Von der Benennungsmacht der politischen Eliten und der Medien
"Postfaktisch" ist ein Begriff, der derzeit in den Medien landauf landab zu hören ist. Die Moderatoren der großen Polit-Talkshows gebrauchen ihn so genüsslich wie ein Kind, das sich über ein besonders tolles Weihnachtsgeschenk freut. Die Kommentatoren in den großen Medien verwenden ihn mit dem Gestus der Bedeutungsschwangerschaft, so als stünde alleine schon durch den Gebrauch des Wortes die Entdeckung der Weltformel kurz bevor. Anders gesagt: Wer derzeit "dazu" gehören will, der spricht von "postfaktisch", von der postfaktischen Zeit oder - ganz großes Tennis - vom postfaktischen Zeitalter. Aber leben wir tatsächlich in einer Zeit, in der Fakten keine Rolle mehr spielen?
Zugegeben: Das klingt alles gar nicht so schlecht. Nein, es klingt sogar ziemlich gut. Wer von der postfaktischen Zeit spricht, hört sich nicht so an, als habe er die Schule frühzeitig verlassen. Wer vom postfaktischen Zeitalter spricht, von dem darf man erwarten: Er hat Bildung genossen und verfügt deshalb wohl über das, was man bisweilen als "Durchblick" bezeichnet. Und das ist heute, also in einer Zeit, in der jeder öffentlich alles sagen kann und darf (welch ein unerträglicher Zustand), was ihm gerade so durch die "Großhirnrinde zuckt" (Rupert Lay), von großem Wert.
Schließlich brauchen die Menschen "Orientierung"', sie brauchen kluge Analysten, die in der Lage sind, die "komplexen Verhältnisse" auch sprachlich auf den Punkt zu bringen. Denn: Ist es nicht so, dass durch Benennung Klarheit geschaffen wird? Ist es nicht so, dass Orientierung dringend nötig ist, wenn die "Nebelkerzenwerfer", die "Vereinfacher der Wahrheit" und "Apokalyptiker" ihren Auftritt haben?
Mit diesem kleinen Aufriss, der nicht frei von Ironie ist, befinden wir uns inmitten jenes Schlachtfeldes im Bereich der Sprache, auf dem gegenwärtig um Deutungshoheiten gekämpft wird.
mehr:
- Postfaktisches Zeitalter - Darauf einen Bommerlunder (Marcus Klöckner, Telepolis, 20.11.2016)
siehe auch:
- Gestern Europa und morgen die ganze Welt? (Tomas Konicz, Telepolis, 19.11.2016)
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