Mittwoch, 13. November 2019

Project Nightingale: Google-Krankheits-View, der transatlantische Bruder der Telematik

Ohne Wissen von Patienten durchleuchtet Google Millionen von Gesundheitsakten, um eine Suchmaschine für Krankheiten zu bauen


Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge hat Google Zugriff zu Millionen von Patientenakten in 21 Bundesstaaten. Im Rahmen des Projekts "Nightingale" (Nachtigall) sammelt und analysiert Google detaillierte Gesundheitsinformationen von Ascension, das mit 2.600 Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen medizinischen Einrichtungen der größte gemeinnützige Krankenhausbetreiber in den USA ist. Weder Patienten noch Ärzte sollen über die Verwertung der vertraulichen Daten durch Google informiert worden sein.

Zu den Daten zählen Laborergebnisse, Arztdiagnosen, Aufzeichnungen über Krankenhausaufenthalte, Medikamentenverabreichung, Informationen aus gescannten Dokumenten und eine vollständige Krankengeschichte mit Namen und Geburtsdatum der Patienten. Google trainiert an den Daten Prognose-Softwares für die Gesundheitsindustrie. Laut New York Times sollen rund 150 Google-Mitarbeiter Zugriff auf die sensiblen Daten erhalten haben.

Die Partnerschaft zwischen Google und Ascension stellt bisher die umfangreichste Zusammenarbeit zwischen Silicon Valley und dem Gesundheitssystem dar. Sie sieht vor, dass Daten aller Ascension-Patienten auf die Cloud-Computing-Plattform von Google hochgeladen werden. An ihnen werden KI- und Maschine Learning-Softwares getestet, die elektronische Patientenakten nach bestimmten Merkmalen durchsuchen und Muster im Krankheitsablauf herausfinden sollen. Mithilfe der Diagnosen will Google eine intelligente Suchmaschine für Krankheiten bauen.

Ascension begründet die Kooperation in einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Unternehmen, mit der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens, das Modernisierungen erforderlich mache. Ziel sei es schließlich, medizinischen Fachkräften einen besseren Zugang zu Patientendaten zu ermöglichen, die Patientenversorgung zu verbessern und letztendlich zu versuchen, Erkenntnisse aus den Daten zu gewinnen, um Behandlungsabläufe zu optimieren. Das Unternehmen nennt sich "eine auf Glauben basierende Gesundheitsorganisation, die sich der Transformation durch Innovation im gesamten Versorgungskontinuum verschrieben hat ". Zu den Patienten von Ascension zählen insbesondere Großstädter aus ärmeren Schichten ohne Krankenversicherung.

Google sieht in der heimlichen Datenverwertung keinen Gesetzesverstoß. Projekt Nightingale sei mit dem Bundesgesundheitsgesetz (federal health law) vereinbar und beinhalte einen zuverlässigen Schutz für Patientendaten, erklärte das Unternehmen am Montag. Laut Tariq Shaukat, CEO der Google-Cloud-Sparte, wolle das Unternehmen dazu beitragen, "letztendlich Behandlungen zu verbessern, Kosten zu senken und Leben zu retten".

mehr:
- Project Nightingale: Google geht auf Patientenjagd (Bulgan Molor-Erdene, Telepolis, 13.11.2019)
siehe auch:
Am Donnerstag soll der Bundestag ein Gesetz verabschieden, mit dem für Forschungszwecke eine zentrale Gesundheitsdatenbank über 73 Millionen gesetzliche Versicherte geschaffen werden soll. Die Daten sollen lediglich pseudonymisiert werden. Das damit verbundene Risiko ist nur einer von vielen Kritikpunkten an dem Vorhaben.
Das umstrittene „Digitale-Versorgung-Gesetz“ [PDF] steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages. Im Sommer hat das Bundeskabinett das Vorhaben von Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht. […]
Die Kritik am Aufbau einer zentralen Gesundheitsdatenbank ist immens. Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink hält das Vorhaben für bedenklich und merkt an, dass die Datenbank gar nicht richtig diskutiert worden ist. Zudem pocht sie auf Widerspruchsmöglichkeiten der Versicherten.
Auch der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme „erhebliche Zweifel, ob mit den Regelungen […] der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Versicherten gewahrt bleibt“ angemeldet. Der SPD-nahe Netzverein D64 und Saskia Esken, Kandidatin für den SPD-Vorsitz, kritisieren das Vorhaben ebenfalls.
Der Verein Digitale Gesellschaft warnt ebenfalls vor den Risiken einer solchen Datensammlung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat eine Stellungnahme angekündigt. Auf Twitter schrieb er bereits: „Wir haben Bedenken!“
[Christopher Hamich, Digitale-Versorgung-Gesetz Bundestag entscheidet über zentrale Gesundheitsdatenbank für Kassenpatienten, Netzpolitik, 05.11.2019]
- Bundesgesundheitsminister : Daten von Krankenversicherten sollen der Forschung zugänglich sein (ZON, 02.11.2019)
mein Kommentar:
Nightingale, ick hör dir trapsen! Erst hält das BGM die eigenen Regeln nicht ein, dann wird das »sichere medizinische Internet« mit Gewalt durchgeboxt, und nun entpuppt es sich als Datenkrake. Ich verwette meinen Praxissitz: 
In einem, spätestens zwei Jahren läuft die ganze Sache, und alle Bedenken sind vom Tisch gewischt, Bedenken hin, Datenschutzbeauftragter her.
Gute Nacht!