Freitag, 15. Februar 2008

Was heißt Freiheit für Muslime und für Christen?

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Ob für den Bau von Moscheen, das Tragen von Kopftüchern, den islamischen Religionsunterricht oder die Anerkennung islamischer Verbände als Körperschaften öffentlichen Rechts – die Religionsfreiheit wird von Moslems hierzulande als Argument für ihre Interessen in Anspruch genommen. Doch verstehen Muslime unter „Freiheit“ das Gleiche wie Bürger des westlichen Kulturkreises?

Nein, meint die Soziologin Necla Kelek, die in der Türkei geboren wurde und seit 1994 deutsche Staatsbürgerin ist. In der FAZ (Integration – Freiheit, die ich meine, 15.12.2007) erläuterte sie ihre kritische Sicht des islamischen Gesellschaftsverständnisses. Während in der westlichen Tradition Freiheit als Befreiung des Einzelnen von jedweder Bevormundung – auch religiöser Art – zu verstehen sei, bestehe im Islam Freiheit allein darin, sich den Vorschritte des Islam unterzuordnen. Religionsfreiheit sei hier nicht wirklich Freiheit, sich eventuell auch vom Islam abzuwenden, sondern die Freiheit, der Pflicht zum islamischen Gehorsam nachzukommen. Daraus zieht Necla Kelek den Schluss: „Für mich ist der Islam als Weltanschauung und Wertesystem nicht in die europäischen Gesellschaften integrierbar und deshalb generell nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts anzuerkennen.

Dass wir unser personalistisches Freiheitsverständnis eigentlich dem Christentum verdanken, erläutert die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Ackermann in der Zeitschrift „Merkur“ (Dezember 2007). Mit dem Gedanken einer Gleichheit vor Gott habe das Christentum eine persönliche und nicht mehr kollektiv-stammesbezogene Beziehung zu Gott ermöglicht.

Das Christentum biete damit nicht nur die Grundlage für die Demokratie, sondern bestehe ein tiefer Zusammenhang zwischen Christentum und Liberalismus. Im Unterschied zur ‚gleichen Freiheit’, die unter dem Christengott gilt. brachte der Islam eher ‚die gleiche Unterwerfung’ der Gläubigen unter Allahs Willen hervor und den strengen Gehorsam gegenüber bestimmten Regeln.

Ist die lntegration von Moslems in europäische Gesellschaften also von vornherein zum Scheitern verurteilt? „Der Islam ist nicht integrierbar, wohl aber der einzeln Muslim als Staatsbürger“, meint Necla Kelek. 
mehr:
[Was heißt Freiheit für Muslime und für Christen?Christ in der Gegenwart 1/2008, 06.01.2008, S. 4, PDF]


Dazu einige Anmerkungen, die Entwicklung der westeuropäischen und der islamischen Geisteshaltung betreffend:

1. Der Islam ist 600 Jahre jünger als das Christentum. Die Intoleranz des Christentums vor 600 Jahren(, die ich mir nur mit Angst erklären kann) ähnelt der Intoleranz des Islam heute. Wen wundert’s?

Giordano Bruno stirbt auf dem Scheiterhaufen (1600) [7:00]

Hochgeladen am 26.12.2008
Giordano Bruno, eigentlich Filippo Bruno (* Januar 1548 in Nola; † 17. Februar 1600 in Rom) war ein italienischer Dichter und Philosoph. Er wurde wegen Ketzerei und Magie durch die Inquisition zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Im Jahr 2000 erklärten der päpstliche Kulturrat und eine theologische Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht.

Die Papst AG (9) - Johannes Hus - Wegbereiter der Reformation - Tumulte in Prag {9:45}

Hochgeladen am 27.01.2010
Jesus Christus ein Ketzer? Tatsächlich setzte die Kirche die Bibel auf den Index. "Die Mächtigen unterdrücken die Völker und missbrauchen ihre Macht über die Menschen. Ihr sollt nicht so sein." So Christus laut NT zu seinen Jüngern. In den Evangelien ist keine Rede von Ablässen, gar Ablasshandel, Reliquienhandel, Kirchenzehnten, Seelenmessen, Altaropfern und Kirchenpfründen, Salzsegnungen, Feldsegnungen, Kerzensegnungen, keine Rede von Geldzuwendungen bei Taufe, Heirat und Bestattung. Laut den Worten Jesu macht Armut selig: "Hütet euch vor der Habgier, sammelt keine Schätze". Abtrünnige Bewegungen beriefen sich zunehmend auf solche Sätze, also kam das NT auf den Index. In Oxford wurden Kopien der von John Wyclif übersetzten Bibel verbrannt. Seine Thesen wider die Geldabschöpfung durch die Kirche fielen in Prag auf fruchtbaren Boden. Ein Drittel der Stadt gehörte Klerikern, 70 Kirchen, drei Stifte, 20 Klöster. Der Unmut bei Adel, Bürgern und Bauern wuchs ständig. An der Prager Universität gab es schon vor 1400 eine kirchenkritische Fraktion, zu der auch ihr Rektor, Johannes Hus, gehörte. Wiclifs Schriften wurden kopiert, seine Thesen fanden Fürsprecher und Gegner unter den Theologen. Hus wirkte auch als Prediger in der Prager Bethlehemkirche. Ein Zeitgenosse, Zitat: "In seinen Predigten bekämpfte er hier standhaft Heuchelei, Pomp, Habsucht, Schwelgerei, Ämterkauf und andere Sünden des Klerus." Er predigte in tschechischer Sprache. Worauf seine Gegner befanden, er wiegele das Volk auf. Die Anhänger, die Hus gewann, kamen aus allen Schichten. Und hörten es gern, dass die Seelenrettung auch kostenlos zu haben sei."Die Priesterschaft soll nur von Almosen leben." 1410 gebot der Papst in Rom, Hus sei zu belangen. Am 16. Juli 1410 lässt der Prager Erzbischof 200 Schriften von Wiclif verbrennen. Trotz Verbot predigt Hus weiter und wird exkommuniziert, aber seine Anhänger verhindern die Vollstreckung. Drei von ihnen werden hingerichtet. Es kommt zu Tumulten. Schließlich tauchen in Prag Ablasshändler auf, die ihre Freibriefe vom Fegefeuer feilbieten. Der römische Papst braucht das Geld für einen Kreuzzug gegen den Papst in Pisa. Hus ist empört und spricht dem Papst öffentlich das Recht ab, Sünden zu vergeben, worauf er Prag verlassen muss. Er predigt weiter und der niedere Adel ist davon angetan, dass er die Güter der Kirche zur Disposition stellt. Viele litten unter der Konkurrenz der steuerbefreiten Wirtschaftsbetriebe der Klöster und Stifte. Ein Gegner von Hus: "Die große Menge der Klöster war denen ein Dorn im Auge, die hofften alles zu besitzen, wenn Hus seine Sache vollbringe." Konzil in Konstanz: 1414 versammeln sich rund 1000 kirchliche und weltliche Oberhäupter, um über eine Reform der Kirche zu beraten. Außer Spesen ... eine Reform brachten sie nicht zu Stande, dafür wurde Johannes Hus als Ketzer verurteilt und verbrannt. Peter Milger
http://www.milger.de
 

2. Die Aussagen bezüglich der Wurzeln der Demokratie und des Liberalismus im Christentum klingen arg schönfärberisch. Die Trennung von Staat und Kirche (zwangsläufiges Ergebnis einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einem selbstverantwortlichen Denken) ist eine Errungenschaft der Aufklärung (17./18. Jhdt.)

Geschichte der Aufklärung {1:38:31}

Veröffentlicht am 06.09.2014
Pro-Libertarismus.jimdo.com

Fassung von 1799
[Quelle: Beantwortung der Frage:
Was ist Aufklärung?
, Wikipedia]
Definition von Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, wenn ihr Grund nicht ein Mangel an Verstand ist, sondern die Angst davor, sich seines eigenen Verstandes ohne die Anleitung eines Anderen zu bedienen.“ [Einleitung eines Essays in der Dezember-Ausgabe der Berlinischen Monatsschrift 1784, Deutsches Textarchiv].


3. Die Aufklärung brachte erst einmal sowohl protestantische wie auch katholische Theologie in arge Bedrängnis, da deren Deutungshoheit in Frage gestellt wurde, so daß die christliche Aufklärungsliteratur erst einmal hauptsächlich bewahrenden Charakter hatte. Die Aufklärung kam also nicht aus dem Christentum sondern aus einem von der christlichen Kirche unabhängigem Denken. (Gotthold Ephraim Lessing: „An die Stelle der Religion muss die Überzeugung treten.“) Die Kirche sah sich zuerst einmal dazu genötigt, sich zu verteidigen. Was man ihr allenfalls zugute halten kann ist, daß sie – im Gegensatz zum Islam – unabhängigem Denken etwas Raum ließ (wohl eher lassen mußte, wie wir weiter unten sehen werden).


4. Die Aufklärung fußt mittelbar auf der Scholastik (9. – 13. Jhdt.)

Scholastische Methode: klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung der Begriffe, logisch geformte Beweise sowie Erörterung der Gründe und Gegengründe in formgerechter Disputation.

Wilhelm von Ockham, Skizze aus einer 
1341 angefertigten Handschrift der Summa logicae
[Quelle: Wilhelm von Ockham, Wikipedia]


 










Bekannte Scholastiker waren: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Roger Bacon, Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham (siehe auch »Ockhams Rasiermesser«; die Hauptperson aus Umberto Ecos Roman »Der Name der Rose«, William von Baskerville, ist der Person W. v. Ockhams nachempfunden.) Zu Averroës, der von seinem Denken her auch zu den Scholastikern zählen würde, kommen wir weiter unten.

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Umgang mit Autoritäten
Das typisch Scholastische war ein nahezu grenzenloses Vertrauen in die Macht und Zuverlässigkeit der Deduktion, des Schließens vom Allgemeinen auf das Besondere. Man nahm an, dass die fehlerfrei durchgeführte Deduktion zur Erkenntnis von allem vernunftmäßig Erkennbaren und zur Beseitigung aller Zweifel führen kann. Voraussetzung war die korrekte Anwendung der Regeln des Aristoteles, besonders seiner Lehre von den Trugschlüssen. Man ging von bestimmten allgemeinen Grundsätzen aus, von deren Richtigkeit man überzeugt war, und begann dann zu folgern, um ein Phänomen zu erklären oder eine These zu beweisen.
[…]
Die Scholastiker waren überzeugt, dass theoretisches Wissen, das aus allgemeinen Grundsätzen logisch sauber hergeleitet wird, das sicherste Wissen ist, das es geben kann. Beobachtungen können falsch oder trügerisch sein oder falsch gedeutet werden, aber eine logisch saubere Folgerung aus einem allgemeingültigen Prinzip ist notwendigerweise irrtumsfrei. Darum mussten Phänomene, die einer solchen Folgerung zu widersprechen schienen, so gedeutet werden, dass sie in den von diesem Prinzip und seinen Konsequenzen gesetzten Rahmen hineinpassten. Dies wurde Bewahrung der Phänomene genannt und spielte besonders in der Physik und Astronomie eine zentrale Rolle. Ergaben sich aus einem allgemein anerkannten Grundsatz Folgerungen, die denen aus einem anderen Grundsatz widersprachen, so bemühte man sich zu zeigen, dass der Widerspruch nur scheinbar existiert und auf einem Missverständnis beruht.
Umgang mit Autoritäten
Bei Widersprüchen zwischen Aussagen anerkannter Autoritäten versuchte man meistens zu zeigen, wie man die Stellen so deuten kann, dass dabei herauskommt, dass beide Aussagen zutreffen. Die Scholastiker verfügten über ausreichende Möglichkeiten, Widersprüche aufzulösen, ohne allgemein anerkannte Lehrsätze aufgeben zu müssen:
  • Es gibt verschiedene Deutungsebenen; manche Aussagen sind nur symbolisch gemeint oder sollen nur einem bestimmten Zweck (etwa einem didaktischen) dienen und sind nicht unbedingt als Tatsachenbehauptungen aufzufassen.
  • Ein Begriff kann je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen haben. Die Frage, ob er an der fraglichen Stelle mehrdeutig oder eindeutig ist, ist für das Verständnis entscheidend.
  • Die meisten Aussagen beanspruchen nicht absolute Gültigkeit (simpliciter), sondern sollen nur in bestimmter Hinsicht und unter bestimmten Voraussetzungen (secundum quid) wahr sein. Ein Lehrsatz kann also durch präzise Begrenzung seines Geltungsbereichs gerettet werden.
Manche Magister bemühten sich aber nicht um harmonisierende Deutungen, sondern widersprachen einzelnen Lehrmeinungen der Autoritäten (sogar des Aristoteles) scharf. In der Dynamik wich man von der aristotelischen Physik ab und entwickelte alternative Ideen (Impetustheorie, innerer Widerstand als bewegungshemmender Faktor). [Scholastik, Methode, Wikipedia]


Die Muʿtazila (arabisch المعتزلة ‚die sich Absetzenden‘) war eine hauptsächlich in Basra und Bagdad vertretene theologische Strömung des Islam, die ihre Blütezeit zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert erlebte, stark von der griechischen Philosophie beeinflusst war und sich besonders im Kalām, einer Form des religiösen Streitgesprächs mit rationalen Argumenten, hervortat. Sie stellte die Willensfreiheit des Menschen in den Vordergrund ihrer Lehre. Innerhalb der Muʿtazila gab es verschiedene Lehrrichtungen, die jeweils nach ihrem Haupttheologen benannt waren.Die muʿtazilitische Theologie wurde über das 11. Jahrhundert hinaus in schiitischen Kreisen, insbesondere bei den Zaiditen, weiter gepflegt. In der Moderne gab es einige muslimische Theologen, die die Ideen der Muʿtazila wiederbelebt haben. Im Mittelalter hat die muʿtazilitische Theologie auch auf das Judentum ausgestrahlt, insbesondere auf die karäische Theologie. [Muʿtazila, Wikipedia, abgerufen am 11.08.2016] 


Bewertung in der Moderne
Ahmad Amin beurteilt die langfristige geschichtliche Entwicklung wie folgt: "Die Zurückweisung der Muʿtazila war das größte Unglück, das die Muslime traf. Sie haben damit ein Verbrechen gegen sich selbst verübt"[30] Zu den muslimischen Gelehrten der Moderne, die versucht haben, Konzepte der Muʿtazila wiederzubeleben, gehören Nasr Hamid Abu Zaid in Ägypten und Harun Nasution in Indonesien. [Muʿtazila#Bewertung in der Moderne, Wikipedia] 



Kalām (arabisch كلام) ist ein arabischer Begriff, der allgemeinsprachlich die Bedeutung von „Rede“, „Gespräch“, „Worte“ hat, im spezifischen Sinn aber eine bestimmte Form des theologischen Streitgesprächs bezeichnet, das sich auf rationale Argumente stützt. Im arabisch-islamischen Mittelalter wurde der Kalām zunächst von muslimischen, später aber auch von jüdischen und christlichen Gelehrten gepflegt. Diejenigen Gelehrten, die sich daran beteiligten, wurden Mutakallimūn genannt. Soweit der Kalām sich zu einer eigenen Disziplin der Kontroverstheologie entwickelt hat, wird er auch als ʿIlm al-Kalām (علم الكلام Kalām-Wissenschaft) bezeichnet. [Kalām, Wikipedia] 


Die Aschʿarīya (arabisch أشعريةDMG Ašʿarīya) ist eine theologische Richtung des sunnitischen Islams, die historisch aus der Muʿtazilahervorgegangen ist, sich aber sowohl gegenüber dieser Richtung als auch gegenüber dem hanbalitischen Literalismus abgrenzt. Sie wird auf den basrischen Gelehrten Abū l-Hasan al-Aschʿarī (ca. 874-936) zurückgeführt. [Aschʿarīya, Wikipedia] 
[…] 
Haltung gegenüber dem Kalām
Die Aschʿarīya wird in den aschʿaritischen Quellen meist als ein Mittelweg zwischen dem Rationalismus der Muʿtazila und dem Traditionalismus der Hanbaliten beschrieben.[8] Gegenüber dem rationalistischen Kalām hatten viele Aschʿariten allerdings ein ambivalentes Verhältnis. Zwar wird von al-Aschʿarī selbst eine Verteidigung des Kalām mit dem Titel Istiḥsān al-ḫauḍ fī ʿilm al-kalāmüberliefert, doch war diese den mittelalterlichen Aschʿariten nicht bekannt.[9] Mehrere bedeutende Aschʿariten wie al-Bāqillānī, al-Dschuwainī, asch-Schahrastānī und Fachr ad-Din ar-Razi sollen in jungen Jahren den Kalām befürwortet, sich aber am Ende ihres Lebens reumütig davon abgewandt haben.[10] Im frühen 19. Jahrhundert schrieb der ägyptische Aschʿarit al-Fadālī (st. 1821) noch einmal eine Verteidigung des Kalām mit dem Titel: Kifāyat al-ʿawāmm fī-mā yaǧib ʿalai-him min ʿilm al-kalām ("Das Genügen der Laien hinsichtlich dessen, was sie an Kalām wissen müssen").[11] [Aschʿarīya, Lehre, Wikipedia] 
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Doch all diese umfassende Kenntnis konnte Al-Ghasalis Durst nach Gewissheit nicht stillen. Wer hatte nun wirklich recht? Wo lag die Wahrheit? Die Menschen übernahmen wie selbstverständlich von Eltern und Lehrern die widersprechendsten Meinungen. Warum? Mohammed hatte gesagt, dass jeder mit der ursprünglichen Anlage zum Islam geboren würde, nur seine Eltern machten den Menschen dann zu etwas anderem. Was war also die ursprüngliche Anlage des Menschen? Daraufhin prüfte er alle Lehren, aber er merkte bald, dass er dafür erst die Kriterien der Wahrheit selbst untersuchen musste. Die Wahrnehmungen der Sinne erwiesen sich ihm vor dem Forum des Geistes als trügerisch und ungenügend. Sie waren wandelbar, während die Grundsätze der Logik als axiomatische Wahrheiten des Intellekts immer dieselben blieben. Aber wie stand es mit der Zuverlässigkeit des Intellekts? Darüber sagte er:

„Die sensuelle Erkenntnis sprach zu mir: Wieso bist du sicher, dass es mit deinem Vertrauen auf die intellektuelle Erkenntnis besser gehen wird als mit dem Vertrauen auf die sensuelle Erkenntnis? Erst hattest du Vertrauen zu mir, da kam der Richter des Intellekts und strafte mich Lügen. Wenn er nicht gewesen wäre, hättest du weiterhin an meine Wahrhaftigkeit geglaubt. Vielleicht gibt es aber hinter der intellektuellen Erkenntnis noch einen anderen Richter, der, wenn er einmal zutage tritt, den Intellekt ebenso Lügen straft, wie der Intellekt die Sinne Lügen strafte. Dass ein solcher Richter sich bisher noch nicht gezeigt hat beweist nicht, dass er sich nicht eines Tages zeigen könnte.“

Die Erfahrungen des Traumlebens ließen ihn die Richtigkeit dieser Argumentation besonders einleuchten. Glaubt man nicht auch im Schlaf fest an die Wirklichkeit und Richtigkeit des Erlebten, bis das Erwachen die Nichtigkeit der Traumgebilde erweist? Wäre nicht ein Zustand denkbar, der sich zu unserem Wachsein so verhielte wie das Wachsein zum Traum, so dass unser Wachsein im Verhältnis zu ihm nur ein Traum wäre? Durch solche Gedanken kam Al-Ghasali dazu, sich intensiver mit der Mystik der Sufis zu befassen. War vielleicht der meditative Zustand der Sufis, in welchem sie behaupteten, überrationale Dinge zu sehen, diese Wirklichkeit? Oder war sogar das ganze irdische Leben nichts als ein trügerischer Traum und der Tod das eigentliche Erwachen?

Durch solche Gedanken kam Al-Ghasali in eine heftige innere Krise. Der quälende Zustand dauerte etwa zwei Monate. Dann kam ihm wieder das Licht und er verstand die relative Wahrheit des Intellekts, der immerhin den Beweis erbringt, dass zuverlässige Erkenntnis nur eine höhere Wirklichkeit geben kann. Dadurch wandte sich Al-Ghasali noch stärker der Sufi-Mystik zu. Er merkte nämlich bald, dass eine Auseinandersetzung mit dem Sufismus auf rein intellektuellem Boden, durch Lesen ihrer Schriften und durch Prüfen ihrer Argumente nicht möglich ist. 
[Al-Ghasali (1058 – 1111), Enfal Islampage, Ekrem Yolcu, Datum unbekannt]
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Batiniyya (arabisch الباطنيةDMG al-bāṭiniyya ‚Anhänger der bāṭin‘) ist ein von sunnitischen Autoren wie dem Perser al-Ghazali[1](1058-1111) verwendeter pejorativer Begriff zur Bezeichnung derjenigen religiösen Gruppierungen des Islam, die eine innere Bedeutungsebene (bāṭin) im Koran erkennen.[2] - einen die Wahrheit enthaltenden inneren Sinn (I. Goldziher)Die bekannteste Gruppierung der Batiniyya bilden die Ismailiten. In dieser Verwendung wurde den Batiniten von sunnitischen Muslimen die Ablehnung der äußeren Ebene der Schrift (ẓāhir), Rituale und Vorschriften vorgeworfen (vgl. Zahiriten), obwohl fatimidischeismailitische Autoren wie al-Kirmani (gest. ca. 1020) und Nasir Chusrau (11. Jhd.) das Gegenteil behaupteten.[3] Ein anderer sunnitischer Autor, Ibn Taimiya (1263-1328), vereinte unter dem Begriff bāṭiniyya einige schiitische Gruppen, Sufis und solche Philosophen wie Ibn Ruschd/Averroës (1126-1198).[4] [Batiniyya, Wikipedia]
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Ghazali genoss eine klassische islamische Ausbildung. Etwa im Alter von Mitte 30 kam er selbst als Gelehrter nach Bagdad, dem Zentrum des bereits im Niedergang befindlichen Reichs der Abbasiden-Dynastie. Ghazali erwarb sich zunächst vor allem mit seinen Arbeiten zum islamischen Recht großes Ansehen. Nebenbei arbeitete er sich gründlich in die philosophischen Schriften ein. Begleitet von den zunehmenden politischen Auseinandersetzungen und religiösen Disputen seiner Zeit stürzte er jedoch in eine tiefe intellektuelle Krise:

Nach langem Zweifel bin ich dahin gekommen, auch der sinnlichen Erkenntnis keine Gewissheit zuzugestehen,
... schreibt Ghazali in seinem autobiografischen Werk: "Der Befreier aus dem Irrtum". Die Skepsis gegenüber dem verbreiteten Autoritätsglauben, der dazu auffordert, sich nur bereits existierenden Gelehrtenmeinungen anzuschließen, hatte Ghazali schon vor längerer Zeit entwickelt. Und auch auf die Vernunft allein wollte er sich nicht verlassen, um sein Verlangen nach Gewissheit zu befriedigen. Er schreibt:

Vielleicht versteckt sich ja hinter der Vernunfterkenntnis ein anderer Richter, welcher, sobald er in Erscheinung tritt, das Urteil der Vernunft der Lüge bezichtigt.
Irgendwann wird es dem Gelehrten zu viel. Quasi auf dem Höhepunkt seines Erfolgs gab er seine renommierte Stelle in Bagdad auf. Verschenkte all seinen Besitz und machte sich auf die Suche nach der Liebe zu Gott. Als Asket folgte Ghazali fortan fast elf Jahre dem Pfad der Mystik. Anschließend ging er in seine Heimatregion zurück und nahm an seiner ehemaligen Ausbildungsstätte einen Lehrstuhl an. In dieser Zeit schloss er auch seine berühmte Schrift "Ihya ulum al-din" - Die Wiederbelebung der Religionswissenschaften - ab. Es ist vielleicht die bedeutendste theologische Abhandlung im Islam.

Wenn dem Islam heute mitunter ein gespanntes Verhältnis zur Philosophie attestiert wird, so ist Ghazali daran nicht ganz unschuldig. Der französische Schriftsteller und Historiker Ernest Renan bezeichnete ihn 1852 als einen "Feind der Philosophie". Und sein deutscher Kollege und Zeitgenosse Salomon Munk kam zu dem Urteil:

Ghazali führte einen Schlag gegen die Philosophie, von dem sie sich im Orient nicht mehr erholen konnte.
Den Ruf des Zerstörers brachte ihm vor allem ein Werk ein: "Die Inkohärenz der Philosophie". In diesem Buch setzte sich Ghazali aus theologischer Perspektive kritisch mit den Denkansätzen der bis dahin wichtigsten islamischen Philosophen auseinander: Ibn Sina und Al-Farabi, die in Europa als Avicenna und Alfarabius bekannt sind. Ghazali führt insgesamt 20 Lehrsätze von ihnen auf, die seiner Auffassung nach Fehler und Mängel aufwiesen - etwa die Behauptung, die Welt sei unerschaffen und ewig. Oder: Nur die Seele, nicht aber der Leib werde auferstehen. Zum Teil hatten Ghazalis Ausführungen fatale Folgen. 17 dieser Lehrsätze erklärte er für häretisch, drei sogar als ein Zeichen für Apostasie, also für einen Abfall vom Glauben, der nach klassischer Rechtsauffassung mit dem Tod bestraft wird. 
[Die Vertreibung der Philosophie aus dem Islam – Der muslimische Gelehrte al-Ghazali auf dem Prüfstand, Thorsten Gerald Schneiders, Deutschlandfunk, 09.02.2012]
- Welcher Niedergang? (Macksood Aftab, Islamische Zeietung, zu finden auf iran German Radio, 13.01.2014)


Al Ghazali - The Alchemist of Happiness - Documentary Trailer [2:46]

Hochgeladen am 03.09.2011

Al Ghazali The Alchemist of Happiness 2004 YouTube

bu Hāmed Mohammad ibn Mohammad al-Ghazzālī (1058 -- 1111) (Persian: ابو حامد محمد ابن محمد الغزالی), known as Algazel to the western medieval world, born and died in Tus, in the Khorasan province of Persia (modern day Iran) was a Persian[5] Muslim theologian, jurist, philosopher, and mystic.
Ghazali has sometimes been referred to by historians as the single most influential Muslim after the Islamic prophet Muhammad.[6] Besides his work that successfully changed the course of Islamic philosophy—the early Islamic Neoplatonism developed on the grounds of Hellenistic philosophy, for example, was so successfully refuted by Ghazali that it never recovered—he also brought the orthodox Islam of his time in close contact with Sufism.[6] The orthodox theologians still went their own way, and so did the mystics, but both developed a sense of mutual appreciation which ensured that no sweeping condemnation could be made by one for the practices of the other.



Sein Einfluß auf die islamische Philosophie läßt sich in zwei Aspekten beschreiben. Zum einen war er sicherlich am Niedergang der (reinen) Philosophie innerhalb des Islams beteiligt, wobei jedoch unklar ist, in welchem Ausmaß. Es gab in der östlichen islamischen Welt keinen großen Philosophen mehr nach Ibn Sînâ, dieser ist jedoch 428/1037 gestorben, so daß es möglich ist, daß die Philosophie schon vor Ghazâlîs Angriff im Niedergang begriffen war. Im islamischen Westen, in Andalusien, traten noch einige einflußreiche Philosophen auf, wie Ibn Tufail und Ibn Ruschd (Averroes), doch schließlich kam die philosophische Bewegung auch hier zum Stillstand. Diese Entwicklung ist jedoch im Zusammenhang mit der gesamten Geschichte Andalusiens zu sehen, wo das islamische Reich zerfiel und die christlichen Herrscher die Oberhand gewannen. [Ghazâlîs Leistungen, Silvia Horsch auf ihrer Homepage al-sakina, Datum unbekannt]

Dokumentarfilm Der Name der Rose von Umberto Eco [24:13]

Veröffentlicht am 01.04.2015
Fragmente einer Dokumentation über den Film "Der Name der Rose " von Jean-Jacques Annaud , basierend auf dem Roman von Umberto Eco. Es hat Interviews mit Schauspielern Sean Connery, Christian Slater sehr jung, Frank Murray Abraham , Historiker, mit dem Kameramann und Umberto Eco. Dedicated to Christian Grau, der mich daran erinnert, der Charakter Jorge de Burgos auf Jorge Luis Borges basiert.
InfoText zu einem inzwisdhen gelöschten Video:
Hochgeladen am 22.02.2009
Bernardo Gui baut Remigio de Varagine "eine Brücke", um zumindest der Folter entgehen zu können: "Könnte es vielleicht sein, dass Du vom Teufel besessen warst...":

R: Ich werde alles gestehen. Alles, was Ihr wollt! Wenn Ihr mir nur die Folter erspart... [...]
B: Also gut. (Pause) Warum hast Du sie getötet?
R: Warum, fragt Ihr. (überlegt) Ich weiß nicht, aus welchem Grund... (krampfhaft) Ich...ich...
B: (dogmatisch) Vielleicht, weil Du vom Teufel besessen warst!
R: (begreifend, zu sich) Ja. Das ist der Grund! Ich war vom Teufel besessen! (spielend) Ich bin vom Teufel besessen, vom Teu-fel!

The name of the rose - Did Christ laugh [2:52]

Hochgeladen am 01.07.2010

Während die Scholastik den Mittelpunkt des Denkens in der christlichen Welt für die nächsten Jahrhunderte darstellte, spielte sie in der islamischen Welt kaum eine Rolle.


Die Scholastik wiederum baut mittelbar auf der aristotelischen Logik auf. Letztere war schon zu Zeiten des römischen Imperiums zu großen Teilen verlorengegangen.

Altertum / Mittelalter (Völkerwanderung und Islamische Expansion) [1:13:42]

Veröffentlicht am 14.07.2014
Gegen-Sozialismus.jimdo.com

Größte Ausdehnung des islamischen Herrschaftsbereiches um 750
(gefunden bei stmichael-online)
Die Araber stießen mit der Ausbreitung des Islam auf die alten griechischen Schriften und gründeten ganze Schulen, (Stichwort: Übersetzerschule von Toledo) die mit nichts anderem beschäftigt waren als dem Übersetzen dieser Werke.



Mit der Eroberung der Iberischen Halbinsel (in der Schlacht von Guadalete 711 unterlag König Roderich einem 8.000 Mann starken Expeditionskorps; seit dem 5. Jhdt. gehörte die iberische Halbinsel zum Herrschaftsbereich der Westgoten, seit dem Konzil von Toledo 589 war der Katholizismus Staatsreligion) durch die Mauren (nomadisierende, von den Arabern islamisierte Berberstämme) kamen christliche Denker wieder in Berührung mit den durch die Muslime bewahrten altgriechischen Werken.

Geschichte Spaniens - Zauber der Mauren [51:24]

Veröffentlicht am 20.09.2013
Na, wer hat die Zivilisation nach Europa gebracht?!


Al-Andalus, ca. 909 (gefunden bei Wikipedia; bei 
www.way-to-allah.com kann man sich ein tolles Video 
ansehen, welches vor kurzem bei 3sat lief.)
In Córdoba, befand sich ein kulturelles Zentrum, das die angesehensten Universitäten des zehnten Jahrhunderts vorweisen konnte, außerdem 70 öffentliche Bibliotheken und 50 Krankenhäuser. Hier fand das friedliche Aufeinandertreffen islamischer, jüdischer und christlicher Traditionen statt.








Spanien unter dem Halbmond Al Andalus [1:49:38]


Hochgeladen am 11.02.2012



Geschichtlicher Einschub:
(Bild aus Wikipedia)
Auf dem geistesgeschichtlichen Faden dieses Artikels marschieren wir von der Aufklärung zu Aristoteles zurück. Auf dem geschichtlichen Faden müssen wir vorwärts gehen und in drei Schritten den Wechsel der Herrschaftsverhältnisse in Spanien und Nordafrika skizzieren:












Das Osmanische Reich zur Zeit seiner 
größten Ausdehnung, 1683 (aus Wikipedia)
1299 begründete Osman I. (*1258, †1326) das nach ihm benannte Osmanische Reich




Dieses breitete sich über die nächsten 400 Jahre im östlichen Mittelmeerraum und in Nordafrika aus.












Unter Sultan Süleyman I. dem Prächtigen (1520-1566) erlebte das Osmanische Reich – trotz der vergeblichen Belagerung Wiens 1529 – seine Glanzzeit.

Schon wenige Jahre nach dem Einbruch der Araber auf der Iberischen Halbinsel begann 722 mit der Schlacht von Covadonga die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung. Der Kampf gegen die Muslime wurde von den christlichen Herrschern Europas als Kampf für die gesamte Christenheit und Heiliger Krieg wahrgenommen. Während viele enge persönlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Christen und Muslimen bestanden, erlangten im Verlauf des 9. bis 12. Jahrhunderts die christlichen Königreiche allmählich die Herrschaft über weite Teile der Iberischen Halbinsel. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war das nasridische Sultanat von Granada das letzte arabische Herrschaftsgebiet und mußte an Kastilien Tribut zahlen.


Bild von Ortiz, 1882, aus Wikipedia


 


1492 kapitulierte der letzte arabische Herrscher in Al-Andalus, Muhammad XII. (Boabdil), Sultan von Granada, vor den Heeren von Ferdinand II. und Isabella I. („Los Reyes Católicos“, die Katholischen Könige).


Die Organe der Frau, Leonardo da Vinci, 1508,
Feder und Kohle (gefunden bei reproarte.com)
 

An dieser Stelle können wir den geistesgeschichtlichen Faden wiederaufnehmen: 


Noch zu Zeiten von Leonardo da Vinci (1452 – 1519) war das Sezieren von Leichen in den christlichen Ländern verboten. (Dafür wurde Ende des 15. Jhdts. im Osmanischen Reich der Buchdruck verboten; dazu weiter unten.) Man muß sagen, daß im gesamten Mittelalter die islamische der christlichen Wissenschaft weit voraus war (auf der verlinkten Seite ganz unten und nächste Seite), vor allem in den Bereichen Mathematik, Physik, Astronomie und Medizin.
(Siehe auch die Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel)





5. Aristoteles’ Weltbild war teleologisch, d.h. Vorgänge waren für ihn immer an einem Zweck orientiert. Die Erfüllung dieses Zwecks lag in der Zukunft, deshalb benötigte Aristoteles (Schüler des Platon und Lehrer Alexander des Großen) eine „planende Hand“: Götter bzw. einen Gott. Der christlichen Kirche war diese Vorstellung sehr genehm: sie übernahm sie und wer sie anzweifelte, galt als Ketzer.

„Es besteht für Naturwissenschaftler kein Grund, in die Verehrung einzustimmen, die Aristoteles genießt. Er hat durch seine Ablehnung des Atomismus den Fortschritt der Wissenschaft zwei Jahrtausende lang aufgehalten. Und was vielleicht noch schlimmer ist: er hat als Urheber einer Geistesrichtung, die alle Grundsätze des physikalischen Denkens verkannte und die er mit dem ganzen Gewicht seiner ungeheuren Autorität vertrat, auf die spätere Entwicklung nicht bloß der Physik, sondern auch der übrigen Naturwissenschaften den verderblichsten Einfluss genommen. [ A. March, Physiker, 1891-1957]
(Das ist natürlich ziemlich herbe, dazu gehören immer zwei, die Kirche hat ihn benutzt, wo er ihre Auffassungen stützte und abgelehnt, wo er dies nicht tat.)

Aristoteles ist also zwiespältig zu sehen: während seine Philosophie der Logik über den arabischen Umweg und die Iberische Halbinsel im Hochmittelalter wieder die europäische Philosophie befruchtete, kamen seinen wissenschaftlichen Überlegungen eine fast absolute Autorität zu. Durch den Einfluß der Scholastik waren noch im Hochmittelalter europäische Denker nicht an systematischen Naturbeobachtungen interessiert. Es ging meist nur darum, ob neue Beobachtungen oder Theorien mit denen des Aristoteles übereinstimmten oder nicht. (Zum Umgang mit Autoritäten siehe nochmals bei Wikipedia.)

Terra X - Große Völker - Die Griechen [43:58]

Veröffentlicht am 10.03.2014
Große Völker: Griechen, Römer und Wikinger
Zeitreise zu den Wurzeln Europas mit Comic-Elementen

Demokratie, Gesetze, Wissenschaft, Literatur, Theater, Olympische Spiele, Wasserversorgung, Straßennetze, Fernhandel, Überquerung der Weltmeere, Globalisierung -- die Liste der Errungenschaften, die das Europa von heute kennzeichnen, ließe sich endlos fortführen. Doch ausnahmslos alles, was unser heutiges Leben prägt, basiert auf über 2000 Jahre alten Ideen und Erfindungen. Die neue "Terra X"-Reihe "Große Völker" versteht sich als Zeitreise zu den Wurzeln Europas und den Nationen, die den Weg in die Moderne geebnet haben. In drei Folgen werden die Pionierleistungen der Griechen, Römer und Wikinger vorgestellt.
 



6. Der erste, der systematisch die induktiv-experimentelle wissenschaftliche Arbeitsweise anwendete, bei der zuerst Experimente durchgeführt und erst danach anhand der Versuchsergebnisse Theorien aufgestellt werden, war der Erfinder der Lupe (er benutzte plankonvexe Lesesteine), Alhazen (Abu Ali al-Hasan Ibn Al-Haitham, ca. 965 – 1040, persischer Mathematiker, Optiker und Astronom); bis dahin war es üblich, Erkenntnisse nur durch logische Schlußfolgerungen zu gewinnen und Experimente allenfalls zur Veranschaulichung der so gefundenen Theorien durchzuführen.
Kupferstich auf dem Titelblatt des Thesaurus opticus (arab. Titel: Kitab-al-Manazir). 
Die Darstellung zeigt, wie Archimedes von Syrakus römische Schiffe mit Hilfe 
von Parabolspiegeln in Brand gesetzt haben soll. (gefunden bei Wikipedia)
Die Muslime selber wiederum verdanken die experimentelle Methode dem Koran, der dutzendfach dazu auffordert zur Mehrung des Wissens über die Welt die Natur zu beobachten. Sie gilt im Koran als ein göttliches Zeichen. Dieser Naturappell ermutigte muslimische Wissenschaftler dann bereits im frühen Mittelalter zu empirischen Forschungen und bahnbrechenden Erkenntnissen in Biologie, Zoologie, Geografie, Optik, Medizin, Astronomie und Mathematik.

Die Übernahme experimenteller wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der muslimischen Welt durch Europa geschah zunächst durch Reisende, Händler, Pilger und Europäer, die sich entschlossen hatten, in der islamischen Welt zu studieren. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist Gerbert von Aurillac (gest. 1003), später Papst Silvester II., der die muslimischen Universitäten in Sevilla und Cordoba besuchte. Schließlich sorgten die Kreuzzüge (1095-1291) und die Reconquista (11.-15. Jahrhundert) für einen weniger friedlichen Wissenstransfer.

Es verwundert nicht, dass zunächst vor allem Spanien und Portugal einen kräftigen Entwicklungsschub erhielten, jene Orte, an denen sich die Muslime am längsten auf dem europäischen Festland aufgehalten hatten. 
[Ohne Orient kein Okzident, Muhammad Sameer Murtaza, The European, 26.03.2015]
dazu auch:
- Islam und Judentum (in: Jan Rohls, Offenbarung, Vernunft und Religion, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, 2012, S. 135ff.,GoogleBooks)
- Zwischen Islam und lateinischer Christenheit: das Werk des Philosophen, Religionsmannes und Juristen Averroes (Jacques Langhade, trivium, 2005)
- Die Denker von Al-Andalus (Manuela Lenzen, Bild der Wissenschaft 7/2015)
- Widersprechen sich Wissenschaft und Religion? (Nissan Dovid Dubov, Chabad.org, Datum unbekannt)
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7. Averroës (arabisch أبو الوليد محمد بن أحمد بن محمد بن رشد‎, Abū l-Walīd Muḥammad b. Aḥmad ibn Muḥammad b. Rušd, 1126 – 1198, spanisch-arabischer Philosoph, Arzt und Sufi-Mystiker), einer der größten islamischen Philosophen (und damals in der islamischen Welt unbeachtet), ein glühender Bewunderer des Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der zu fast jedem Werk des Aristoteles einen Kommentar verfaßte (genauso wie damals Aristoteles nur „der Philosoph“ genannt wurde, sprach man von Averroës als „dem Kommentator“), sah in der Logik die einzige Möglichkeit des Menschen, glücklich zu werden. Solche Feststellungen brachten ihn allerdings in Opposition zum orthodoxen Islam, der Averroës’ Schriften bis heute ablehnt. [Averroës, Wikipedia, abgerufen am 15.02.2008]

Forgotten Thinkers: Al-Ghazali and Averroes [54:10]

Veröffentlicht am 19.02.2016
A lecture delivered by Wesley Cecil PhD. at Peninsula College. Explores the Islamic Golden Age, Translation Movement, and the work of Al-Ghazali and Averroes. 

I apologize if my speech is in-distinct at times, I was quite sick when delivering this lecture - perhaps should be titled "The Incoherence of Me." Also note, Grand Ayatollah Ali Al-Sistani's website is still active.

Averroes [42:23]

Veröffentlicht am 20.09.2012

Averroès un penseur décisif [29:37]

Veröffentlicht am 20.10.2013

Science & Islam: Part 1 [1/3]: The Language of Science [Comparative Study] [58:36]

Hochgeladen am 13.09.2011
[Comparative Study] An interpretation/perspective/presentation/production.. from an Un-Islamic/Non-Islamic viewpoint..

Science & Islam: Part 2 [2/3]: The Empire of Reason [Comparative Study] [59:02]

Hochgeladen am 13.09.2011

Science & Islam: Part 3 [3/3]: The Power of Doubt [Comparative Study] [59:12]

Hochgeladen am 13.09.2011

Pourquoi Averroès a t il tant inquiété la pensée médiévale latine ? avec Jean-Baptiste Brenet [1:06:42]

Veröffentlicht am 21.09.2015
Cultures d'Islam par Abdennour Bidar avec Jean-Baptiste Brenet

Si Averroès fut inquiétant, d'une inquiétante étrangeté, c'est sans doute que selon une lecture très répandue il aurait fait de l'homme un "objet" alors qu'il réclame le statut de "sujet" de ses actes.
Mais alors se pose la question de savoir de quoi ou de qui l'être humain peut-il bien être l'objet ? D'un intellect supérieur - une sorte d'intelligence universelle - qui penserait en nous-mêmes et à notre place, ou bien, hypothèse de Freud, d'un inconscient qui ferait de nous ses "jouets" en nous laissant à l'illusion de nous diriger nous-mêmes de façon consciente et délibérée...
C'est toute la question de la possibilité pour l'être humain de se considérer comme l'auteur et le maître de sa vie qui est en jeu ici.

A propos de : Averroès l'inquiétant, Ed. Belles Lettres (2015)

Le nom d'Averroès est celui d’un scandale. Voici l’homme d’une thèse folle qui soutient que l’intellect est séparé des individus et unique pour toute l’espèce.

Conséquence ? La négation de la proposition « je pense » : la ruine de la rationalité. Pendant cinq cents ans, l’Europe s’en offusquera. Comment comprendre cette histoire qui mêle fascination et rejet ? D’où vient que l’averroïsme récusé d’emblée n’ait cessé de reparaître ? Avec Freud, ce livre propose une réponse.

Averroès, alias Abū l-Walīd Muh. ammad ibn Ah.mad Ibn Rušd, est l’archétype d’une « inquiétante étrangeté »venue perturber la latinité. (4ème de couverture)

Invité(s) : Jean-Baptiste Brenet, professeur à l'Université de Paris 1-Panthéon Sorbonne

Averroës (Ausschnitt eines Gemäldes 
von Andrea Bonaiuto, 14. Jhd.; Quelle: Wikipedia)



Da er kein Christ war, konnte er den Gedankengängen Aristoteles’ auch in den Punkten folgen, wo sie mit der christlichen Religion nicht vereinbar waren. Der aristotelischen Naturphilosophie stand die christliche Kirche nämlich sehr skeptisch gegenüber. 

Siehe auch:

- Averroës – Vordenker einer islamischen Aufklärung - Glaube und Vernunft (Andreas Speer im Gespräch mit Susanne Fritz, Deutschlandfunk, 26.01.2016)

Averroës, Detailansicht aus der Schule von Athen 
(Fresko von Raffael, 1510, im Unterschriftssaal 
des Papstes im Vatikan; Quelle: Wikipedia)







Die führte witzigerweise z. B. dazu, daß 1277 der Pariser Bischof und Kanzler der Pariser Universität Étienne Tempier eine Auflistung von 219 Thesen von Aristoteles und Averroës veröffentlichte, deren Lehre an der Sorbonne er unter die Strafe der Exkommunikation stellte (siehe Geschichte des Averroismus bei Wikipedia).

siehe dazu:

- Autoritätenstreit und das richtige Wissen (Steffen Schnieders, Deutschland im Mittelalter)
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  • 1210 wurden auf der Pariser Synode die naturphilosophischen Schriften des Aristoteles für den Lehrbetrieb an der Artistenfakultätverboten.
  • 1231 verbot Papst Gregor IX. in einer Bulle die Physik des Aristoteles, bis sie geprüft und von allem Verdacht des Irrtums gereinigt sei [1].
  • Von 1243 bis 1248 lehrte Albertus Magnus in Paris und befasste sich dabei intensiv mit Aristoteles.
  • Von 1269 bis 1271 lehrte Thomas von Aquin in Paris und versuchte zu vermitteln. Er systematisierte die Theologie mit den Mitteln der aristotelischen Philosophie.
  • 1270 erstellte Ägidius von Rom eine Liste von 95 Irrlehren der Philosophen.
Verurteilung von 1277 
Am 23. November 1276 hatte der Inquisitor Simon du Val die ehemaligen Lehrer der Artistenfakultät zu Paris (Siger von Brabant, Gosvin von La Chapelle und Bernier von Nivelles) vor sein Tribunal geladen. Am 18. Januar 1277 wurde Tempier von Papst Johannes XXI.aufgefordert, Gerüchten über neuerliche Irrlehren an der Universität Paris nachzugehen. Tempier rief eine Theologenkommission zusammen, der auch Heinrich von Gent angehörte.
Am 7. März 1277 veröffentlichte Tempier einen Syllabus von 219 Thesen, die an der Artistenfakultät diskutiert wurden. Sie betreffen philosophische und theologische Themen wie den Wissenschaftscharakter der Theologie, die Erkennbarkeit Gottes, das göttliche Wissen, die Allmacht Gottes, den Willen Gottes, die Freiheit des menschlichen Willens, die Unsterblichkeit der Seele, die Eucharistie, die Morallehre, die Angelologie und die Kosmologie [3].
Prolog des Dekrets
Es wird die Lehre der 219 Thesen unter die Strafe der Exkommunikation gestellt [4] und die doppelte Wahrheit verurteilt: Sie sagen nämlich, diese Irrlehren seien wahr im Sinne der Philosophie, aber nicht im Sinne des katholischen Glaubens, als gebe es zwei gleichsam entgegengesetzte Wahrheiten.[5]
Außerdem werden ein dreibändiges Werk De amore über die höfische Liebe [6], ein Buch über Geomantie[7] sowie Schriften über Nekromantie, Gebräuche von ZauberernTeufelsanbetungen und seelengefährdende Beschwörungen [8] verboten. 
Anpassungen nach 1277 
  • Die beiden Verurteilungen von 1270 und 1277 wurden mit derjenigen Verurteilung des Pariser Bischofs Wilhelm von Auvergne von 1241 sowie derjenigen des Erzbischofs von Canterbury Robert Kilwardby von 1277 zu der Sammlung „Collectio errorum in Anglia et Parisius condemnatorum“ zusammengefasst.
  • Unter den 219 Thesen sind auch einige Lehrstücke des Thomas von Aquin. Um dessen Verurteilung zu verhindern, stellte Gottfried von Fontaines 1296 im Rahmen einer Quaestio quodlibetalis die Frage, ob der Nachfolger Tempiers eine Sünde begehe, wenn er dessen Syllabus aufgrund seiner Mängel nicht korrigiere [9]. Nach der Heiligsprechung von Thomas von Aquin 1323 korrigierte der Pariser Bischof Etienne Bourret 1325 die Irrtumsliste.
Auswirkungen 
  • Doppelte Wahrheit: Der Verurteilungstext von 1277 überliefert, was per kirchlichem Dekret nicht gedacht werden sollte, und die Philosophie befreite sich folglich zunehmend unter anderem mit Wilhelm von Ockham vom Einfluss der Theologie.
  • Der französische Physiker und Wissenschaftshistoriker Pierre Duhem betrachtete die Verurteilungen als Geburtsdatum der modernen Wissenschaft, weil die aristotelische Physik mit ihrem Horror vacui zurückgewiesen und damit Raum für die moderne Naturwissenschaft geschaffen wurde [10].
  • Die Verurteilungen in Paris wurden vom Philosophiehistoriker Steenberghen als „wahrer Angelpunkt der Geistesgeschichte dieser Epoche“[11] und von Gilson als epochales „landmark“ (Grenzzeichen)[12] bezeichnet. [Pariser Verurteilungen, Wikipedia]
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siehe auch:

Das andere Rom (Romain von Leick, SPIEGEL Geschichte 4/2013)

Albertus Magnus und Thomas von Aquin! [29:45]

Veröffentlicht am 28.09.2013
Die Spitze der hochmittelalterlichen Scholastik. Wir treffen hier auf Albertus Magnus und seinen Schüler Thomas von Aquin. Was es mit diesen Burschen auf sich hat, soll hier kurz umrissen werden. 

Am Anfang ergehen sich die beiden Dialogpartner noch etwas in dubiose Spekulation. Ich verweise hier auf Boethius und im weiteren natürlich auf Rom, wo die antike Philosophie nie abhanden kam. Debilitäten schaden dem Geist, man halte sich von diesen fern.

Albertus Magnus:
Albertus Magnus (auch Albertus Teutonicus; Albertus Coloniensis; Albert der Große, Albert der Deutsche genannt) wurde um 1200 in Lauingen an der Donau geboren. Verstarb am 15. November 1280 in Köln. Er war ein deutscher Gelehrter und Bischof, der wegbereitend für den christlichen Aristotelismus des hohen Mittelalters war.

Thomas von Aquin:
Thomas von Aquin (* um 1225 auf Schloss Roccasecca bei Aquino in Italien; † 7. März 1274 in Fossanova; auch Thomas Aquinas oder der Aquinat; it. Tommaso d'Aquino) war Dominikaner und einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Seiner Wirkungsgeschichte in der Philosophie des hohen Mittelalters nach zählt er zu den Hauptvertretern der Scholastik. Er hinterließ ein sehr umfangreiches Werk, das etwa im Neuthomismus und der Neuscholastik bis in die heutige Zeit nachwirkt.

hier nun das ganze Fresko:
Die Schule von Athen
Raffael, 1510 bis 1511
Fresko
Stanzen des Raffael

siehe auch:
- Islam und Islamismus – Eine Herausforderung für Deutschland? (Caillea B. Rakow-Grebenstein, Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V., ReflektionBlog, 12.10.2014)

Der Rest des Textes ist mir bei Layout-Arbeiten abhandengekommen. Irgendwann mal werde ich ihn vervollständigen.


neu bearbeitet am 11.08.2016