„Lügengeschichte“ Reformbedarf, Auszug aus dem Vortrag von Albrecht Müller
Seit meiner Studentenzeit und insbesondere seit meiner Arbeit als Ghostwriter des früheren Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller beobachte ich, wie Meinung gebildet und beeinflußt wird, und wie die öffentliche Meinung wiederum die politischen Entscheidungen prägt. Ich bin dabei nolens volens zu einem Spezialisten für die Beobachtung von Manipulationsvorgängen geworden.
Dabei habe ich mir angewöhnt, nahezu nichts mehr zu glauben, was in der öffentlichen Debatte vorgebracht wird. Dies nicht aus Lust am Zweifeln – was ja auch eine Tugend wäre –, sondern geboren aus der Notwendigkeit, sich der gängig gewordenen alltäglichen Manipulation zu entziehen. Ohne zu übertreiben kann man davon sprechen, dass Brainwashing zur gängigen Beschäftigung unserer öffentlichen Meinungsmacher, der FR Agenturen und Medien sowie vieler Politiker, Wirtschaftsleute und Wissenschaftler geworden ist.
Die zweite Vorbemerkung: Ich bin alles andere als ein Reformmuffel. Als Assistent an der Münchener Universität stritt ich für ein modernes Bodenrecht, später dann für eine umfassende Steuerreform und als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt z.B. für einen fairen Familienlastenausgleich und für Willy Brandt habe ich im Wahlkampf 1972 den klassischen Satz formuliert: „Wer morgen sicher leben will, muß heute für Reformen kämpfen.“
Die heutigen „Reformer“ haben uns den Begriff Reform geklaut und ihn in ihrem Sinne besetzt. Sie haben damit ein Wort mit einem guten Klang usurpiert und mißbrauchen es fortwährend: Reform hieß in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, etwas zu Gunsten der Mehrheit und der Schwächeren zu verändern. Heute gehen die Reformen meist zu Lasten der Mehrheit und zu Gunsten der Eliten. Sie können das an konkreten Reformversuchen und Reformen festmachen:
– Dort die Entscheidung von 1975, die ungerechten Kindersteuerfreibeträge durch ein gleiches Kindergeld für alle zu ersetzen, weil die Kinder dem Staat gleich viel wert sein sollen, hier das vor kurzem verabschiedete Elterngeld, das den Besserverdienenden 1.800 Euro und den Schwächsten 300 Euro monatlich fürs Kind bringt.
– Dort der Versuch, mit einer Wertzuwachssteuer der Bodenspekulation Herr zu werden, hier die leise beschlossene aber knallharte Entscheidung, zum 1.1.2002 die so genannten Heuschrecken von der Besteuerung ihrer spekulativen Gewinne zu befreien.
– Damals der einigermaßen gelungene Versuch, in den sechziger und siebziger Jahren die weiterführenden Schulen und Hochschulen für die Kinder aus Arbeitnehmerfamilien zu öffnen, heute die Einführung von Studiengebühren und die Überantwortung unserer öffentlichen Hochschulen in die Hände von Hochschulräten, in denen die Wirtschaft das Sagen hat, obendrein ohne jegliche demokratische Legitimation. Passend zu Orwells Welt der Irreführung nennt sich das entsprechende Gesetz „Hochschulfreiheitsgesetz“.
– Damals der Versuch, für wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge öffentliche Verantwortung wahrzunehmen, Helmut Schmidt forderte sogar die Ausweitung des öffentlichen Korridors; und jetzt ein kurz vor den Wahlen 2095 noch schnell durchgepeitschtes OFF-Beschleunigungsgesetz, das die Verschleuderung des öffentlichen, vor allem des kommunalen Eigentums, zu Gunsten einer Unzahl von Profiteuren am Privatisierungsprozeß erleichtert. „Durchgepeitscht“ hatte ich formuliert, genauer müßte man sagen: „durchlanciert“, denn die heutigen Reformer arbeiten wie geschmiert und leise, sehr leise, wenn es um ihre eigenen Interessen geht.
Wußten Sie, was Rudolf Scharping zur Zeit tut? Ich bis vor kurzem auch nicht. Er betreibt in gelegentlicher Partnerschaft mit Reiner Brüderle (FDP), dem ehemaligen Oberbürgermeister von Landshut Deimer (CSU), und den ehemaligen Oberbürgermeistern Lehmann Grube (Leipzig, SPD) und Rolf Böhme (Freiburg, SPD) ein Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Albrecht Müller war u. a. enger Mitarbeiter von Willy Brandt
aus dem IPPNW-forum 102/2006
Seit meiner Studentenzeit und insbesondere seit meiner Arbeit als Ghostwriter des früheren Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller beobachte ich, wie Meinung gebildet und beeinflußt wird, und wie die öffentliche Meinung wiederum die politischen Entscheidungen prägt. Ich bin dabei nolens volens zu einem Spezialisten für die Beobachtung von Manipulationsvorgängen geworden.
Dabei habe ich mir angewöhnt, nahezu nichts mehr zu glauben, was in der öffentlichen Debatte vorgebracht wird. Dies nicht aus Lust am Zweifeln – was ja auch eine Tugend wäre –, sondern geboren aus der Notwendigkeit, sich der gängig gewordenen alltäglichen Manipulation zu entziehen. Ohne zu übertreiben kann man davon sprechen, dass Brainwashing zur gängigen Beschäftigung unserer öffentlichen Meinungsmacher, der FR Agenturen und Medien sowie vieler Politiker, Wirtschaftsleute und Wissenschaftler geworden ist.
Die zweite Vorbemerkung: Ich bin alles andere als ein Reformmuffel. Als Assistent an der Münchener Universität stritt ich für ein modernes Bodenrecht, später dann für eine umfassende Steuerreform und als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt z.B. für einen fairen Familienlastenausgleich und für Willy Brandt habe ich im Wahlkampf 1972 den klassischen Satz formuliert: „Wer morgen sicher leben will, muß heute für Reformen kämpfen.“
Die heutigen „Reformer“ haben uns den Begriff Reform geklaut und ihn in ihrem Sinne besetzt. Sie haben damit ein Wort mit einem guten Klang usurpiert und mißbrauchen es fortwährend: Reform hieß in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, etwas zu Gunsten der Mehrheit und der Schwächeren zu verändern. Heute gehen die Reformen meist zu Lasten der Mehrheit und zu Gunsten der Eliten. Sie können das an konkreten Reformversuchen und Reformen festmachen:
– Dort die Entscheidung von 1975, die ungerechten Kindersteuerfreibeträge durch ein gleiches Kindergeld für alle zu ersetzen, weil die Kinder dem Staat gleich viel wert sein sollen, hier das vor kurzem verabschiedete Elterngeld, das den Besserverdienenden 1.800 Euro und den Schwächsten 300 Euro monatlich fürs Kind bringt.
– Dort der Versuch, mit einer Wertzuwachssteuer der Bodenspekulation Herr zu werden, hier die leise beschlossene aber knallharte Entscheidung, zum 1.1.2002 die so genannten Heuschrecken von der Besteuerung ihrer spekulativen Gewinne zu befreien.
– Damals der einigermaßen gelungene Versuch, in den sechziger und siebziger Jahren die weiterführenden Schulen und Hochschulen für die Kinder aus Arbeitnehmerfamilien zu öffnen, heute die Einführung von Studiengebühren und die Überantwortung unserer öffentlichen Hochschulen in die Hände von Hochschulräten, in denen die Wirtschaft das Sagen hat, obendrein ohne jegliche demokratische Legitimation. Passend zu Orwells Welt der Irreführung nennt sich das entsprechende Gesetz „Hochschulfreiheitsgesetz“.
– Damals der Versuch, für wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge öffentliche Verantwortung wahrzunehmen, Helmut Schmidt forderte sogar die Ausweitung des öffentlichen Korridors; und jetzt ein kurz vor den Wahlen 2095 noch schnell durchgepeitschtes OFF-Beschleunigungsgesetz, das die Verschleuderung des öffentlichen, vor allem des kommunalen Eigentums, zu Gunsten einer Unzahl von Profiteuren am Privatisierungsprozeß erleichtert. „Durchgepeitscht“ hatte ich formuliert, genauer müßte man sagen: „durchlanciert“, denn die heutigen Reformer arbeiten wie geschmiert und leise, sehr leise, wenn es um ihre eigenen Interessen geht.
Wußten Sie, was Rudolf Scharping zur Zeit tut? Ich bis vor kurzem auch nicht. Er betreibt in gelegentlicher Partnerschaft mit Reiner Brüderle (FDP), dem ehemaligen Oberbürgermeister von Landshut Deimer (CSU), und den ehemaligen Oberbürgermeistern Lehmann Grube (Leipzig, SPD) und Rolf Böhme (Freiburg, SPD) ein Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt Privatisierung öffentlichen Eigentums.
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