Samstag, 7. Oktober 2017

„Die Polizei Hamburg hat die Gewaltorgie losgetreten“

Teil 1 des Interviews mit Thomas Wüppesahl, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal). Wüppesahl war Anfang der 90er „als die Grünen noch grün waren“ innenpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Das Interview führte Alexander Hummel.

Critica: Aus einer kleinen Bundestagsanfrage der LINKEN geht hervor, dass deutlich mehr PolizistInnen als ursprünglich angegeben beim G20-Einsatz beteiligt waren: über 31.000 PolizistInnen, das heißt 50% mehr als bekannt. Warum wurde die tatsächliche Zahl zuvor geheim gehalten?


Wüppesahl: Diese Tatsache, dass die Einsatzleitung, aber auch die politische Führung in Hamburg sich um die 10.000 PolizeibeamtInnen vertut, ist leider normal. Das gehört inzwischen zur klassischen Desinformationspolitik und hat auch taktische Gesichtspunkte. Denn man möchte sich selbst in der Wahrnehmung kleiner und das Gegenüber groß machen. Zudem zeigt es, dass die Polizei hier völlig überfordert war. Schon die ursprüngliche Zahl von 21.000 eingesetzten PolizeibeamtInnen ist deutscher Rekord seit 1949. Wir wissen jetzt, dass es nicht eine zahlenmäßige militärische Division war, was ungefähr 21.000 SoldatInnen entspräche, sondern es sind eineinhalb Divisionen gewesen und sie haben es trotzdem nicht bewerkstelligt. Derartige Desinformationen in die Öffentlichkeit zu setzen, zieht sich durch die gesamten drei Tage. Es wurde permanent die Unwahrheit gesagt, häufig auch ganz bewusst gelogen. Gleichzeitig sagten Einsatzleitung und Polizeipräsident, dass ihnen genug BeamtInnen zur Verfügung standen: „Daran habe es nicht gelegen.“ – Es fehlte einfach das fachliche Können.

mehr:
- „Die Polizei Hamburg hat die Gewaltorgie losgetreten“ (Interview mit Thomas Wüppesahl, Die Freiheitsliebe, 05.10.2017)
siehe auch:
- »Pfefferspray kann schlimme Auswirkungen haben« (Gespräch mit Alexander Bosch, junge Welt, 07.10.2017)
- G20-Nachbereitung: Pleiten, Pech und Pannen (Post, 06.10.2017)
Sicherheitskonzept riskierte Menschenleben (Blog-Beitrag aus der Freitag-Community, 02.10.2017)
Aufräumarbeiten nach dem G20-Gipfel: Was würde geschehen, wenn… (Post, 23.07.2017)
- Das angebliche Gewaltproblem der Linken (Post, 21.03.2015)

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