Montag, 20. April 2015

Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer verhindern

Letzte Nacht ereignete sich die vielleicht größte “Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Möglicherweise mehr als 900 Tote, EU-Krisengipfel geplant”.

Erst Anfang der Woche waren “Vermutlich 400 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken”. Gegen dieses Massensterben muss sofort etwas getan werden. Dabei ist es noch der leichteste und billigste Teil, die Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer wieder zu verstärken. Gerade deshalb muss das sofort erfolgen. Schon schwieriger ist es, die Schleuserbanden wirksam zu bekämpfen und ihnen den Zugang zum Mittelmeer insbesondere in Libyen zu erschweren. Den größten politischen Streit gibt es jedoch um den Umgang mit geretteten und sonstigen Flüchtlingen.

In einer idealen Welt gäbe es gar keine Flüchtlinge und könnten alle Menschen überall auf der Welt in Frieden und Wohlstand leben. Die Realität sieht leider anders aus. Deutschland und Europa, aber auch die USA oder Kanada und Australien können nicht alle Menschen aufnehmen, die kommen wollen, insbesondere wenn es Sozialleistungen weit über den Einkommen für harte Arbeit in ihren Heimatländern gibt. Doch es leiden auch zu viele Menschen unter Bürgerkriegen oder staatlicher Unterdrückung. Folglich kann man nicht allen eine freie und ungefährliche Einreise legal zum Zwecke der Zuwanderung gewähren.

mehr:
- Alexander Dilger (junge Welt, 20.04.2015)
siehe auch:
- Parteitag – CSU sieht in Deutschland kein Einwanderungsland (ZEIT Online, 30.10.2010)
Migrationsrat hält Pegida für Spätfolge früherer CDU-Politik (ZEIT Online, 05.01.2015)

mein Kommentar:
ein moralischer Anspruch kann eine äußerst schwere Bürde sein…

Putin und das russische System

Die Gier der russischen Elite zerfrisst das ganze Land. Das ist kein Fehler des Systems, sondern das System selbst

Die Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen haben einen Tiefpunkt erreicht. Der niedrige Ölpreis und die Sanktionen, mit denen die USA und die EU auf die Krise in der Ukraine reagiert haben, verbreiten bereits düstere Stimmung in Russlands Wirtschaft. Seit Mitte 2014 ist der Wert des Rubels um gut ein Drittel gesunken. Und der Kreml hat mit seinen selbstzerstörerischen Entscheidungen alles noch schlimmer gemacht. Aber Wladimir Putin ist im Lande populärer denn je.

Eine erstaunliche Diskrepanz ist zwischen der inneren und der äußeren Reputation der russischen Regierung entstanden: zwischen der wachsenden neoimperialen Popularität zu Hause und dem Pariastatus auf internationaler Ebene. Während westliche Medien in die Rhetorik des Kalten Krieges zurückfallen, kommt eines der wenigen unabhängigen Meinungsforschungsinstitute in Russland zu dem Ergebnis, dass 85 Prozent der Bevölkerung die Annexion der Krim befürworten.(1)

Ob dieser Konsens stabil bleibt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wenn sich Rezession und Inflation fortsetzen und der Handlungsspielraum des Regimes angesichts der internationalen Isolation weiter schrumpfen sollte. Zwar endet die Amtszeit des Präsidenten erst 2018, aber Putins Machtposition scheint heute nicht mehr so unerschütterlich zu sein wie noch vor einem Jahr. Niemand weiß, ob das System Putin durch den Druck von außen zusammenbrechen oder von innen heraus erodieren wird - oder ob keines von beidem passiert. Die Prognosen über die Zukunft des Putinismus hängen davon ab, wie man das gegenwärtige Regime einschätzt.

Seit Putins Amtsantritt vor 15 Jahren hat das System, das sich unter seiner Ägide herausgebildet hat, unterschiedliche Etiketten verpasst bekommen. Die Kremlideologen sprachen von "souveräner" oder "gelenkter" Demokratie.(2) Wissenschaftler und Journalisten operierten mit Begriffen wie "wettbewerbsorientierter Autoritarismus", "virtuelle" oder "Scheindemokratie", "Militokratie" oder "Mafiastaat".

Die Präsidentschaft von Medwedjew (2008 bis 2012) brachte den Begriff "Tandemokratie" hervor. Dieses Zwischenspiel schien kurzzeitig die Chance einer Liberalisierung zu eröffnen, aber kaum hatte Putin das Präsidentenamt wieder übernommen, traten als Reaktion auf die Massenproteste im Winter 2011/2012 die autoritären Züge des Systems noch deutlicher hervor.

In all diesen Bezeichnungen kommen unterschiedliche Aspekte des Regimes zum Ausdruck: seine autoritären Tendenzen (Unterdrückung von Dissidenten, immer mehr Geheimdienstleute im Staatsapparat); die Aushöhlung demokratischer Rituale wie Wahlen; die straffe Kontrolle der Medien; die endemische Korruption und die engen Verflechtungen zwischen staatlicher Bürokratie und organisierter Kriminalität. All das ist in den Augen der meisten westlichen Beobachter neu. Der gängigen Darstellung zufolge wurde in der Jelzin-Ära (1991-1999) eine turbulente und keinesfalls vollkommene Demokratie etabliert, während unter Putin eine antidemokratische Wende eingesetzt habe, in der einige sogar eine Rückkehr zum Staatssozialismus erkennen wollen.

mehr:
- Was ist Putin? (Tony Wood, Le Monde diplomatique, 10.04.2015)
siehe dazu auch:
- Wrestling im Manchester-Kapitalismus: Putin vs. russische Oligarchen (Post, 02.03.2015)

Freiheit, Demokratie und Vorratsdatenspeicherung auf Neusprech

Neusprech macht intelligent. Und Daten sowieso. Oder so. Hal Faber möchte manches Mal verzweifeln, weil es doch so kommt, wie immer gewarnt wurde und niemand glauben wollte.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

mehr:
- Was war. Was wird. Von Daten, Daten und nochmals Daten. (heise News, 19.04.2015)


Gerüchte über russische und chinesische Milliarden

Die griechische Regierung hofft angeblich auf Gastransit-Vorschüsse

Der Spiegel berichtet, ein "hochrangiges" Mitglied der SYRIZA-Partei habe einem seiner Mitarbeiter verraten, dass die griechischen Regierung am Dienstag ein Gastransitabkommen mit Russland unterzeichnet und danach kurzfristig drei bis fünf Milliarden Vorschuss auf Durchleitungsgebühren überwiesen bekommt.
Dazu gibt es bislang weder Bestätigungen noch Dementis. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beteuerte am Samstag im Radiosender Business FM lediglich, es werde keine Hilfszahlungen an Griechenland geben - was Vorschüsse ja offiziell nicht sein müssen.

mehr:
- Gerüchte über russische und chinesische Milliarden (Peter Mühlbauer, Telepolis, 19.04.2015)

Schweiz: Private Sicherheitsdienste übernehmen Polizeiaufgaben

Juristen warnen vor einer Erosion des staatlichen Gewaltmonopols 

Ein Gesetz, das Anfang des Jahres in Kraft trat, finanzielle Nöte und ein Belastungs-und Anspruchsphänomen, das mit "24-Stunden-Gesellschaft" umschrieben wird, hat in der Schweiz dazu geführt, dass bestimmte polizeiliche Aufgaben ausgelagert werden. Private Sicherheitsfirmen übernehmen, zu einem weitaus günstigeren Preis. Aktuell haben sich nun mehrere Gemeinden im Umkreis von Basel dieser Auslagerung angeschlossen, was in Medien zu kritischer Aufmerksamkeit führt.

"Pikettdienst", Bereitschaft, ist das Stichwort für den wirtschaftlichen Faktor, die Kostenfrage. Seit Janaur 2015 legt das kantonale Polizeigesetz fest, dass die Gemeinden für Ruhe und Ordnung zuständig sind. Aus den neuen gesetzliche Aufteilung der Aufgaben zwischen Kantonen und Gemeinden folgte, dass die Kantonspolizei nur mehr für beschränkte Zeiten Bereitschaft hatte, dass sie, wie im Tagesanzeiger erklärt wird, "nicht wie bis anhin in den Nächten und an Wochenenden für alle Einsätze zuständig ist".


Mehr Bereitschaftstunden müssten von den Gemeinden bezahlt werden, und sie sind laut der Zeitung begrenzt: nur von Sonntag bis Mittwoch. "Die ereignisreichsten Nächte sind somit nicht abgedeckt. Extrem teuer ist der Dienst zwar nicht - 1.95 Franken pro Einwohner und Jahr - verschiedenen Gemeinden aber zu teuer". Weil private Anbieter die Kantonspolizei deutlich unterbieten können, laut Einzelfallbeispielen um bis zu 35 Prozent, sind sie immer öfter erste Adresse.


Die überforderte Polizei, deren Kosten allein schon durch den Ausbildungsaufwand höher liegen, sei auf dem Rückzug, die Sicherheitsbranche habe Konjunktur, kommentierte die NZZ heute alarmiert. Die Zahl der Angestellten in dieser Branche nehme jährlich um rund fünf Prozent zu.

mehr:
- Schweiz: Private Sicherheitsdienste übernehmen Polizeiaufgaben (Thomas Pany, Telepolis, 16.04.2015)

Die alte Garde rührt sich – Beschäftigungspaket für die FDP

Wolfgang Kubicki und Gerhart Baum wollen gegen das neue Vorratsdatenspeicherungsgesetz klagen

Am Mittwoch präsentierten Justizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der Öffentlichkeit "Leitlinien" für ein neues Vorratsdatenspeicherungsgesetz. Das erste Vorratsdatenspeicherungsgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 verworfen, weil es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar war. Die EU-Richtlinie, aufgrund derer es erlassen wurde, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) vier Jahre später für grundrechtswidrig und ungültig.


Politiker von SPD und Union hatten danach verlautbart, sie wollten nun abwarten, bis die EU-Kommission eine neue Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie auf die Beine stellt. Diese erklärte jedoch am 26. Januar, dass damit nicht zu rechnen sei. Den nun ohne EU-Richtlinie vorgestellten neuen Leitlinien nach sollen Internet- und Telefonverbindungsdaten in Deutschland künftig zehn Wochen lang gespeichert werden. Bei Mobilfunk-Standortdaten beträgt die Frist vier Wochen. Kommunikationsdaten besonders geschützter Berufsgruppen (wie zum Beispiel die von Ärzten und Abgeordneten) sollen aufgehoben, aber nicht abgerufen werden dürfen.


Damit hat auch die neue Vorratsdatenspeicherung das Grundproblem, dass nicht nur Daten von Verdächtigen und Gefährdern, sondern die aller Bürger gespeichert werden.

mehr:
- Beschäftigungspaket für die FDP (Peter Mühlbauer, Telepolis, 18.04.2015)

Freiheit, Demokratie und Polizei-Malware

Drei Whistleblower beschuldigen eine Polizei in Arkansas der Korruption und des Mobbings. Das Gericht ordnet die Freigabe von Dokumenten an. Die Polizei schickt eine Festplatte mit Passwortlogger, Backdoor und Command & Control Software.

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei von Fort Smith im US-Bundesstaat Arkansas erheben der Anwalt Matthew D. Campbell und ein IT-Security-Experte. Demnach hat die Polizei dem Advokaten eine Festplatte übermittelt, auf der drei verschiedene Trojaner gespeichert waren. Der Datenträger sollte Dokumente enthalten, die die Polizei ursprünglich nicht hatte herausgeben wollen. Die Mandanten des Anwalt sind drei Polizisten, die intern Missstände gemeldet hatten. In der Folge sahen sie sich organisiertem Mobbing ausgesetzt: Sie wurden fast zwei Dutzend formellen Untersuchungsverfahren unterzogen.

Schließlich verklagten die drei Männer die Polizeibehörde. Für dieses Verfahren (Bales vs Fort Smith) beantragte Campbell die Freigabe von E-Mails und anderen Dokumenten nach dem Informationsfreiheitsgesetz von Arkansas. Die Polizei weigerte sich zunächst, wurde dann aber vom Gericht zur Preisgabe verpflichtet. Was anschließend passiert sein soll klingt wie das Drehbuch eines schlechten Hollywood-Films. Einer der Kläger wurde gefeuert, ein anderer wurde ohne Gehalt suspendiert.

mehr:
- US-Polizei schickt Malware an Whistleblower-Anwalt (heise Security, 17.04.2015)
siehe auch:
- Lawyer representing whistle blowers finds malware on drive supplied by cops (ars technica, 14.04.2015)

mein Kommentar:
man kann’s ja mal versuchen, und wenn’s nur der Abschreckung dient!

Freiheit, Demokratie und US-Drohnen

Weitere Dokumente, die der "Spiegel" zitiert, sollen belegen, dass der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein eine zentrale Funktion im US-amerikanischen "Krieg den Terror" ausübt.
Ein zentraler Teil der US-amerikanischen Kriegsführung mit bewaffneten Drohnen läuft offenbar über Deutschland. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, ihm lägen geheime Dokumente vom Juli 2012 vor, in denen detailliert beschrieben werde, wie der "Krieg gegen den Terror" organisiert wird. Ein Schaubild zeige die Struktur der Drohneneinsätze. Andere Dokumente zeigten den Ablauf von Operationen in Somalia, Afghanistan, Pakistan oder im Jemen. Dabei werde deutlich, dass praktisch alle Drohnenangriffe der Air Force über Ramstein abgewickelt werden.

mehr:
- US-Drohnenkrieg wird angeblich über Ramstein gesteuert (heise Online, 17.04.2015)
siehe auch:
- Ex-US-Pilot: "Todesdrohnen sind die feigeste Art der Kriegsführung" (heise News, 18.04.2015)