Mittwoch, 12. Mai 2010

Männerbild und Vatertag

Morgen ist Vatertag. Gestern kam eine neue Ausgabe von Publik-Forum in meine Praxis geflattert. Darin ein Interview, in welchem der Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther deutlich zu machen versucht, daß Jungs positive männliche Vorbilder benötigen.

(Sie seien von der Geburt her das schwächere Geschlecht, wow! Meine Mutter hat mir auch schon oft begreiflich zu machen versucht, daß Frauen stärker seien. Das ist inzwischen also gottseidank schon zu den Hirnforschern durchgedrungen. Hüther begründet seine These damit, daß das Y-Chromosom so winzig und zudem noch allein sei. Es hat auch mal Zeiten gegeben, da hat mann am kleineren Gehirn der Frauen alles Mögliche festzumachen versucht.)


Wenn man sich nun das Portrait des Hirnforschers ansieht, welches Publik-Forum dem Interview voranstellt, kann mann (vielleicht auch frau) nur den Kopf schütteln. Da sitzt ein ganz Lieber, stark angegraut, in legerer Freizeitkleidung und hat – damit er vor lauter Denken nicht runterfällt – den Kopf in beide Hände gestützt. Wahrscheinlich sind Männer so verkopft, daß sie fürs Abstützen beide Hände brauchen. Und da sie sowieso besser gucken als denken können, macht dieser Akt die Birne dermaßen schwer, daß man den Kopf schon festhalten muß, um ihn nicht zu verlieren. Ein wahres Prachtexemplar von einem Mann, dem alle Frauen nachlaufen werden. Bruce Willis, Pierce Brosnan, Brad Pitt, George Clooney und Sean Connery können ihre Hüte nehmen…

Aber im Ernst: das Protrait zeigt das Männerbild von Publik Forum und ist symptomatisch für das Männerbild der intellektuellen Elite Deutschlands. Symptomatisch auch für die Kluft zwischen der gedachten und der vermittelten Wirklichkeit. Kann man diese Selbstkastrierung vielleicht als Reaktion auf die kastrierende Aggressivität von Alice Schwarzer sehen? Das würde dann an die Seeräuber bei Asterix und Obelix erinnern, die, wenn sie schon Gefahr laufen, innerhalb der nächsten zehn Minuten ihr Schiff von den beiden Galliern in alle möglichen Einzelteile zerlegt zu bekommen, sich dann wenigstens den letzten Rest von Souveränität dadurch zu retten versuchen, daß sie dies selbst erledigen.

Eine Patientin, die ich bat, morgen ihren Mann gut zu behandeln, meinte lapidar: »Den schick’ ich morgen mit seinen Freunden weg, da kann er sich dann besaufen.« Und in dem Moment ging mir ein psychotherapeutisches Männerlicht auf. Auch ich habe mich ja schon oft über die teilweise wikingerbehelmten Jammergestalten mit dem kleinen Leiterwägelchen lustig gemacht, wie sie wankend und grölend durch die Welt ziehen, um abends bei Muttern ihren Rausch auszuschlafen. Wenn ich mir das mit therapeutischem Abstand betrachte, ist folgende Interpretation nicht so leicht von der Hand zu weisen: Während noch vor wenigen Tagen Mutter einen Kuchen gebacken und einen großen Strauß Blumen geschenkt bekam, vielleicht sogar den ganzen Tag die Beine hochlegen sollte, werden sich morgen viele Männer verdünnisieren. Ausdruck der Tatsache, daß ein Mann nur ein Mann sein kann, wenn er seine Familie hinter sich läßt? Wird hier vielleicht die Trauer und der Frust über die mangelnde Wertschätzung durch den angehimmelten weiblichen Gegenpart weggesoffen? Wird hier vielleicht eine Unabhängigkeit demonstriert, die über den Schmerz über die Abhängigkeit von der positiven weiblichen Resonanz, die mal wieder ausgeblieben ist bzw. die mann vielleicht ja noch nicht mal mehr erhoffen kann, hinwegtäuschen soll?

Das Interview in Publik Forum ist übrigens folgendermaßen überschrieben: Mit Pauken und Trompeten. Na denn laßt mann hören…

zuletzt aktualieisert am 21.06.2015