Mittwoch, 29. Juli 2009

Ulla Schmidts Dienstwagen geklaut – Wo ist der Skandal?

Ich muß gestehen, auch ich war erstmal empört. Aber man kann’s mit ein bißchen guten Willen auch so sehen: Bei ZEIT Online

Übrigens:
»Wie jedem Mitglied des Bundeskabinetts steht der Gesundheitsministerin ein Dienstwagen zu. Wie jedes Mitglied der Regierung darf sie den ausdrücklich privat nutzen, und ausdrücklich im In- wie im Ausland. Wie jeder andere Dienstwagenbenutzer muss sie bloß die privaten Kilometer als geldwerten Vorteil versteuern. Schmidt führt Fahrtenbuch. Für das vorige Jahr verzeichnet es 6111 Privatkilometer, ordentlich verrechnet und aus der Privatkasse gezahlt.« (aus ZEIT Online)

Also: unter Saure-Gurken-Zeit ablegen

Montag, 20. Juli 2009

Größenwahn mit Folgen

Auch von der Sanierung der landeseigenen Geldinstitute hängt es ab, wie Deutschland die Krise bewältigt. Aber die Ministerpräsidenten sind bisher zu eigensinnig.
Während Helmut Schmidt fordert, die Landesbanken an die kürzere Leine zu nehmen, (auf ZEIT Online) glaubt Wirtschaftswissenschaftler Professor Fredmund Malik (Universitäten St. Gallen und Wien), daß der Kapitalismus gescheitert ist (auch auf ZEIT Online).

Donnerstag, 9. Juli 2009

Geht’s auch anders?

Zum wievielhunderdsten Mal, auf den Punkt gebracht bei ZEIT Online.

Sonntag, 5. Juli 2009

Unser Planet hat eine neue Zivilgesellschaft

Die Rede von Jean Ziegler, dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, zur Eröffnung des Anti-G-8-Gipfels in Heiligendamm bei Publik-Forum

Ein Bischof, der verfolgt wird

Ein Interview mit Álvaro Ramazzini in Publik-Forum

Bargeld für alle!

Fleißig oder faul, ein Grundeinkommen sichert namibischen Dorfbewohnern das Überleben – und setzt überraschende Kräfte frei. Ein Modell?

VON MARC ENGELHARDT

Otjivero. Die Sonne scheint für alle an diesem Morgen in Otjivero, einer 1200-Einwohner-Gemeinde gut 100 Kilometer östlich von Namibias Hauptstadt Windhuk. Sana Gaueroman wärmt sich in ihren Strahlen, während sie vor der Krankenstation des Dorfes darauf wartet, dass ihre zweijährige Tochter Paloma zur Polioimpfung aufgerufen wird. „Eigentlich hätte sie die schon kurz nach der Geburt bekommen sollen, aber das konnte ich mir nicht leisten“, gesteht die arbeitslose Mutter. Vier namibische Dollar kostet die Impfung, 32 Euro-Cent. Aber die hatte Gaueroman nie übrig.

Das hat sich geändert. In Otjivero fließt das Geld – garantiert. Jeder Bürger erhält monatlich 100 Namibia-Dollar (acht Euro). Reich ist man damit nicht, aber leben kann man davon. Tun muss man dafür nichts, es gibt keine Bedingungen. Wer in Otjivero lebt, bekommt das Geld. So einfach ist das.

Kaum jemand konnte es glauben, als im Januar 2008 Bischof Zephania Kameeta, eine Art namibischer Desmond Tutu, im schäbigen Otjivero auftauchte, um den Geldsegen zu versprechen. Der auf dem Dorfplatz versammelten Menschenmenge rief der 62-Jährige irgendwann zu: „Ich bin nicht den langen Weg aus Windhuk hierhergekommen, um zu lügen, dafür bin ich zu alt.“ Die Leute staunten. Richtig ernst genommen, sagt Kameeta, hätten die meisten ihn aber wohl erst, als Monate später die Zählung der Bürger begann. „Das ganze war eine Nacht-und-Nebel-Aktion, selbst die Helfer haben wir erst unmittelbar vor der Abfahrt aus Windhuk informiert“, erinnert sich Dirk Haarmann, der gemeinsam mit seiner Frau Claudia das Projekt zum Grundeinkommen in Otjivero im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche Namibias begleitet hat.

Die Geheimnistuerei sollte verhindern, dass Außenstehende in Otjivero einströmen. Denn nur wer am Stichtag registriert wurde und jünger war als 60 Jahre, bekommt das Geld: genau 930 Menschen. Außer Rentnern, die staatliche Grundversorgung erhalten, kriegt jeder die 100 Dollar, vom Säugling bis zum Familienvater, vom Bettler bis zum Kaufmann. „Das Grundeinkommen befreit die Menschen vom täglichen Existenzkampf“, erklärt Haarmann. „Hunger macht ökonomisch keinen Sinn“, glaubt der ordinierte Theologe, der aus dem rheinischen Mettmann stammt. „Nur wer nicht hungert, wird wirtschaftlich aktiv und kann sich selbst aus der Armut befreien.“ Damit stützt er den Bericht einer staatlichen Kommission, die der Regierung schon vor sechs Jahren die Einführung des Grundeinkommens für jeden Bürger als Beitrag zum Ausgleich sozialer Schieflagen empfohlen hat. „Aber die Regierung hat gezögert und gezögert, bis Kirchen, Gewerkschaften und Verbände gesagt haben: Jetzt wollen wir einfach mal einen Feldversuch wagen.“ Es ist das erste Modellprojekt seiner Art weltweit. Der Ende Juni vorgelegte Abschlussbericht legt den Schluss nahe, dass es ein spektakulärer Erfolg war.

Finanziell, so hat Haarmann ausgerechnet, wäre die flächendeckende Einführung des Grundeinkommens kein Problem. Namibia hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen Afrikas. Hier liegen die Diamanten in der Wüste herum, die deshalb mit hohen Zäunen abgesperrt ist in Areale, die Sperrgebiete heißen. Deshalb ist die Schere zwischen Arm und Reich kaum irgendwo größer als hier: Zwei Drittel der Namibier leben unterhalb der Armutsgrenze. Maximal vier Prozent des Bruttosozialprodukts wären nötig, so glaubt Haarmann, um die Lage grundlegend zu ändern. Finanziert werden soll das Grundeinkommen über Steuern, die Reiche stärker belasten, und über Einsparungen: Weil jeder das Gleiche bekommt, ist keine Überprüfung nötig und kein bürokratischer Überbau. Das macht die Sache für den Staat attraktiv.

Kein Schlaraffenland, aber ein besserer Ort: Otjivero, das Hoffnungsdorf in Namibia. rtr

Einer der Profiteure in Otjivero ist John Thomason, der in der Morgensonne seine einjährige Tochter Hildegard auf dem Arm hält. „Ich kann jetzt einen alten Pick-up abbezahlen.“ Sein Hof ist übersät mit Ersatzteilen, mit Autos kennt Thomason sich aus. Doch das nötige Kapital fehlte ihm bisher. „Wenn Leute in die Stadt wollen, dann lade ich sie auf die Ladefläche und fahre sie die 50 Kilometer.“ Zehn Namibia-Dollar verlangt er für die Hin- und Rückfahrt, bis zu zwölf Personen bekommt Thomason locker zusammen: Wegen des Grundeinkommens gibt es nun auf einmal zahlende Kunden. Wenn Thomas seine Kosten abrechnet, bleibt genug zum Leben und um das Schulgeld für seine Kinder zu bezahlen. Früher hat der 43-Jährige wie die meisten in Otjivero gar keine reguläre Arbeit gehabt. Seine Frau hat auf einem schmalen Streifen staubiger Erde versucht, ein bisschen Gemüse anzubauen.

Otjivero war nicht nur arm, sondern als Hort von Ganoven und Taugenichtsen verschrien. „Ein Pfarrer hat mich gewarnt: Dieses Dorf ist ein Krebsgeschwür, geht da nicht hin“, erinnert sich Haarmann. Inzwischen, berichten die Dörfler stolz, seien die Farmer der Umgebung sogar bereit, Leute aus Otjivero als Erntehelfer oder Handlanger einzustellen. „Das wäre früher nicht möglich gewesen“, frohlockt Steven Eigowab.

Eigowab ist Chef des 18-köpfigen Komitees, das die Dorfbewohner kurz nach der Zählung gewählt haben. Die Idee hatten sie selbst. Das Komitee half mit, bei der ersten Geldausgabe Ordnung zu schaffen: Sonst wären viele der Wartenden bei dem Ansturm auf die Kasse wohl zertrampelt worden. Inzwischen weiß jeder, dass genug Geld für alle da ist. Das zweite Problem ist delikater: die richtige Verwendung der Hilfen. „Wir wollen nicht, dass alle ihr Geld gleich am Ausgabetag versaufen.“ Genau das nämlich werfen die Kritiker dem Projekt vor: Den Untätigen werde Geld in den Rachen geworfen. Anstatt Arbeit zu belohnen, werde Faulheit finanziert. Und tatsächlich feierten die 13 Kaschemmen am Abend des ersten Ausgabetags das Geschäft ihres Lebens. Wegen Trunkenheit und ,ungebührlichen Verhaltens? nahm die Polizei ein paar Bewohner mit in die Ausnüchterungszelle. Andere trugen einige Tage später stolz ein neues Handy oder anderes Konsumgut zur Schau.

Das hat sich gegeben. Der Abschlussbericht für die namibische Regierung zieht nun eine fast begeisterte Bilanz: Der Prozentsatz mangelernährter Kinder ist von 42 auf 10 Prozent gefallen; die Zahl der Kinder, die aus finanziellen Gründen nicht zur Schule gehen, sank um 42, die Kriminalitätsrate um 47 Prozent. Das für die Nachhaltigkeit des Projekts aber vielleicht wichtigste Ergebnis ist dieses: Die Menschen haben das Grundeinkommen vermehrt. Das Durchschnittseinkommen aus Beschäftigung, selbstständiger oder angestellter, stieg von 118 namibischen Dollar auf 152 – ohne das Grundeinkommen. Mit solchen Zahlen, so hofft Kameeta, wird man die Regierung von einer Ausweitung des Grundeinkommens überzeugen können.

aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 2. Juli 2009

Bei Youtube kann man sich ein Video in deutscher Sprache ansehen, ich konnte es nicht einbetten, um zu Beginn wirbt Müller Milch…


Lieber Arash, ich muß wissen, wo Du bist

Neda ist zum Symbol des iranischen Widerstands geworden.



Als die Junge Frau in Teheran von einer Kugel getroffen wurde, versuchten zwei Männer, ihr das Leben zu retten. Einer davon ist Arzt, heißt Arash Hejazi und ist mit dem Dichter Paulo Coelho befreundet.

Donnerstag, 2. Juli 2009

Der bloggende Mullah

Ein iranischer Geistlicher fordert Freiheit und eine Religion ohne Zwang: Mohammed Ali Abtahi

Iranische Mullahs haben in der Regel lange Bärte, wirken ungeheuer ernst, geben nichts Persönliches preis, sind im Rentenalter und zumeist bereit, alle Machtsäulen der Islamischen Republik Iran dogmatisch zu verteidigen, wenn nötig auch mit Gewalt.

Mohammed Ali Abtahi gehört nicht zu diesen Mullahs. Der Geistliche ist 51 Jahre alt, hat nur einen kurzen Bart, lacht gerne, spricht offen darüber, dass er mit wechselnden Diäten gegen sein Übergewicht kämpft und führt ein Institut für Interreligiösen Dialog. Mohammed Ali Abtahi war Präsident des iranischen Rundfunks und unter der Regierung des Reformers Mohammed Khatami Erster Vizepräsident des Irans, zunächst als Stellvertreter des Präsidenten, dann als Vizepräsident für parlamentarische Angelegenheiten.

Doch inzwischen ist er auf andere Weise berühmt geworden: Mohammed Ali Abtahi ist der bloggende Mullah. Seit mehr als fünf Jahren schreibt er täglich einen Blog. Sein Internettagebuch ist den Mächtigen in Teheran und der geistlichen Metropole Ghom zunehmend unheimlich. Kurz nach Beginn der Demonstrationen gegen die Unregelmäßigkeiten hei der Präsidentenwahl wurde der bloggende Mullah verhaftet.

Unbeliebt war Mohammed Ah Abtahi bei den Mächtigen im Lande schon vor der großen Rebellion. Jeden Tag ärgerte er sie mit Indiskretionen über Empfänge, über geheime Verbindungen und Absprachen, mit Insidergeschichten aus den Korridoren der Macht. Der bloggende Mullah ist gut vernetzt und hat seine Fühler überall. Seine Internetseite webneveshteha.com wurde immer beliebter, zumal der Mullah auch unkonventionelle Lebensberatung für jüngere Leute erteilte. Lange Zeit blieb er erstaunlich unbehelligt. Inzwischen ist sein Blog gesperrt. An einem grauen Morgen wurde er von Polizisten abgeholt.

Abtahi ist Mitglied der iranischen Partei Verband der kämpfenden Geistlichkeit und versteht sich als Bürgerrechtler. Bei den iranischen Präsidentschaftswahlen hatte Abtahi nicht den führenden Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi, sondern dessen reformerischen Konkurrenten Mehdi Karroubi unterstützt. Inzwischen unterstützt er die Proteste für die Überprüfung der Wahlergebnisse. Für Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad gehört der bloggende Mullah zu den »Drahtziehern« der Unruhen.

Letzteres verwundert nicht, denn der bloggende Mullah hat vor allem theologisch gänzlich andere Auffassungen als der Staatspräsident, der einer radikalen islamischen Sekte angehört, und viele der anderen Mullahs um Ali Khamenei, den Religionsführer des Irans. Mohammed Ali Abtahi bringt den Gegensatz schnell auf den Punkt: »Wer erzwingen will, dass alle religiös werden, erzeugt nur Hass«, sagte er vor wenigen Wochen, noch vor den Unruhen. »Und wer Freiheit sabotiert, macht die Religion kaputt.« Das ist ein geistiger Generalangriff auf Theologen, die die Menschen in das Korsett ihrer engen Auffassungen von einer islamischen Republik zwingen wollen. Michael Damm