Mittwoch, 14. Februar 2007

Der Mönch und die Katze

Ein großer Mönch lag im Sterben und ließ seinen Nachfolger, einen jungen Mann, kommen und sagte: „Merk dir nur eines: Lass’ keine Katze in dein Leben.“ Sprach’s – und starb. Draußen hatte sich eine große Menge versammelt, um die letzten Worte dieses großen Heiligen zu vernehmen.
Aber was bekamen sie zu hören?! „Laßt keine Katze in euer Leben!“
Der Nachfolger sagte: „Mein Gott, wer will denn schon eine Katze in sein Leben reinlassen? Ist das etwa die ganze Religion?!“ Aber ein alter Mann – auch einer der selber zu alt war, um als Nachfolger in Frage zu kommen – sagte: „Du mußt wissen, daß dem eine lange Geschichte vorausgegangen ist. Er hat dir nur sein Fazit mitgeteilt.“ Der junge Mann sagte: „Dann muß ich die ganze Geschichte erfahren!“

Die Geschichte war, daß der Mönch, nachdem er seiner Frau und seinen Kindern und seinem Haus entsagt hatte, in den Himalaja gezogen war, wo er in einen kleinen Dorf' wohnte. Wo sonst soll er sein Essen herkriegen? Aber die Leute im Dorf waren froh einen Mönch zu beherbergen, also bauten sie ihm eine kleine Bambushütte.
Die indischen Mönche trugen statt Unterwäsche nur ein sogenanntes langot – ein langes Stoffband, nichts weiter als ein langer Streifen, mit dem sie sich einwickeln. Sie durften nur zwei langotis haben. Aber bald gab es ein Problem: Ein paar Ratten hatten sich bei ihm eingenistet und angefangen, eins seiner langotis zu zernagen. Der Mann wußte nicht, was er tun sollte; er hatte nur zwei, und die konnten nicht mehr lange halten. Also fragte er im Dorf um Rat: „Was tun? Denn meine Sekte gesteht einem Mönch nur zwei langotis zu. Das ist sein ganzer Besitz.“
Sie rieten: „Warum besorgst du dir keine Katze aus dem Dorf? Die wird die Ratten töten.“ Eine völlig logische Lösung also. Und so erhielt er eine gute Katze, und die Katze erlegte die Ratten. Aber das Problem war, daß jetzt auch die Katze ihr Futter brauchte, denn es gab keine Ratten mehr. Also mußte er für die Katze etwas Milch betteln gehen.
Die Leute sagten: „Unser Dorf ist nur klein … das Beste für uns wäre, wenn du dir eine Kuh hältst. Wir alle im Dorf' können zusammenlegen, und mit dem Geld kannst du dir eine wunderschöne Kuh kaufen. Und auf diese Weise wirst du genug Milch für dich und deine Katze haben.“ Das klang richtig, und so wurde eine wunderschöne Kuh angeschafft. Jetzt aber war das Problem, daß die Kuh Gras brauchte. Also mußte er jeden Tag im Dorf um gras betteln gehen. Die Leute sagten: „Das schickt sich nicht. Wir haben noch nie gehört, daß ein Mönch um Gras bettelt! Das ist nicht Sitte.“

Er sagte: „Aber was soll ich machen? Meine Kuh, meine Katze …“
Also sagten sie: „Eine simple Lösung: Wir sind ein einfaches Landvolk, wir wissen nicht viel über deine Philosophie. Bei uns ist eine Frau verwitwet, ihr Mann ist tot, und sie hat niemanden. Also werden wir sie überreden. Sie wird liebend gern einem Heiligen dienen, und dann brauchst du nicht mehr jeden tag herzukommen. Wir werden ein Stück Land neben deiner Hütte roden, und sie kann Gras darauf säen … und wenn du mal krank und bettlägerig wirst, wird sie sich deiner annehmen.“

Der Gedanke war richtig – sie hatten immer Recht. Es bedurfte nicht viel, um die Frau zu überreden; sie war allein und der Mönch war jung … sie witterte eine Möglichkeit, sie machte sich Hoffnung. Also war sie sofort bereit. Sie wurde seine Haushälterin, und wie ihr euch denken könnte: Es kam, wie es kommen mußte …
Basho sagt: „Das Gras wächst von selbst.“ Tatsächlich wächst so manches von selbst. Und so wuchs denn das Gras und sie verliebten sich … die Frau war schön, der Mönch war jung. Was brauchte man mehr?
Sie arbeiteten auf dem Feld, sie begannen Weizen und Gras anzubauen. Die Katze fühlte sich sohl, die Kuh fühlte sch wohl, und alles lief bestens. Und schließlich kam es zum Unabwendbaren – es kamen Kinder!
Und da schoß ihm durch den Kopf: „Mein Gott! Genau das hatte ich doch alles längst hinter mir gelassen – jetzt geht das wieder von vorne los: die ganze Welt! Es ist so langsam gegangen, daß ich es nicht eher bemerkte, als bis die Kinder kamen.“
Jetzt war nur der Katze wegen die ganze Welt wieder da.

Der alte Mann sagte: „Das war sein Fazit, sein letztes Wort. Er hat dir gesagt: ‚Denk dran, laß’ nie eine Katze rein.’ Weil hinter der Katze die ganze Welt hereinspaziert kommt. Er hat an seine eigene Lebensgeschichte denken müssen – wie er sich wieder in dieselbe Welt verwickeln ließ – und die Leute begannen ihn auszulachen: ‚Und so was will ein Mönch sein? Du hältst dir eine Frau! Du bist gefallen! Was ist nur aus dir geworden!’ Aber was konnte er nun machen?“, fuhr der Alte fort. „Wenn du einmal gefallen bist, bist du gefallen, dann ist es sehr schwer wieder aufzustehen. Er verspürte oft wieder den Wunsch zu entsagen, aber dann sagte er sich: ‚Was soll’s? Ratten gibt es überall. Und dann geht wieder dieselbe Geschichte los. Ich halte besser den Mund.’“

Dein Geist, dein Körper – beides braucht bestimmte Dinge. Du kannst der Welt nicht entsagen, du kannst nur zum Bettler werden. Aber wer zum Bettler wird, ist damit noch kein Heiliger. Mein Standpunkt ist klipp und klar: Ich möchte, daß ihr in der Welt lebt. Ihr braucht vor nichts Angst zu haben. Ihr braucht nur eure Lebensenergie nach innen zu lenken. Und das macht den ganzen Unterschied aus: Du bleibst in der Welt, aber ohne weltlich zu werden. Du bist in der Welt, aber die Welt ist nicht in dir.“

… schön wär’s, eine Zen-Geschichte, erzählt von Osho, Osho-Times 1/07

Eine Aufforderung zum Tun im Geiste

Die Naturwissenschaft kann uns Aufschluß geben über das Körperliche des Menschen, sie kann uns Aufschluß geben über den Verlauf der körperlichen, der physiologischen Funktionen während des physischen Lebens des Menschen. Aber diese naturwissenschaftliche Erkenntnis, so wie wir sie treiben, indem wir mit äußeren Werkzeugen experimentieren, indem wir mit äußeren Sinnen beobachten, sie hat gerade in der Zeit, in der sie so groß geworden ist, nicht vermocht, in das eigentliche spirituelle Leben des Menschen tiefer hineinzudringen. Das ist kein Tadel, den ich damit aussprechen will; das war die große Aufgabe der Naturwissenschaft, wie wir sie zum Beispiel, ich möchte sagen, in einer großen Systematik zusammengestellt finden bei einer Persönlichkeit wie Huxley. Das ist die große Leistung, daß sie einmal die Natur angesehen hat, ganz unbekümmert um alles dasjenige, was etwa in der Welt an Geistigem lebt.

Dafür haben wir auch eine Menschenerkenntnis, die nicht übergehen kann zu der unmittelbar praktischen Handhabung des Geistigen. Wir haben ein spirituelles Leben in unserer gegenwärtigen Zivilisation, und die verschiedenen Religionsbekenntnisse pflanzen dieses spirituelle Leben fort. Wir haben aber kein solches spirituelles Leben, das dem Menschen etwas zu sagen vermag, wenn er die bange Frage richtet nach dem Ewigen, nach dem Unvergänglichen, nach dem Übersinnlichen, dem er angehört; wir haben kein spirituelles Leben, das uns, mit anderen Worten, zu geben vermag Überzeugungen; Überzeugungen, wenn wir einsam dastehen in der Welt mit unserem physischen Leben, mit unserer physischen Lebensauffassung und nun fragen: Was liegt zugrunde an Ewigem, an Übersinnlichem dieser ganzen Sinneswelt?

Wir können uns dann Überzeugungen bilden darüber, was wir waren vor der Geburt im Schoße der göttlichen, übersinnlichen Welt. Wir können Überzeugungen bilden von demjenigen, was unsere Seele wird durchzumachen haben, wenn sie durch die Pforte des Todes gegangen ist. Wir können dasjenige, was wir so als Überzeugungen fassen, in Formeln bringen. Es kann, ich möchte sagen, warm in unser Herz, in unser Gemüt hereinströmen. Wir können sagen: Der Mensch ist mehr im ganzen Weltenall, als er ist in diesem physischen Leben zwischen Geburt und Tod.

Allein dasjenige, was wir auf diese Weise gewinnen, es bleibt Überzeugung, es bleibt etwas, was wir denken und fühlen können. Es wird immer schwieriger und schwieriger, die großartigen Überzeugungen, die uns zu diesem Spirituellen hinzu die Naturwissenschaft gibt, in die Handhabung, in die Praxis des Lebens hineinzuführen. Wir wissen vorn Geiste; wir verstehen es nicht mehr, mit dem Geiste zu tun, mit dem Geiste zu handeln, unsere Lebenspraxis, das alltägliche Leben mit dem Geiste zu durchdringen.

Welches Gebiet des Lebens ist es am meisten, das uns auffordert, mit dem Geiste zu tun? Es ist das Erziehungs-, es ist das Unterrichtswesen. In der Erziehung müssen wir den ganzen Menschen ergreifen, und der ganze Mensch ist Körper, Seele und Geist. Wir müssen mit dem Geiste tun können, wenn wir erziehen, wenn wir unterrichten wollen.

Hat zu allen Zeiten der Menschheitsentwickelung diese Forderung über der Menschheit gestanden, so dürfen wir sagen: Jetzt gerade, weil wir auf dem Gebiete der äußerlichen Naturerkenntnis so weit gekommen sind, jetzt gerade am allermeisten steht die Forderung vor uns, mit dem Geiste tun zu können. Darum ist die soziale Frage heute in erster Linie eine Erziehungsfrage. Denn wir wollen mit Recht heute fragen: Was soll geschehen, damit soziale Ordnungen, soziale Institutionen unter uns entstehen, die minder tragisch sind als die heutigen, die minder bedrohlich sind als die heutigen? – Wir können uns keine andere Antwort geben als die: Wir müssen zunächst Menschen in das praktische Leben, in die soziale Gemeinschaft hineinstellen, die aus dem Geiste heraus, aus dem Tun im Geiste erzogen sind.

Eine solche Erkenntnis, die zu gleicher Zeit fortwährendes Tun im Leben ist, strebt diejenige Spiritualität im Leben an, welche zur Basis gemacht werden soll – nach der Meinung, die hier vertreten wird – für die Erziehung der verschiedenen Lebensalter des Menschen.

aus Rudolf Steiner, Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst, Erster Vortrag, gehalten in Oxford, 16. August 1922: Die spirituelle Grundlage der Erziehung

Im Wikipedia-Artikel über Rudolf Steiner findet man im letzten Absatz des Abschnitts Die theosophische Phase einen Hinweis auf Jiddu Krishnamurti.