Seit alle Welt (oder zumindest jener Teil von ihr, der Zeitungen liest, sich für Filme und Fernsehserien interessiert, die Diskussionen in den sozialen Medien zur Kenntnis nimmt und nicht lange zögert, wenn es darum geht, moralische Urteile zu fällen), seit alle Welt den Schauspieler Kevin Spacey für einen Bösewicht hält, darf dieser Schauspieler keine Bösewichte mehr spielen.
Kaum waren jene Vorwürfe öffentlich geworden, wonach Spacey einst, vor mehr als dreißig Jahren, einen 14-jährigen Jungen heftig bedrängt und bedroht habe, gaben die Produktionsfirma Media Rights Capital und der Streamingdienst Netflix bekannt, dass Spacey gefeuert sei; dass er also, falls „House of Cards“ überhaupt weitergehe, nicht mehr mitspielen werde in jener Serie, in der er, fünf Staffeln lang, den komplett amoralischen Politiker Frank Underwood spielte, einen Mann, der schon zum Beginn der zweiten Staffel zwei Morde auf dem sogenannten Gewissen hat.
Und vor ein paar Tagen haben der Regisseur Ridley Scott und das Sony-Filmstudio verkündet, dass Scotts „Alles Geld der Welt“, ein Film, der eigentlich fertig ist, noch einmal überarbeitet werden müsse. Alle Szenen mit Kevin Spacey werden herausgeschnitten, mit Christopher Plummer an Spaceys Stelle nachgedreht und neu hineinmontiert in den Film, der, damit er noch eine Oscar-Chance haben kann, Ende Dezember in die amerikanischen Kinos kommen muss. Es ist die Geschichte von J. Paul Getty III., der entführt wird und nur gegen ein hohes Lösegeld freikommen soll. Und es ist die Geschichte des Großvaters, J. Paul Getty, über den es im Trailer heißt, er sei nicht einfach der reichste Mann der Welt, er sei vielmehr der reichste Mann in der Geschichte der Welt. Und der sich doch weigert, auch nur einen Dollar zu bezahlen, weshalb seinem Enkel ein Ohr abgeschnitten wird. Es war die Rolle von Kevin Spacey, den man im Trailer noch sehen kann.
mehr:
- VORWÜRFE GEGEN KEVIN SPACEY: Ein Mann wird gelöscht (Claudius Seidl, FAZ, 12.11.2017)
siehe auch:
- Die Schönheit des Abgrunds (Post, 04.06.2018)
- Von Miniröcken und Bodybuilding - alte Vorurteile, neu aufgewärmt (Alexander und Bettina Hammer, Telepolis, 12.11.2017)
Anne Will vom 12.11.2017 | Die Sexismus-Debatte - Ändert sich jetzt etwas? {57:37}
Veröffentlicht am 12.11.2017
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- #MeToo-Debatte bei Anne Will: "Jede Institution hat einen Weinstein" (Arno Frank, SPON, 13.11.2017; beachte auch die Kommentare)
- Sexuelle Belästigung: Auch Du, mein Sohn Dustin? – Geschichte(n), Interpretationen und Aufgeregtheiten (Post, 11.11.2017)
- Realität, Interpretationen und Koordinatensysteme (Post, 05.11.2017)
- Barenboim im Interview: "Wagner war antisemitisch, seine Musik nicht" (SPON, 15.07.2001)
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