Der Tango, in den Armenvierteln, Kneipen und Bordellen von Buenos Aires und Montevideo entstanden, war dort ab 1890 fester Bestandteil der Volkskultur. Vor dem Ersten Weltkrieg grassierte dann auch in Europa das Tangofieber. Der Tanz der gesellschaftlichen Unterschichten zu melancholischer Musik, die von Liebe, Schmerz und Sehnsucht erzählt, galt der Obrigkeit jedoch wegen des engen Körperkontaktes der Paare und seiner als lasziv empfundenen Bewegungsabläufe als anrüchig und sündhaft.
»Der Tango und die Polizei«, Demonstration verbotener Tänze in Halle, Karikatur aus Le Petit Journal, 21.12.1913 |
Auch in Preußen fand man bald Gefallen an dem neuen Tanz, zum Entsetzen Kaiser Wilhelms II. sogar in höchsten Kreisen. Als die Gattin des Landtagspräsidenten 1913 im preußischen Landtag einen Tangotanztee veranstaltete und selbst hohe Militärs ihre Partnerinnen in aufreizender Art über die Tanzfläche führten, sah sich der Regent gezwungen, einzugreifen: Ein Erlass vom 20. November 1913 verbot Offizieren in Uniform heute vor 100 Jahren das Tangotanzen. Für den Kaiser war der Tango ein Kind des »Rinnsteins«, wie alles, was seinem Kunst- und Kulturverständnis widersprach. Fünf Jahre später war der Kaiser verschwunden, der Tango blieb.
Was am 20. November noch geschah:
1975: In Madrid stirbt der spanische Diktator Franco.
Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013
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