Gefährder – Marginalie zum öffentlichen Sprachverfall
Ich hab Angst, und Du hast Angst, große Angst und kleine Angst, meine Angst und Deine Angst…
Liedertext, aufgezeichnet auf einem Evangelischen Kirchentag
Nunmehr wird der Maschinengewehreinsatz gegen eine Menschenmenge gesetzlich verboten.
Aus dem Entwurf zum neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetz
Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt
Ludwig Wittgenstein
Begriffsrecherche in einem sehr guten, nicht-öffentlichen Pressearchiv: Zwischen 1980 und dem 31.12.2000 taucht der Begriff "Gefährder" überhaupt nur zwölf Mal auf, zum ersten Mal im Herbst 1990 und auch in den nächsten Jahren ausschließlich in Zitaten aus Polizeikreisen und Papieren des Staatsschutz.
Im Mai 2000 findet er sich dann in der "Süddeutschen Zeitung" in einem Artikel über Fußball-Hooligans. Genau gesagt kommt das Wort auch darin nicht vor, sondern es ist dort von "Gefährder-Ansprachen" die Rede, und auch das nur in einem Zitat des damaligen Sprechers des Landeskriminalamts von NRW, Fredrick Holtkamp, der Hardcore-Fußball-Fans nach dem Grad ihrer Gewaltbereitschaft kategorisiert.
Daraus folgt eine erste wesentliche Feststellung: "Gefährder" ist Polizei-Jargon. Die deutschen Medien, die einst zu Recht stolz darauf waren, Staatsferne - nicht "-feinschaft", aber skeptische Distanz zu den jeweils Mächtigen zu kultivieren, schreiben heute gern im Jargon eines Polizei-Handbuchs.
mehr:
- Die Hysterisierung der deutschen Öffentlichkeit (Rüdiger Suchsland, Telepolis, 12.08.2018)
siehe auch:
- Ein neues U-Boot und mangelnde Medien-Selbstreflexion (Post, 10.07.2016)
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