Montag, 28. November 2016

Wovon träumt das Internet?

Werner Herzogs neuer Dokumentarfilm begegnet der digitalen Revolution 

Leonard Kleinrock, einer der Pioniere des Internets, führt Werner Herzog durch die Hallen der University of California. Sein Ziel ist ein kleiner, unscheinbarer Raum. Zu den ersten Tönen von Wagners Rheingold öffnet er die Tür. Eine riesige Maschine steht wie ein Kühlschrank in der Ecke des Raums. Es ist ein "Mini-Computer" aus dem Jahr 1969. Das erste Bauteil der Technologie, die die Schöpfung des Internets möglich machte.

Zu den Bläsern aus Wagners Oper fährt die Kamera über die Hülle des riesigen Rechners, schaut in sein, mit gewaltigen Kartuschen gefülltes, Inneres. Mit Hilfe dieser Platinen wurde die erste Nachricht über ein Netzwerk von einem Computer an einen anderen Computer geschickt. Es ist die Geburtsstunde des Internet, der Ausgangspunkt für die Explosion der Informationstechnologie, durch die der Film in zehn Kapiteln führt. 

mehr:
 - Wovon träumt das Internet? (Karsten Munt, Telepolis, 24.11.2016) 

Lo And Behold: Reveries of the Connected World - Official Trailer [2:43]

Magnolia Pictures & Magnet Releasing Veröffentlicht am 01.06.2016 
Like on Facebook: https://www.facebook.com/LoandBeholdFilm Legendary master filmmaker Werner Herzog (Grizzly Man, Cave of Forgotten Dreams) examines the past, present and constantly evolving future of the Internet in Lo and Behold: Reveries of the Connected World. Working with NETSCOUT, a world leader in-real time service assurance and cybersecurity, which came aboard as a producer and led him into a new world, Herzog conducted original interviews with cyberspace pioneers and prophets such as PayPal and Tesla co-founder Elon Musk, Internet protocol inventor Bob Kahn, and famed hacker Kevin Mitnick. These provocative conversations reveal the ways in which the online world has transformed how virtually everything in the real world works, from business to education, space travel to healthcare, and the very heart of how we conduct our personal relationships. In the words of executive producer Jim McNiel, “It’s a journey even Werner, with his immense imagination and inquisitive mind, didn’t expect. Unless you have lived in the technology space, you don’t yet fully appreciate what dwells there.” Herzog adds: “It is one of the biggest revolutions we as humans are experiencing.” See it in theatres, On Demand, Amazon Video and iTunes August 19th http://www.loandbeholdfilm.com
x

Postfaktisches Zeitalter - Darauf einen Bommerlunder

Von der Benennungsmacht der politischen Eliten und der Medien
"Postfaktisch" ist ein Begriff, der derzeit in den Medien landauf landab zu hören ist. Die Moderatoren der großen Polit-Talkshows gebrauchen ihn so genüsslich wie ein Kind, das sich über ein besonders tolles Weihnachtsgeschenk freut. Die Kommentatoren in den großen Medien verwenden ihn mit dem Gestus der Bedeutungsschwangerschaft, so als stünde alleine schon durch den Gebrauch des Wortes die Entdeckung der Weltformel kurz bevor. Anders gesagt: Wer derzeit "dazu" gehören will, der spricht von "postfaktisch", von der postfaktischen Zeit oder - ganz großes Tennis - vom postfaktischen Zeitalter. Aber leben wir tatsächlich in einer Zeit, in der Fakten keine Rolle mehr spielen?

Zugegeben: Das klingt alles gar nicht so schlecht. Nein, es klingt sogar ziemlich gut. Wer von der postfaktischen Zeit spricht, hört sich nicht so an, als habe er die Schule frühzeitig verlassen. Wer vom postfaktischen Zeitalter spricht, von dem darf man erwarten: Er hat Bildung genossen und verfügt deshalb wohl über das, was man bisweilen als "Durchblick" bezeichnet. Und das ist heute, also in einer Zeit, in der jeder öffentlich alles sagen kann und darf (welch ein unerträglicher Zustand), was ihm gerade so durch die "Großhirnrinde zuckt" (Rupert Lay), von großem Wert.

Schließlich brauchen die Menschen "Orientierung"', sie brauchen kluge Analysten, die in der Lage sind, die "komplexen Verhältnisse" auch sprachlich auf den Punkt zu bringen. Denn: Ist es nicht so, dass durch Benennung Klarheit geschaffen wird? Ist es nicht so, dass Orientierung dringend nötig ist, wenn die "Nebelkerzenwerfer", die "Vereinfacher der Wahrheit" und "Apokalyptiker" ihren Auftritt haben?

Mit diesem kleinen Aufriss, der nicht frei von Ironie ist, befinden wir uns inmitten jenes Schlachtfeldes im Bereich der Sprache, auf dem gegenwärtig um Deutungshoheiten gekämpft wird.

mehr:
- Postfaktisches Zeitalter - Darauf einen Bommerlunder (Marcus Klöckner, Telepolis, 20.11.2016)

siehe auch:
- Gestern Europa und morgen die ganze Welt? (Tomas Konicz, Telepolis, 19.11.2016)

Monsanto: Roundup Ready v2.0

Dicamba oder 3,6-Dichlor-2-methoxybenzoesäure. Im Rahmen von Roundup Ready Xtend kommt es als weniger flüchtige Formulierung zum Einsatz.

Die US-Umweltschutzbehörde EPA genehmigt ersten Teil einer "neuen" Monsanto-Herbizidstrecke
Die weltweite Landwirtschaft hat mit der zunehmenden Resistenz von Unkräutern gegenüber dem Herbizid Glyphosat zu kämpfen. Die Agrarindustrie in den Vereinigten Staaten setzt nun verstärkt auf genetisch verändertes Saatgut, das gegen mehrere Herbizide gleichzeitig tolerant gemacht wurde. Gerade erst hatte die US-Umweltschutzbehörde EPA die Herbizidmischung Enlist Duo von Dow AgroSciences genehmigt (Kapitulation vor der Agrarchemie-Industrie). Auch bei Monsanto arbeitet man an einem Update, das der um sich greifenden Glyphosat-Resistenz bei Unkräutern begegnen soll. Nun bekam zunächst die "Xtendimax mit Vapor Grip"-Technologie als Teil eines Monsanto-Programms den behördlichen Segen für die Anwendung auf Soja- und Baumwollfeldern in 34 US-Bundestaaten. Das vollständige Roundup Xtend- System soll nächstes Jahr zum Einsatz auf die Äcker kommen.

Die im November 2016 zugelassene Herbizidformulierung funktioniert im Zusammenspiel des Wuchsstoffherbizids Dicamba mit genetisch modifiziertem Monsanto-Saatgut, dem die Herbizidtoleranz mittels Genuity Roundup Ready 2 Yield-Technologie eingebaut wurde. Im nächsten Jahr sollen Felder von 60.700 Quadratkilometern mit Roundup Ready 2 Xtend-Soja (MON87708 x MON89788) und 12.000 Quadratkilometern Bollgard II XtendFlex-Baumwolle bestellt werden.

Bei der EPA ist noch ein anderes Genehmigungsverfahren anhängig, das eine weitere Monsanto-Technologie betrifft: Roundup Xtend. Das Saatgut ist das gleiche, nur kommt bei diesem Soja eine Mischung aus Dicamba und Glyphosat als Herbizid zum Einsatz, Bollgard II XtendFlex-Baumwolle verträgt zusätzlich noch Glufosinat. Xtend ist ein Bestandteil von Monsantos Roundup Ready Plus-Plattform, die den Bauern eine pro-aktive Unkrautbekämpfung näherbringen und Anreize für die gleichzeitige Nutzung mehrerer Herbizide schaffen soll.

mehr:
- Roundup Ready v2.0 (Bernd Schröder)
x
siehe auch:
- Zunehmende Resistenzen – Das Monster auf dem Acker (Post, 30.07.2016)
- Gerichtsprozess gegen Monsanto: Medien verweigern Berichterstattung (Post, 24.08.2015)
- Superweeds als Symbol für den entfesselten Kapitalismus (Post, 29.05.2015)
- Monsanto? Brauchen wir nicht (Post, 29.04.2009)
- Gen-Scheiß, die nächsten drei von allen (Post, 31.03.2008)
- Bush & Monsanto (Post, 16.03.2008)
- Monsanto, mit Gift und Genen (Post, 12.03.2008)
- Gen Mais macht Ratten krank (Post, 30.05.2007)

"Die geheime Geschichte der NATO-Übung, die beinahe einen Nuklearkrieg ausgelöst hätte"

Nate Jones legt Chronik zu Able Archer 83 vor

Genau 33 Jahre nach dem NATO-Manöver Able Archer 83 veröffentliche der US-Historiker Nate Jones seine Analyse des wohl riskantesten Zeitpunktes des Kalten Kriegs. Als Direktor des Freedom of Information Act Project des an der George Washington University angesiedelten National Security Archive führte Jones über ein Jahrzehnt einen Kampf um die Freigabe von Geheimdokumenten, die Aufschluss über die tatsächlichen Begebenheiten der heißesten Phase des Ost-West-Konflikts erlauben. (Der letzte Tag - Staatsgeheimnisse und Rätsel um ABLE ARCHER 83)

Die Bedeutung der Krise war lange bestritten oder herunter gespielt worden, während andere Kommentatoren wie der vormalige CIA-Chef und Verteidigungsminister Robert Gates die Ereignisse von 1983 für gefährlicher als die Kuba-Krise halten. Nachdem Jones 2015 endlich die Freigabe der mit höchster Geheimhaltungssufe "TOP SECRET UMBRA GAMMA WNINTEL NOFORN NOCONTRACT ORCON" versiegelten Studie des President's Foreign Intelligence Advisory Board von 1990 erwirkte, erlaubt die nun solide Informationslage Historikern eine abschließende Bewertung. (Um Haaresbreite - USA geben Geheimbericht von 1990 zu Able Archer 83 frei)

Jones nun erschienenes Buch Able Archer 83: The Secret History of the NATO Exercise That Almost Triggered Nuclear War besteht im Wesentlichen aus den zum Teil von ihm freigeklagten Regierungsdokumenten, die auch online im Able Archer 83 Sourcebook eingesehen werden können. Diesen stellt er eine eigene Analyse voran, in welcher er auf die widersprüchlichen Darstellungen eingeht. So wurde etwa übereinstimmend fälschlich die von Historikern akzeptierte Legende übernommen, dass Staatschefs an der Übung teilgenommen hätten.

Ähnlich verhält es sich mit dem Seemannsgarn von Sicherheitsberater Robert McFarlane, der seit dem Iran-Contra-Skandal eigentlich keine Glaubwürdigkeit mehr beanspruchen kann. Dennoch tischte Schlitzohr McFarlane unkritischen ZDF-Historikern erfolgreich die Mär auf, die CIA hätte den Präsidenten auf dem Höhepunkt der Krise vor der sowjetischen Kriegsangst gewarnt und Reagan daraufhin seine aggressive Rhetorik zurückgefahren.

Der für ZDF-Zuschauer als Held der Krise erscheinende Brandstifter Reagan hatte in Wirklichkeit erst 1984 Wind von der sowjetischen Nervosität bekommen, nachdem ihm bereits der TV-Film "The Day After" die Augen ein wenig für die Realität des Atomkriegs geöffnet hatte (The Day After - Der politische Katastrophenfilm war näher an der Realität, als lange bekannt war).

Waren bereits die über die Jahre bekannt gewordenen Darstellungen unterschiedlich bewertet worden, so wird auch Jones zweifellos kompetente Arbeit differenziert gesehen. So vermag Reagan-Chronist Jason Saltoun-Ebin nicht zu erkennen, dass die damaligen Ereignisse tatsächlich in einen nuklearen Schlagabtausch geführt hätten.

mehr:
- "Die geheime Geschichte der NATO-Übung, die beinahe einen Nuklearkrieg ausgelöst hätte" (Markus Kompa, Telepolis, 20.11.2016)

siehe auch:
Able Archer 83: "Um Haaresbreite" (Post, 13.11.2015)
Täuschung - Die Methode Reagan, Ressourcenkriege und medial vemittelte Feindbilder (Post, 14.05.2015)