Samstag, 23. Mai 2015

Protestantischer Fundamentalismus – Maggi-Würze im politisch-korrekten Toleranzbrei

Kolumne: Grauzone. Die katholische Heiligenverehrung sei „Reliquiendreck“, das islamische Zuckerfest „Blödsinn“, schimpfte der Bremer Pastor Latzel. Political Correctness ist das nicht. Es ist gerade dieser Störfaktor des Unzeitgemäßen, der seine Predigt so spannend macht
Es war Sonntag, der 18. Januar. Da bestieg Pastor Olaf Latzel die Kanzel der St.-Martini-Kirche in Bremen. Predigttext war eine Stelle aus dem Alten Testament, genauer: aus dem Buch Richter 6, Vers 25 bis 32.

Für alle nicht ganz Bibelfesten: Die erzählt die Geschichte des Richters Gideon, des „Holzhackers“ oder „Zerstörers“, so sein Name auf Deutsch. Gideon erhält von Gott den Auftrag, den Altar des Baal-Kultes niederzureißen. Gideon vollzieht Gottes Befehl heimlich in der Nacht. „Als nun die Leute in der Stadt früh am Morgen aufstanden, siehe, da war der Altar Baals niedergerissen und das Ascherbild daneben umgehauen“ (Richter 6, 28).

Ganz klar: Multikulturalismus und religiöse Ökumene sehen anders aus. Der Predigttext hat es in sich, zumal in Zeiten von Regenbogentheologie, interreligiösem Dialog und Patchwork-Religiosität. Denn was Gott hier einklagt, ist ganz klar: Null Toleranz.

Daran gibt es wenig herumzudeuteln. Und so griff Pastor Latzel in seiner Sonntagspredigt beherzt den Geist des Gideon-Textes auf: Eine bunte Religionswelt, ein bisschen dies, ein bisschen das, religiöser Synkretismus, das sei mit Gott nicht zu machen. Deshalb habe Gott die Reinigung von fremden Göttern befohlen.

Diese Reinigung habe jedoch bei jedem selbst anzufangen: „Wenn ich Christ bin“, so Latzel, „dann habe ich keine Talismänner mehr, ..., irgendwelche Amulette, wo irgendwelche Heiligen drauf sind“. Insofern sei auch die Reformation eine Reinigung gewesen, von Götzendienst, Reliquienanbetung und Heiligenverehrung.

Gegenwind zum Sound des Fundamentalismus
So weit, so protestantisch, so gut. Wo Latzel recht hat, hat er recht. Doch da der Pastor nun einmal in Fahrt war, legte er jetzt so richtig los: Gegen die abrahamitische Ökumene und die Vorstellung, Muslime, Juden und Christen hätten denselben Gott. Gegen gemeinsame Gebetshäuser wie The House of One, einem interreligiösen Gebäude, das in Berlin Mitte entstehen soll. Und gegen die Vorstellung, im Grunde würden doch alle Religionen zu demselben Gott beten.

Keine Frage: Mit der Political Correctness hat es Pastor Latzel nicht so. Und so stellt er fest: „Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeiten mit dem Islam haben“. Die Teilnahme an religiösen Festen, dem „Zuckerfest und all diesem Blödsinn“, verbiete sich, denn schließlich sei das Götzendienst. Und bei aller Ökumene müsse man trotzdem festhalten: „Dieser ganze Reliquiendreck und -kult, der ist heute noch in der katholischen Kirche verbreitet.“ Da dürfe man nicht einfach mitmachen. Die Lehre der katholischen Kirche sei „ganz großer Mist“ und „Irrsinn“. „Aber sag was dagegen, dann störst du den ökumenischen Frieden“.

Selbst wenn man einmal davon absieht, dass Pastor Latzel sich mitunter etwas im Ton vergreift, ist seine Wutpredigt harter Tobak. Soviel ist klar. Und dass es heftigen Gegenwind gab, verwundert nicht wirklich. Doch gerade das Unzeitgemäße, das Störrische und Widerspenstige macht diese Predigt zugleich so spannend.

Zunächst: Latzel vertritt genau jenen theologischen Konservativismus, den wir bei islamischen Klerikern zu Recht beargwöhnen und als Gefahr für unsere Gesellschaft wahrnehmen.

Charakteristisch hierfür: Das wörtliche Verständnis religiöser Texte und der Unwille, sie einer modernen Lesart zuzuführen. An einer Stelle sagt Latzel: „Das fordere nicht ich. Das fordert unser Herr und Gott“. Genau dieses „Gott will es“ ist der Sound des Fundamentalismus.

mehr:
- Wutpredigt gegen die Ökumene – Warum wir über Pastor Latzel staunen dürfen (Alexander Grau, Cicero, 14.02.2015)
- Der Fall Olaf Latzel: eine Predigt erregt Aufsehen (Bibelbund, 08.02.2015)
Auch nach mehrmaligem Anhören der Predigt hatte ich Mühe, die Aufregung in dieser Intensität nachzuvollziehen. Es sei vorweg angemerkt, dass es sich bei einer Predigt nicht um einen religionssoziologischen Vortrag oder eine Rede an die Nation handelt. Eine Predigt ist in der Regel auf eine bestimmte Zuhörer­schaft gemünzt, nimmt deren Ausgangs­lage und Kennt­nisstand wahr und versucht darauf einzugehen. Dass Aussagen einer solchen Rede von Außenstehenden missverstanden werden können, liegt in der Natur der Sache.

St. Martini ist eine Gemeinde mit einer bewegten Geschichte, in der in den letzten Jahrzehnten gesellschaftsrelevante Themen immer wieder angesprochen und kontrovers diskutiert wurden. Ich verweise nur auf den im vergangenen Jahr verstorbenen Prof. Dr. Dr. Georg Huntemann, der zu den Vorgängern Latzels in St. Martini zählt.6 Allerdings hat sich die Diskussionskultur in unserem Land mittlerweile ebenso verändert wie die Berichterstattung der Medien – von einer offenen Streitkultur hin zu einer Kultur der Betroffenheit und Empörung, in der man bestimmte Dinge sagen darf, andere besser nicht.

Deep Purple - Smoke On The Water [5:27] Text Übersetzung
Hochgeladen am 05.04.2011
The definitive live version of Smoke On The Water performed in 1973 featuring Ian Gilan, Roger Glover, Jon Lord, Ian Paice and Ritchie Blackmore.

Bobby Brown, 1978 [2:57] Text Übersetzung

Hochgeladen am 20.06.2007
Frank Zappa performs Bobby Brown in 1978


Die Befreiung der Musik von Ideologien aller Art

Kolumne Grauzone: Der Eurovision Song Contest hat längst nicht mehr die musikalische Relevanz aus der ABBA-Zeit. Trotzdem hat er dem Pop zur Emanzipation verholfen. Nicht durch Ironie, sondern durch Sinnfreiheit
Geht es Ihnen auch so? Alle Jahre wieder, irgendwann im Mai, stolpert man irgendwo über die Nachricht, dass wieder einmal ein Eurovision Song Contest stattfindet, in den Boulevardmedien gerne auch ESC genannt.

Dann erinnert man sich für einen kurzen Moment: Stimmt, da war was. Und im selben Augenblick steigen Bilder in einem hoch aus der Zeit, als die Gewinner France Gall, Sandie Shaw, ABBA oder Udo Jürgens hießen und man das Ganze noch Grand Prix Eurovision de la Chanson nannte.

Lang ist es her. So lang, dass diejenigen, die geboren wurden, als Sandie Shaw barfuß ihr „Puppet on a string“ trällerte, sich eher an so groteske Truppen wie Dschinghis Khan erinnern oder die biedere Nicole, die mit ihrer weißen Gitarre von ein bisschen Frieden sang.

mehr:
- Die Befreiung der Musik von Ideologien aller Art (Cicero)

Eurovision 1967 - United Kingdom - Sandie Shaw - Puppet on a string [HQ SUBTITLED] [2:25]

Veröffentlicht am 26.05.2012
Eurovision Song Contest 1967 - Festival de Euurovisión 1967
UK United Kingdom - Reino Unido
Sandie Shaw - Puppet on a string
Music / Música: Bill Martin, Phil Coulter
Lyrics / Letra: Bill Martin, Phil Coulter
Conductor / Director: Kenny Woodman
Placing / Puesto: 1st (47 points)
Subtitled in English and Spanish

Nicole - Ein bisschen Frieden - A Little Bit Of Peace - Mehrsprachig - Final Song Song Contest `82 [3:00]

Hochgeladen am 21.08.2010
Final Song Eurovision Song Contest 1982

Eurovision Song Contest 1979 - Germany [5:13]

Hochgeladen am 14.06.2011
The German entry in the 1979 Eurovision Song Contest
Dschinghis Khan performing Dschinghis Khan (Genghis Khan)

ABBA Waterloo Eurovision 1974 (High Quality) [3:56]
Hochgeladen am 07.04.2009
35 years to this day (6th April 1974) ABBA won with this performance of Waterloo. Enjoy!
More information on this clip can be found here - 
die Wahl von Conchita Wurst… ideologiefrei? naja…

- ESC-Siegerin 2014 Wie Conchita Wurst Österreich veränderte (Tagesschau)

Conchita Wurst - Rise Like a Phoenix (Austria) 2014 LIVE Eurovision Second Semi-Final [3:22]

Veröffentlicht am 08.05.2014
Powered by http://www.eurovision.tv
Austria: Conchita Wurst - Rise Like a Phoenix live at the Eurovision Song Contest 2014 Second Semi-Final

Wenn ich jetzt behaupte, daß wir liberalen freiheitlich-demokratischen Europäer dem Macho-Narzißten Putin zum Höhepunkt der Ukraine-Krise zeigen zu müssen glaubten, wo die tolerante Wurst hängt, beweist das ja nur, daß ich ein ideologiefreier Miesmacher bin…
Übrigens hat die deutsche Fußball-Nationalmanschaft beschlossen, 2022 in Katar ohne Schleier zu spielen und sich die Zehennägel in Regenbogenfarben zu lackieren.
Bißchen Gänsehaut gefällig? Mandoki kann auch anders…

ManDoki Soulmates - Best of Live on Stage [13:07]

Hochgeladen am 22.10.2010
Leslie Mandoki
Lazlo Bencker
with
Peter Maffay
Chaka Khan
Till Brönner
Pino Palladino
Steve Lukather
Al Di Meola
Ian Anderson
Jack Bruce
David Clayton-Thomas
Chris Thompson
Bobby Kimball
Eric Burdon
Nick van Eede
Nik Kershaw
Mike Stern
Steve Khan
Randy Brecker
Michael Brecker
Bill Evans
John Helliwell
Viktor Bailey
Anthony Jackson

Machen wir uns nichts vor: Angela Merkel ist alternativlos

Wenn sie versagt, wird sie nicht haftbar gemacht. Keiner ihrer Vorgänger wurde so geschont wie die Kanzlerin. Ehrfürchtige Merkologen rühmen sie und bekritteln allenfalls Taktik oder Stil. Dabei hat sie eine Menge falsch gemacht. Ein Sündenregister – und ein Plädoyer für weniger Watte
In lebendigen Demokratien sind Regierungschefs immer wieder heftigster Kritik ausgesetzt. Die tagtäglich erneuerte Kritik- und Urteilsfähigkeit ist das Salz der Demokratie. Konrad Adenauer musste das schmerzlich erfahren genau wie seine CDU-Nachfolger Ludwig Erhard und der trotz aller Einheitsverdienste abgewählte Helmut Kohl. Auch die sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder wurden schonungslos attackiert – nicht zuletzt aus den eigenen Reihen. Die Legitimationsbasis der Kanzler wurde mehrfach substanziell erschüttert: Adenauer wegen seiner Nachfolgefrage, Erhard wegen seines Regierungsstils als „Gummilöwe“, Brandt wegen der umstrittenen Ostpolitik und der uneingelösten „inneren Reformen“, Schmidt wegen der Nachrüstungspolitik/Koalitionsaufkündigung und Schröder wegen des Kriegseinsatzes in Afghanistan und der Agenda 2010.

mehr:
- Die Mängel der Merkel (Peter Grottian, Cicero, 20.05.2015)

Bestes Beispiel:
Merkels Atomwende: "Ich habe eine neue Bewertung vorgenommen" - SPIEGEL TV [1:20]

Hochgeladen am 09.06.2011
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Angela Merkel hat in einer Regierungserklärung im Bundestag den schwarz-gelben Atomausstieg vor dem Hintergrund der Katastrophe von Fukushima verteidigt.

Die flexible Kanzlerin: Merkels 180-Grad-Wende und die Reaktion der Opposition - SPIEGEL TV [2:59]

Hochgeladen am 09.06.2011
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In ihrer Regierungserklärung verteidigt Angela Merkel die schwarz-gelbe Kehrtwende in der Energiepolitik. Die Opposition wirft der Kanzlerin mangelnde Glaubwürdigkeit vor.

Steinmeier: »Es kann doch nicht sein, daß ausgerechnet Sie sich hier hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland. Das zieht einem doch die Schuhe aus. Der Atomausstieg stand im Gesetz, die Energiewende war eingeleitet gegen Ihren Widerstand, und sie fand statt, täglich, seit zehn Jahren.« SPIEGEL-Sprecherin aus dem Off: »Merkels Atomausstieg unterscheidet sich nur geringfügig von rot-grünen Plan aus dem Jahre 2001.«

In Westdeutschland begann der Atomausstieg unter der ersten rot-grünen Bundesregierung (Kabinett Schröder I) mit der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“. 2002 wurde der Vertrag durch Novellierung des Atomgesetzes rechtlich abgesichert.[95] In der Folge wurden am 14. November 2003 das Kernkraftwerk Stade[96] und am 11. Mai 2005 das Kernkraftwerk Obrigheim[97] endgültig abgeschaltet. [Atomausstieg, 2000/2011-2022Wikipedia]

siehe auch: Das Atom-Moratorium (SPIEGEL-TV)
- Ausstieg aus dem Ausstieg. Oder: Wie Angela Merkel den Primat der Politik neu erfand. (Merkel-Blog, 16.03.2015)
- Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem … (Marc Brost, Peter Dausend, Tina Hildebrandt, ZEIT Online, 26.03.2011) Zitat:
Wofür steht Angela Merkel? In der Umweltpolitik gehört diese zu den ungelösten Masterfragen. Als zuständige Ministerin war sie angeblich für die Ökosteuer, sagte es aber nicht laut, weil Helmut Kohl das nicht wollte. Sie forderte die Besteuerung von Flugbenzin und verwarf das wieder, als der Kanzler sie zurückpfiff, kurz vor einer Landtagswahl in Hessen. Sie schrieb ein Buch mit kernigen Sätzen, das Fachleute ziemlich dünn fanden, aber ihrer späteren Karriere als Klimakanzlerin tat das keinen Abbruch – ihre Partei hatte sie ja nicht als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt. Nur eines war stets über jeden Zweifel erhaben: Angela Merkels Bekenntnis zur Atomkraft. Im Bergbau habe es mehr Tote gegeben als bei der Kernenergie, pflegte sie zu sagen.
Für Atomkraft zu sein, das war für die Anhänger der Union immer mehr als eine x-beliebige Sachfrage. Für Atomkraft zu sein, das hieß, recht zu haben. Auf der Seite der Wirklichkeit zu sein. Bei den Realisten. Aus Merkels Sicht bedeutete es, die Normalität gegen die Spinner zu verteidigen.
- Verhalten der Kanzlerin – Psychoanalytiker deuten das Phänomen Angela Merkel (Andrea Dembach, Tagesspiegel, 04.05.2015)
- Wie eine Irin das Phänomen Merkel zerpflückt (Die Welt, 06.05.2013)
Die irische Journalistin Judy Dempsey hat ein Buch über die Kanzlerin geschrieben – und fällt ein hartes Urteil: Seit Jahren regiert Merkel unter ihren Möglichkeiten. Die Deutschen stört das nicht.

- Das Phänomen Merkel – „Eine Mutter kann nicht abgewählt werden“ (Oliver Stock, Handelsblatt, 27.09.2013)
Der Psychoanalytiker und Bestseller-Autor Hans-Joachim Maaz sieht das Ergebnis der Bundestagswahl kritisch. Im Interview erklärt er, warum Merkel von einer Muttersehnsucht der Deutschen profitiert und was das bedeutet. 
Auf jeden Fall profitiert Merkel von dieser Vorstellung. Eine Mutter kann schließlich nicht abgewählt werden. Ich glaube, die meisten Menschen haben eine Muttersehnsucht, wollen das aber nicht wahrhaben. Sie projizieren deswegen diese Sehnsucht auf Frauen, die das garantiert nicht erfüllen können. Merkel ist so ein Fall. Darin liegt ein Grund für ihren Wahlerfolg. […]
Deutsche verleugnen oft die Gefahren. Sie wollen nichts Bedrohliches sehen. Das Unangenehme, das Peinliche wird weggeschoben. Sie nehmen keine Positionen ein, die kritisiert werden können. Die Tendenz sich zu vergnügen, geht mit der Neigung einher zu verleugnen, zu welchem Preis so ein Leben nur zu haben ist.
 

Zum ersten Mal war ich selbst während der Ukraine-Krise von Angela Merkel – naja, nicht gerade begeistert, aber von ihrer Politik – angetan. Da wird die Bundeswehr hintenherum handlungsunfähig gemacht, alle laufen aufgeregt herum und rufen verzweifelt, daß wir nur noch Gulaschkanonen haben, sie trägt die Sanktionen gegen Rußland brav mit, verweigert sich aber der zunehmenden Militarisierung des Konflikts durch die USA. In Rußland kritisiert sie brav den Umgang mit Femen und unterzeichnet danach einige Wirtschaftsabkommen.
Ich habe immer kritisiert, daß kein Mensch weiß, wofür sie steht, aber sie ist die Hauptakteurin des europäischen Versuchs, sich aus dem Konflikt mit Rußland herauszuhalten. Ihre Fähigkeiten, ihre Gegner ins Leere laufen zu lassen, vermindern den Abrieb: Sie braucht nichts auszusitzen, weil nichts sie berührt.
Sie ist ein Phänomen der heutigen Zeit, das Ergebnis einer Entwicklung, in der Politiker nicht mehr gestalten können, sondern den Ereignissen hinterherlaufen müssen.

NSA und Wirtschaftsspionage: Keine Überraschung

Das Ausspähen deutscher Rüstungskonzerne durch die NSA stellt die deutsch-amerikanischen Beziehungen erneut auf die Probe. Die Hysterie gehe aber zu Lasten Deutschlands, sagt Andrew Denison und fordert ein Umdenken in Bezug auf Geheimdienste
Wer hätte gedacht, dass man mit 40.000 Selektoren Schlagzeilen machen kann? „40.000 Unwahrheiten“ lesen wir im Spiegel. Von „40.000 verbotene(n) Sachen“ ist im Leitartikel der Frankfurter Allgemeine die Rede. Der Spiegel (#18, 2015, S. 36) schreibt weiter von einem „Verstoß gegen diesen Vertrag“ und münzt dabei ein sehr wages „Memorandum of Agreement“ zwischen den USA und Deutschland in etwas um, was es nicht ist. Die Tageszeitung wirft der NSA vor, „die vorgebliche Antiterrorzusammenarbeit auch für Wirtschaftsspionage instrumentalisiert (zu) haben". Man mag über die Definition von Wirtschaftsspionage diskutieren, aber es wäre naiv zu erwarten, ein Memorandum mit der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 würde die amerikanischen Geheimdienste davon abhalten, US-Interessen und die entsprechenden Ziele in Deutschland zu verfolgen. Dafür geben die Amerikaner ihre Steuergelder aus, wie auch immer der (unbekannte) Wortlaut des Memorandums gewesen sein mag.

Dass amerikanische Geheimdienste deutsche Firmen wie „EADS“ oder „Eurocopter“ ausspionieren, ist für mich keine Überraschung. Die Geschäfte der europäischen Rüstungsfirmen standen schon immer im Zentrum ihres Interesses. Manchmal landen europäische Firmen dann auch vor amerikanischen Gerichten, wegen Sanktionsbruch oder Geldwäsche. Die Leser der New York Times erfuhren im März, dass die Commerzbank 1,5 Milliarden Dollar Abfindung bezahlen musste - für illegalen Handel mit dem Iran und Geldwäsche.

mehr:
- NSA und Wirtschaftsspionage: Keine Überraschung (Andrew Denison, Cicero, 28.04.2015)