Donnerstag, 20. August 2009

Umkehr nach dem Schock

Jadallah Shihadeh warf einst Steine – jetzt arbeitet er als Friedenspastor im besetzten Palästina gegen Gewalt

Keiner hat dem 1956 als Gastarbeiterkind in Kuwait geborenen Jadallah Shihadeh in die Wiege gelegt, dass er eines Tages der fähigste Menschenfischer in der interreligiösen Dialog- und Friedensarbeit im politisch heißen Palästina werden würde. Heute ist Shihadeh im Hauptberuf Pastor der lutherischen Abrahams-Gemeinde in Beit Jala, der Nachbarstadt von Bethlehem.

Als Jugendlicher war er, wie viele Altersgenossen, ein Steinewerfer gegen die israelische Besatzungsmacht im Westjordanland. Er wurde verhaftet, gefoltert, kam ins Gefängnis. »Ich hatte mehr Glück als Verstand, dass der Polizist, den ich mit Fäusten angegriffen hatte, mich vor dem Militärgericht nicht identifizierte und dass der damalige lutherische Propst in Jerusalem, Helmut Glatte, mich bald herausholte«, erzählt Shihadeh.

Auf den Schock der Haft folgt eine Umkehr: Gewaltfrei will er fortan für das geschundene Palästina arbeiten. Und er möchte evangelische Theologie studieren, in Deutschland. »Beim Studium bin ich auf den großen jüdischen Religionsphulosophen Martin Buber gestoßen; dessen Vision eines freundlichen Miteinanders der Völker im Heiligen Land lässt mich bis heute nicht los«, sagt Shihadeh. »Und ich entdeckte die biblische Gestalt Abraham. Der Gründervater hat beim Terebinthenstrauch von Mamre den Ewigen mitsamt Begleitern zu Gast und ist folglich allen drei Religionen heilig, den Juden, Muslimen und uns Christen.«

Anfang 1986 wird Shihadeh vom Jerusalemer Bischof Haddad ordiniert und in die Gemeinde Beit Jala eingeführt mit dem Bibelwort aus Jeremia 1,7: »Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der Herr.« Shihadeh erzählt: »Es war anfangs sehr schwer. Denn die Gemeinde in Beit Jala war zerstritten. Zum Weihnachtsgottesdienst 1986 kamen nur zwei Besucher«

Jadallah und seine aus Tübingen stammende Frau Hannelore haben die 570 arabische Protestanten zählende Abrahamsgemeinde zum Blühen gebracht. Hannelore Shihadeh bietet mit großem Erfolg für benachteiligte Kinder und Jugendliche Musik- und Kunstkurse an. Ihr Ehemann hat sich der interreligiösen Friedensarbeit »im Geiste Bubers« verschrieben.

Mit Zähigkeit und Hilfe aus Skandinavien und Deutschland gelingt seit 2002, seit der wochenlangen militärischen Besetzung des Großraums Bethlehem, der Aufbau von Abrahams Herberge. Sie liegt gleich neben der Abrahamskirche und ist Hotel, Jugendherberge, Ökumenezentrum, Pfarr- und Kinderheim in einem. Als 2006 beim Hisbollah-Krieg viele Menschen vor dem Raketenbeschuss aus Nordisrael flüchten, nehmen die Palästinenser von Abrahams Herberge jüdische Flüchtlinge auf, »so viele, wie möglich«: Mitten im Krieg eine einzigartige Friedensaktion in Palästina.

Soeben hat Jadallah Shihadeh die interreligiöse Friedenswoche mit Juden, Muslimen und Christen zum Erfolg gebracht. So etwas gibt es sonst nirgendwo im politisch tief zerstrittenen Heiligen Land. Thomas Seiterich

Kontakt: shihadeh@luthchurch.com

aus Publik-Forum 14•2009


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