Sonntag, 5. Mai 2013

Volker Pispers: »Seit 29 Jahren mach’ ich Kabarett, immer die gleichen Themen.«



Seit Anfang der 80er Jahre – das war noch zu Helmut Schmidts Zeiten – begleiten mich die drei folgenden Eindrücke:
1. Wir werden es wirtschaftlich nie mehr so gut haben wie in den 70er Jahren.
2. Die Kosten der Sozialsysteme werden mittelfristig das Solidarsystem sprengen.
3. Die fortschrittlichen Kräfte in der Gesellschaft haben keine Ressourcen mehr, sich um Verbesserungen zu kümmern, ihre Kräfte werden gebunden, um Schlimmeres abzuwehren.
Damals hätte man was tun können.
Aber wer wählt schon eine Partei, die die Krankenkassen- und Rentenversicherungsbeiträge erhöht?
Demokratie ist, wenn Kinder die Kindergärtner wählen.

»Demokratie ist lustig« mit Professor an der Kunstakademie Düsseldorf Joseph Beuys   (Edition Staeck)
Also hat Helmut Kohl gewartet, bis es anfing wehzutun.
Gerhard Schröder hat dann die Drecksarbeit gemacht, dafür einen Tritt in den Hintern bekommen und seinen Groll mit Gazprom-Knete ersäuft.
Die herrschende Klasse – ob im Dritten Reich, in der DDR oder hier in der Bundesrepublik, oder wo auch immer auf der Welt – predigt und hofft drauf, daß der kleine Mann dran glaubt.
Pakistan ist ein – karikaturhaft überzeichnetes – erschreckendes Beispiel: die politische Klasse hemmungslos korrupt, die kleinen Leute laufen den Islamisten scharenweise zu. Nicht mal, weil sie die toll finden, einfach nur, weil es die einzige Alternative ist.
Keine deutsche Regierung der Nachkriegszeit hat es geschafft zu verhindern, daß die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufklafft.
Das Aufklaffen der Schere ist nämlich immanenter Bestandteil jeglichen profitorientierten Wirtschaftssystems. Unser ganzes Wirtschaftssystem ist eine riesige Blase. Und Blasen funktionieren, so lange die Leute dran glauben.
Was ein Börsentrader innerhalb von nur einer Stunde mit nanosekundengetakteten Computerhandel tut, daran arbeitet sich ein Dutzend von Banken- oder Börsenaufsehern eine Woche ab. Das System verkompliziert und beschleunigt sich auf eine Art und Weise, die nicht mehr kontrollierbar ist. Und unsere Politiker haben die Frist bis zum Aufprall durch Abkoppelung der Geld- von der Realwirtschaft noch etwas zu verlängern versucht. Und wenn wir die Schulden schon nicht jetzt bezahlen können, dann machen das halt unsere Kinder, die können sich nicht wehren.
Wir kriegen jeden Tag von irgendwem aus Politik oder Wirtschaft gesagt, daß Vollbeschäftigung möglich ist und angestrebt wird, obwohl keiner mehr dran glaubt. (Die dafür notwendigen Wachstumsraten sind nicht mehr erreichbar.)
Wir leben in einem System, in welchem der Schwanz mit dem Hund wedelt, uns der Hund verspricht, das Ganze unter Kontrolle zu kriegen und der Schwanz bellt, wir sollen ihn nur machen lassen, dann wird das schon.
Um nicht zu verzweifeln – Ruhe ist die erste Bürgerpflicht – löffeln wir unseren 39-Cent-Jughurt aus dem Supermarkt und hauen uns »Deutschland sucht den Superstar«, »Ich bin ein Promi, holt mich hier raus« oder »Germany’s next Top-Model« rein. Irgendwas muß ja in die Birne, und da sind arschwackelnde Zicken, die Terz machen, leichter verdaulich als Wetterhahn spielende Merkels oder steuersenkende Röslers. Scheiß auf die Moral, wenn das Boot sinkt.
Hoffen wir, daß es lange genug irgendwelche Dummen gibt, die an Tugenden glauben.

Langsam beginne ich den Sinn des indischen Kastensystems zu verstehen: das hält die Leute, die dran glauben, ruhig…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen