierter Rundfunk, so der bayerische FDP-Generalsekretär, würde die Bürger nur die Hälfte der derzeit zu zahlenden Gebühren kosten, mehr "Bildung, Information, Politik und Kultur" und sich nicht auf Quoten konzentrieren. Ein bayerisches Volksbegehren würde seiner Ansicht nach die Diskussion darüber bundesweit befördern - vor allem "dann, wenn sich Initiativen in anderen Bundesländern anschließen".

mehr:
- FDP diskutiert Volksabstimmung über BR-Austritt aus der ARD (Peter Mühlbauer, Telepolis, 11.03.2016)

Die Infragestellung unseres Standard-Narrativs

David C. Korten über die Notwendigkeit einer neuen Erzählung, um sich vom "heiligen Geld" und der Macht der Konzerne zu lösen
Ein Blick in die Nachrichten zeigt: Hört die eine Krise auf, übernimmt die nächste. Die Erklärungskraft der Weltwirtschaft definiert nicht wenige dieser Krisen - durch eine funktionierende Wirtschaft können Revolutionen verhindert werden, so der geläufige Sermon der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik. Eine prosperierende Ökonomie schaffe Sicherheit, Stabilität und Wohlstand.

David C. Korten arbeitete mehr als 30 Jahre in führenden Wirtschafts-, Wissenschafts- und Entwicklungsinstituten, bevor er sich vom Establishment abwendete. Er machte seinen Doktor der Wirtschaft an der Stanford University Graduate School of Business. Heute ist er Mitbegründer des YES! Magazins und Vorsitzender der New Economy Working Group.

Im Phänomen-Verlag erschien Ende 2015 sein neues Buch Change the Story, Change the Future. Weltsichten und ökonomischer Wandel. Korten plädiert für einen Narrationswechsel: Statt einer Story des heiligen Geldes und Marktes wäre es an der Zeit, von der lebendigen Erde zu sprechen. Im Telepolis-Interview geht er auf die Eckpunkte dieses Story-Turns ein. Was kommt nach der Narration der Krise?

mehr:
- Was kommt nach der Krisenerzählung? (Dominik Irtenkauf, Telepolis, 12.03.2016)
Unsere derzeitige Wirtschaft arbeitet vor allem mit der Annahme, dass wir konsumgetriebene, geldgierige Roboter sind, die auf einem toten Felsen leben. Dieser Weg führt uns in den Konsum als eine willkommene Ablenkung von unserer Bedeutungslosigkeit und Einsamkeit, dass wir uns einbilden können, wir wären bewusste Lebewesen.

Wenn wir mit dieser tieferen Erzählung beginnen, würden wir das gesamte Abenteuer der Schöpfung als einen Prozess des Lernens, der Individuation und der Kreativität hin zu einer größeren Komplexität, Bewusstheit, Schönheit und Möglichkeiten wahr- und ernstnehmen. Dann realisieren wir, dass wir Teil eines viel Größeren sind. Wir können eine Bedeutung finden, uns wieder mit anderen Menschen verbinden und vor allem auch ein neues Verhältnis zu den Kräften der Erde eingehen, wovon unsere Existenz letztlich abhängig ist. […]
Ich glaube, der Schlüssel für eine Befreiung von der Herrschaft der Konzerne ist eine authentische Erzählung. Je tiefer man sich mit unserer Realität beschäftigt, mit der Hilfe unserer fortgeschrittenen Wissenschaften, desto klarer wird die authentische Erzählung. Die tiefsten Erklärungen für die Gründe, warum wir hier sind, woher wir kommen und wie unser ganzes Leben funktioniert, befinden sich jenseits unseres menschlichen Verständnisses, sogar die Avantgarde der Wissenschaften versteht das nicht völlig. Was ich in meinem neuen Buch darzulegen versuchte, war, diese Erzählung in einem eher zugänglichen Rahmen zu präsentieren. Was mir die größte Hoffnung für die menschliche Zukunft schenkt, ist die Tatsache, dass diese Geschichte im menschlichen Herzen wohnt. Wir werden mit ihr geboren.  […]
Doch selbst die Menschen in Machtpositionen sind bis zu einem gewissen Grad Gefangene dieses Systems. Es fasziniert mich hierbei, dass wir alle miteinander verbunden sind und wir erzogen werden, uns mit der Kultur zu arrangieren, in der wir leben. Jene Menschen leben in einer ziemlich anderen Kultur, die das heilige Geld und den heiligen Markt in den Fokus rückt, was sie in ihrem Glauben bestätigt, sie seien diejenigen, die Wohlstand schaffen. Geld bedeutet Wohlstand, Geldverdienen schafft Wohlstand und die Superreichen verdienen unser besonderes Lob und höchste Anerkennung. Dies ist aber falsch. Meine Hoffnung setzt darauf, dass immer mehr Menschen diese Erkenntnis selbst machen. Sie sind bereit für eine neue Geschichte.  
Das existierende System hat nur so viel Energie, wie wir ihm leihen. Wenn wir unsere Lebensenergie zurückhalten, und sie stattdessen in den Wiederaufbau unserer Gemeinschaften investieren, in den Aufbau unserer eigenen Wirtschaftssysteme, können wir die Energie über unsere Lebenszusammenhänge wieder zurück erlangen. Mit jedem Schritt, den wir in diese Richtung machen, ziehen wir unsere Lebensenergie aus einem Mangelsystem zurück und übertragen diese zur Schaffung eines neuen Systems, das auf einer authentischen Beziehung zu unseren Mitmenschen und zur lebenden Erde gegründet ist, der Gemeinschaft des Lebens, die die Konditionen schafft und aufrecht erhält, die für die Existenz unseres Lebens essenziell sind.  

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Korten benutzt zwei Modelle um das Verhältnis des Menschen zur Erde zu beschreiben, das „Cowboy“- und das „Raumschiff“-Modell. Dem „Cowboy“-Modell nach betrachten die meisten Menschen die Erde als ein unerschöpfliches Reservoir an Rohstoffen um die menschliche Spezies zu versorgen und dass diese Ressourcen stetig erneuert werden. In Wirklichkeit ähnelt die Erde laut Korten mehr einem „Raumschiff“ in dem die Ressourcen weitaus stärker begrenzt sind und in der sich der Mensch fortlaufend bemühen muss, diese aktiv zu erneuern und zu erhalten. (David Korten, Wikipedia)

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Hartmann: Conversations with Great Minds - David Korten, The Great Turning. P1 [14:32]

Hochgeladen am 31.10.2011
For tonight's Conversations with Great Minds - Thom is joined by David Korten. David is an economist, author, and former Professor of the Harvard Business School. His political activism has made him a prominent critic of corporate globalization. His 2006 book "The Great Turning: From Empire to Earth Community" argues that the development of empires about 5,000 years ago initiated unequal distribution of power and social benefits to a small portion of the population.
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David Korten: From Serving Money to Serving Life: A Sacred Story for Our Time [1:19:38]

Veröffentlicht am 05.05.2015
When we get our story wrong, we get our future wrong. Much like the Trans-Pacific Partnership "trade deal", everything we are told about capitalism and our economy is a pack of lies. Time for a new story, says preeminent scholar and critic of corporate globalization, David Korten, the best-selling author of When Corporations Rule the World and The Great Turning. David has a brand new book, Change the Story, Change the Future - a Living Economy for a Living Earth. He is the co-founder and board chair of YES! Magazine, co-chair of the New Economy Working Group, founder and president of the Living Economies Forum (formerly the People-Centered Development Forum), a member of the Club of Rome, and a former board member of the Business Alliance for Local Living Economies (BALLE) and associate of the International Forum on Globalization.

This Earth Day address was recorded April 22, 2015 at Seattle University Pigott Auditorium.

mein Kommentar:
ethisches Leben erfordert viele kleine Entscheidungen, deren Konsequenzen Anstrengung ohne sofortige Belohnung nach sich ziehen. Die Oligarchen der Welt werden begierig darauf sein, ihr Handeln zu korrigieren.

siehe:
- Die drei Geistesgifte als Motor des Lebensrades (Post, 13.03.2016)