»Der letzte Tango in Paris« ist ein Film von Bernardo Bertolucci, in welchem Paul, ein 45-jähriger Amerikaner (gespielt von Marlon Brando), seine Verzweiflung über den Suizid seiner Frau und seine Gefühle von Sinnlosigkeit durch sexuelle Ausschweifungen und das Übertreten gesellschaftlicher Konventionen (vergeblich) zu ertränken versucht.
Es hat sich einiges getan seither, was sich auch dadurch zeigt, daß der Zuschauer heute bei weitem nicht mehr so geschockt ist, von dem, was ihm auf der Leinwand dargeboten wird, wie dies vor 40 Jahren der Fall war. Diese Feststellung ist fast schon Selbstverständlichkeit, und diese Selbstverständlichkeit spricht für die Richtigkeit.
Hinweisen möchte ich aber vor allem darauf, wie der Film aufgenommen und rezensiert wurde: Neben Schulbadendenken vor allem bei den Feministen finden sich erstaunlich differenzierte und einfühlsame Interpretationen, was den Wikipedia-Artikel lesenswert macht.
Beispiel:
Pauline Kael, eine der damals angesehensten Filmkritikerinnen der USA, hatte Brando 1966, als sich seine Karriere auf dem absteigenden Ast befand,
als einen uramerikanischen Helden verteidigt, der groß und frei sei,
weil er sich nicht an den Zielen einer korrumpierten Gesellschaft
orientiere. (Dieses und alle weiteren Zitate stammen aus dem Wikipedia-Artikel.) »Kurz nach der Aufführung in New York lobte sie den Letzten Tango
mit Überschwang und Superlativen. Der Tag seiner Uraufführung habe für
die Filmgeschichte die gleiche Bedeutung wie die Premiere von Le sacre du printemps 1913 für die Geschichte der Musik. „Es
gab keinen Tumult, niemand hat die Leinwand beworfen, aber ich glaube,
man kann sagen dass das Publikum in einem Schockzustand war, weil ‚Der
letzte Tango in Paris‘ in dieselbe hypnotische Erregung versetzt wie
‚Sacre‘ und dieselbe ursprüngliche Kraft hat.“
Der begeisterten Pauline Kael wurde unterstellt, sie habe das Werk auf
einer niedrigen Bewusstseinsstufe konsumiert, das eigentliche Thema
nicht erkannt und sei den Szenen der Unterwerfung der Frau durch Brando
erlegen.[41]
Die Gegner des Werks argwöhnten oft, es sei als Kunst maskierte Pornografie. Der Stern sah „aggressive,
animalische Sex-Szenen, die von einer bisher nicht gekannten
Unmittelbarkeit und Hemmungslosigkeit sind, und gegen die gängige
Porno-Streifen wie ein biederes Trimm-dich-Programm wirken.“[38]
Die katholische Film-Korrespondenz fand den Film ziemlich amerikanisch: „Der Pessimismus in der
Andeutung des Rückzugs auf die Position ‚die Welt ist sowieso kaputt,
ich lebe wie ich kann‘, verleihen diesem Werk eine Oberflächenstruktur,
um nicht zu sagen Banalität, die in vielem der Position heutiger
amerikanischer Intellektueller entspricht.“ Der Regisseur habe sich
zu viel vorgenommen und leiste sich freudianische Vereinfachungen, habe
aber große erzählerische Qualitäten: „Von diesem Film verbleibt
eigentlich nur noch die Offenheit der Darstellung ganz persönlicher
Welten, ein ungewöhnliches dramaturgisches Talent und eine sich den
Personen der Schauspieler schöpferisch anpassende Arbeitsweise auf ganz
hohem Niveau.“[72]
Die Bild-Zeitung
ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, von Dezember 1972 bis nach
dem deutschen Kinostart Ende März 1973 mindestens ein Dutzend Artikel
herauszubringen, die im Zusammenhang mit dem Letzten Tango standen. Die meisten waren auf Sex und Skandal fokussiert, ließen aber keine bestimmte Haltung dem Film gegenüber erkennen.[112]
SPIEGEL Online: Ein Tango – nicht für den Karfreitag
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