Eine scharfe Anklage der Ausbeutung durch global agierende Konzerne kommt derzeit ausgerechnet von einer BWL-Professorin für "Supply Chain Management", also jenem ehemals "Logistik" genannten Fach, das Konzernen die Lieferketten organisiert: von den billigsten Arbeitsmärkten im Süden, wo Menschen als Sklaven oder in an Sklaverei grenzenden Verhältnissen schuften, hin zu uns, zu den Konsumenten im Norden. Für Prof. Evi Hartmann ist der moralische Konsument die Lösung: Wir alle sollten nur als sozialverträglich hergestellt gekennzeichnete Ware kaufen. Sie verweist vor allem auf Drei-Euro-Hemden von KiK als Beispiel boykottwürdiger Produkte, denn Fabrikdesaster bei KiK-Zulieferern in Bangladesch forderten Tausende von Opfern.
Gegen die Vermeidung solcher mittels Sklavenarbeit hergestellter Ware wäre eigentlich wenig einzuwenden, wenn diese Problemlösung über den Boykott nicht als Gegenmodell zur Einforderung von gesetzlichen Regelungen auftreten würde. Aber Evi Hartmann lehnt Globalisierungskritik von links strikt ab. In der Kurzbeschreibung vom Campus-Verlag, der das Buch verlegt hat, heißt es: "Unsere Wirtschaft macht uns alle zu Sklavenhaltern - das führt uns jedes Drei-Euro-T-Shirt und jede Reportage über die Sweatshops in der Dritten Welt vor Augen. Dennoch machen wir weiter mit. Wir können die Globalisierung nicht abschaffen, auch können wir die Spielregeln nicht ändern. Doch wir können anders spielen, zeigt die Expertin für globale Netzwerke."
Regeln nicht ändern heißt: Keine Reregulierung und stattdessen nur noch eine individuelle Lösung über den privaten Konsum? Damit tritt das Buch all jenen entgegen, die wie etwa Attac oder die Weltsozialforen eine Reregulierung des Welthandels und eine Durchsetzung der Menschenrechte auch gegen Konzerne fordern, um Kindersklaverei und andere menschenunwürdige Ausbeutung zurückzudrängen. Globalisierungskritik wird individualisiert und entpolitisiert und letztlich bleibt nur der Markt als Lösung: Firmen sollen moralisch werden, weil moralische Konsumenten ihre Produkte sonst nicht kaufen.
mehr:
- "Wie viele Sklaven halten Sie?" (Daniela Lobmueh, Telepolis, 07.06.2016)
Der «unpolitische» Freud war der Ansicht, daß der Zwang zur Kulturarbeit die «Beherrschung der Masse durch eine Minderheit» erforderte, «denn die Massen sind träge und uneinsichtig, sie lieben den Triebverzicht nicht». […]
siehe auch:»In der Frage des Antisemitismus habe ich wenig Lust, Erklärungen zu suchen, verspüre eine starke Neigung, mich meinen Affekten zu überlassen, fühle mich in der ganz unwissenschaftlichen Einstellung bestärkt, dass die Menschen so durchschnittlich und im großen Ganzen doch elendes Gesindel sind.« […]«Denn die Kindlein, sie hören es nicht gerne, wenn die angebotenen Neigung des Menschen zum Bösen, zu Aggressionen, Destruktion und damit auch zur Grausamkeit erwähnt wird.» [aus: Annette Meyhöfer, Eine Wissenschaft des Träumens, Verlag Albrecht Knaus, München, 2006, S. 674f. (1. Freud-Zitat ohne Quellenangabe, 2. Freud-Zitat (zum Antisemitismus) aus Sigmund Freud–Arnold Zweig, Briefwechsel, 2. Dez. 1927, S. 11),
3. Freud-Zitat ohne Quellenangabe,]
- Kapitalismus: Wo beginnt Sklaverei? (Post, 01.06.2016)
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