Samstag, 16. August 2014

Peter Scholl-Latour ist tot

DER SPIEGEL (13.11.2006) nannte ihn 2006 anlässlich der Vorstellung seines 27. Buches den »letzten Welterklärer«.

Peter Scholl-Latour wurde als »Halbjude« im Saarland geboren, wuchs in Lothringen auf, besuchte ein Jesuitenkolleg, war in Gestapo-Haft, als französischer Offizier im Indochinakrieg, studierte Philologie und Literaturwissenschaft in Mainz und an der Pariser Sorbonne, promovierte über Rudolf G. Binding, studierte in Beirut Arabistik und Islamkunde, fungierte als Regierungssprecher des Saarlandes, war ARD-Korrespondent für Afrika, gründete das ARD-Studio in Paris, Chefkorrespondent beim ZDF, machte als Sonderkorrespondent des ZDF eine Woche Gefangenschaft bei den Vietcong mit, schmuggelte als journalistischer Begleiter des aus Paris zurückkehrenden Ayatollah Chomeini die neue iranische Verfassung in seinem Gepäck, war WRD-Fernsehdirektor, Chefredakteur und Herausgeber des Stern und Vorstandsmitglied bei Grunder + Jahr.

Er befürwortete als erklärter Gaullist eine gemeinsame europäische Verteidiung und kritisierte die EU-Osterweiterung, kritisierte schon im Vorfeld unter Hinweis auf den französischen Algerienkrieg die Kriege im Irak und in Afghanisten und sagte deren Scheitern voraus. Al-Quaida war für ihn ein CIA-Produkt, und er nahm auch kein Blatt vor den Mund, als er George W. Bush den dümmsten Präsidenten der US-amerikanischen Geschichte nannte.

Der Sicherheitsrat lügt [0:46]

Hochgeladen am 06.04.2011 
"Natürlich lügt der Sicherheitsrat. Wie naiv sind sie denn?"

Bei der ARD finden sich eine kurze Einschätzung seiner journalistische Tätigkeit und ein hörenswertes Gespräch mit Ulrich Wickert über seine Persönlichkeit. (Gespräch mit Wickert auch beim Deutschlandradio)

Nachrufe
- bei der ZEIT: Nachruf Peter Scholl-Latour – Die letzte Reise des Weltenerklärers (16.08.2014)
- beim SPIEGEL: Nachruf auf Peter Scholl-Latour: Der ewige Abenteurer (16.08.2014)
- beim Stern: Peter Scholl-Latour – "Letzter journalistischer Welterklärer" ist tot (16.08.2014)
beim Deutschlandradio:
zwei Selbstinterpretationen
- http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/08/16/drk_20140816_2305_a8853f1f.mp3
- http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/08/16/dlf_20140816_1809_8b16c962.mp3
Einschätzungen durch
- Fritz Pleitgen
- Marcel Pott
- Denk ich an Deutschland (Peter Scholl-Latour)
- Scholl-Latour: "Wir leben in einer Zeit der Massenverblödung" (Telepolis, 09.03.2014)

Zitat vom altermannblog:
Widerlich die Nachrufe der Michelpresse, die Krokodilstränen vergießen, für einen Mann, der ihnen zunehmend lästig wurde. (Dort gibt es auch einen Link zu einem entsprechenden Artikel von Joachim Fritz Vannahme, bei Bertelsmann Director des Programms Europas Zukunft…) Aus einem Leserkommentar:
»In Zukunft wird Kluges nicht mal mehr genuschelt.«


zu Peter Scholl-Latour siehe auch folgende Posts:
Leseempfehlungen für den 21. Juni 2014 (21.06.2014) 
Der Ukraine-Konflikt 5 – Die Nagelprobe des Journalismus (21.04.2014)
Peter Scholl-Latour wird heute 90 Jahre alt (09.03.2014)
Der Ukraine-Konflikt 1 – Westliche Aufgeregtheit und staatliches Gedächtnis (04.03.2014)


einige Zitate:
»Wenn Sie sich einmal anschauen, wie einseitig die hiesigen Medien, von TAZ bis Welt, über die Ereignisse in der Ukraine berichten, dann kann man wirklich von einer Desinformation im großen Stil berichten, flankiert von den technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dann kann man nur feststellen, die Globalisierung hat in der Medienwelt zu einer betrüblichen Provinzialisierung geführt. Ähnliches fand und findet ja bezüglich Syrien und anderen Krisenherden statt.« ("Wir leben in einer Zeit der Massenverblödung", Ramon Schack, Telepolis, 09.03.2014)

»Die Medien machen eine systematische Hetze gegen das Russland Putins.« ("Deutsche an die Front? Berlin denkt um", Internationaler Frühschoppen, 02.02.2014)

“So lupenrein ist unsere Demokratie auch nicht mehr….wenn man allein die Herrschaft der Medien betrachtet, da gibts eben doch sehr starke Beeinflussungen…die Einseitigkeit, die Irreführung der öffentlichen Meinung, hat man ja am Beispiel Syrien gesehen, das ist ein konzentrierter Beschuss….” (Video: maybrit illner "Ägypten zwischen Glaube und Gewalt - Erwartet der Westen zu viel?", »Steht Ägypten vor dem Bürgerkrieg?«, 22.08.2013, ab 53:30)

"Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt. Es hat keine verpflichtende Sittenlehre, keine Dogmen mehr. Das ist in den Augen der Muslime auch das Verächtliche am Abendland." - (zitiert bei Eduard Stäuble: Die Schweiz und die geistige Situation der Gegenwart. Schweizerzeit Schriftenreihe Nr. 34, 2000, Seite 39, Fußnote 12, GoogleBooks)

- Die Freiheitskämpfer [in Libyen] benehmen sich genauso schlimm wie die Truppen Gaddhafis. […] Er ist gefoltert und gepfählt worden. Das sind die Methoden der Freiheitskämpfer. Man soll nicht so furchtbar einseitig schwarz-weiß denken und daran denken, daß der libanesische Bürgerkrieg 15 Jahre lang gedauert hat.
- Die Jungs, die da mit Facebook rumspielen, das sind Dilettanten.
- Um eine Revolution zu machen muß man Schläger haben und Ganoven haben und nicht irgendwelche jungen Leute, Idealisten.
- Dieses humanitäre Geschwafel bin ich leid.
(Video: Peter Scholl Latour rastet aus Syrien , Salafisten, Islam Der Talkshow Eklat)


Heute vor 90 Jahren – 16. August 1924: In London wird der Dawesplan unterzeichnet

Atempause für die deutsche Wirtschaft 

Der Konflikt um die Höhe der Reparationen, die Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an die Alliierten zahlen sollte, eskalierte 1923 mit der französischen Besetzung des Ruhrgebiets. Ein internationaler Sachverständigenausschuss unter der Leitung des Amerikaners Charles Dawes (1865-1951) erarbeitete einen neuen FinanzierungspIan, der die Zahlungen ausschließlich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Deutschen Reichs abhängig machte. Die jährliche Belastung Deutschlands sollte 1 Mrd. Reichsmark (RM) betragen und nach fünf Jahren auf 2,5 Mrd. RM anwachsen. Als Starthilfe sollte Deutschland eine internationale Anleihe erhalten. Zur Sicherung der Zahlungen mussten die Reichsbahn und die Reichsbank unter internationale Kontrolle gestellt werden. 

Der Dawesplan wurde später vom Youngplan abgelöst,
wie es die Karikatur von 1929 zeigt.
  Der am 16. August 1924 in London unterzeichnete Dawesplan erreichte zumindest zeitweilig sein Ziel, die deutsche und europäische Wirtschaft zu stabilisieren. Als sich die Verpflichtungen für das Deutsche Reich als nicht mehr tragbar erwiesen, trat 1929 der Youngplan an seine Stelle. 

Youngplan 
▪︎ kam dem deutschen Wunsch nach Senkung der Schuldenlast entgegen  
▪︎ beendete die Einschränkung der deutschen Souveränität 
▪︎ wurde schon 1932 wieder aufgehoben 
Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014