Sonntag, 12. Mai 2019

Qualitätsmedium Tagesschau: Die Verwendung von Sprache

Der Krieg gegen Syrien setzt sich noch immer fort. In die Propaganda-Bataillone, die einen Krieg begleiten und stützen müssen, ist die ARD-Tagesschau unverändert und geradezu perfekt funktionierend eingebettet. Für Terroristen in der syrischen Provinz Idlib wird die Luft enger und – wie nicht anders zu erwarten war – werden die schon so oft gespielten Platten bewährter kriegstreibender Propaganda ein weiteres Mal aufgelegt.

Offener Brief an den Journalisten des SWR, Jürgen Stryjak:
Guten Tag, Herr Stryjak,
betrachten Sie bitte das Folgende als offenen Brief. Versuchen Sie meine sehr deutliche Kritik nicht als Angriff zu werten und mich auch nicht “auf der anderen Seite” als “Anhänger Assads” zu verorten. Wem ich anhänge, ist der Frieden. Dafür möchte ich sehr gern sensibilisieren. Denn es geht darum, die Fronten aufzulösen und dafür ist Propaganda denkbar ungeeignet.
Ein weiteres Beispiel der ARD-Tagesschau zu ihrer kriegstreibenden Syrien-Hetze geht auf Ihr ganz persönliches Konto. Das werde ich Ihnen im Weiteren begründen. Die Überschrift Ihres Berichts vom 3. Mai 2019 lautet: 
“Russische und syrische Armee – Schwere Luftangriffe auf Rebellenhochburg” (1)
Schon in der Überschrift findet sich die erste Fälschung, denn das ist KEINE Rebellenhochburg und wer da attackiert wird, das sind auch keine Rebellen. Bitte, Herr Stryjak von der Tagesschau-Propaganda-Abteilung: Recherchieren Sie doch mal nach dem Begriff Rebellen. Die Wirklichkeit wiedergeben würde eine solche Überschrift:
“Russische und syrische Armee – Schwere Luftangriffe auf Stellungen islamistischer Milizen”
oder so eine:
“Russische und syrische Armee – Schwere Luftangriffe auf bewaffnete Extremisten”
oder so eine:
“Russische und syrische Armee – Schwere Luftangriffe auf terroristische Gruppen”
Weil Sie aber, Herr Stryjak, mitsamt Ihrer Tagesschau-Propaganda-Abteilung ihre Stellung im Krieg gegen Syrien nicht wagen aufzugeben, kommen Ihnen solche Überschriften gar nicht in den Sinn.
So kommt Ihnen auch nicht in den Sinn, was den Unterschied zwischen “Rebellen” und “terroristischen Gruppen” ausmacht. Weil auch Sie brav Ihr Feindbild des Diktators in Damaskus weiterpflegen, sind Sie in der Lage, die Begrifflichkeiten einfach umzukehren. Und so werden bei Ihnen aus Terroristen Rebellen. Das ist Propaganda, Falschberichterstattung, Fake News – wie Sie wollen.
Weil Sie mit Ihrem Feindbilddenken diese Umdeutung auch innerlich geschmeidig vollzogen haben, können Sie als nächstes eloquent das Tatsächliche in Frage stellen:
“Staatsmedien sprechen vom Kampf gegen «terroristische Gruppen»” (2)
Der Spin – gleich in der Einleitung verankert – ist klar: Da wir ja den – Ihrer inneren Logik nach – von Assad gelenkten, Staatsmedien nichts glauben dürfen, sollten wir deren Berichte über “terroristische Gruppen” auch nicht so ernst nehmen, nicht wahr, Herr Stryjak? Mir stellt sich die Frage, wer sich hier mehr als Staatsmedium geriert. Offensichtlich ist für mich, dass die ARD-Tagesschau da absolut konkurrenzfähig ist.
Waren Sie sich im voraus der Empörung bewusst, die eventuell den Kommentarbereich geflutet hätte? Ist deshalb die Kommentarfunktion – wie bei mehreren anderen Syrien-Berichten – gesperrt? 
Warum nun lässt sich Ihr Bericht als Propaganda klassifizieren? Unter anderem deshalb:
  • Er reißt Tatsachen aus dem Zusammenhang (Dekontextuierung).
  • Er vereinfacht unzulässig und schränkt den erforderlichen Wahrnehmungshorizont ein (Framing).
  • Das Prinzip von Ursache und Wirkung wird verletzt, in dem es umgekehrt wird, oder die Ursachen gar nicht erst genannt werden.
  • Er konnotiert, moralisiert und polarisiert, um den Rezipienten auf die gewünschte Seite zu ziehen (Emotionalisierung).
  • Er benutzt fragwürdige Quellen, Gerüchte, Deutungen und Stellungnahmen (!), um seine Botschaft anzureichern.
All das lässt sich ohne weiteres und zuhauf in Ihrem Beitrag erkennen.
Mir stellt sich die Frage, wieviel Zeit sie in diesen in drei Minuten gelesenen Artikel investieren konnten/durften/wollten: eine halbe oder eher nur eine viertel Stunde? Kann auch das der Grund sein, warum er journalistischen Standards in keiner Weise gerecht wird? Dürfen Sie, Herr Stryjak, im Falle Syriens keinen seriösen Journalismus pflegen oder können Sie es nicht? Das hier ist jedenfalls Propaganda und Sie sind offenbar auserlesen, sie an das Publikum weiterzureichen.
“Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen Hubschrauber der syrischen Luftwaffe allein heute rund 100 der international geächteten Fassbomben abgeworfen haben.” (3)
Wenn Sie sich etwas Zeit nehmen und diesen von Ihnen verfassten oder übernommenen Satz wirken lassen. Kommt Ihnen dann unter Umständen eine Ahnung, das dort im Prinzip Schwachsinn steht? Schwachsinn natürlich nicht im Sinne gelungener Propaganda, sondern in dem des gesunden, reflektierenden Menschenverstandes. 
mehr:
- Hetze gegen Syrien nimmt kein Ende (Peter Frey, Peds Ansichten, 12.05.2019)
siehe auch:
Mainstream goes Propaganda (Post, 08.05.2019)
Tendenziöse Berichterstattung über die Ukraine-Krise 2014? – Putin vs. Obama (Post, 09.03.2019)
Alle reden von Framing – ich jetzt auch! (Post, 19.02.2019)
Konflikt über behaupteten Giftgasanschlag in Aleppo weitet sich aus (Post, 09.12.2018)
Chemiewaffen und Fassbomben als Propagandawaffen im Syrienkrieg (Post, 24.11.2018)
Framing: Jedes Wort setzt einen Rahmen (Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck, ZON, 11.09.2018)
Propagandakrieg oder Massenhysterie? – Der Giftgasangriff in Chan Schaichun, April 2017 (Post, 13.05.2018)