Donnerstag, 22. November 2018

Gellermann-Update: Die Süddeutsche hat sich selbst ins Knie geschossen

Fröhliche Gesichter im Saal des Münchner Landgerichts: Freunde und Leser der RATIONALGALERIE beglückwünschten Uli Gellermann: Der war vom Medienkonzern, der die SÜDDEUTSCHE herausgibt, wegen einer angeblichen Beleidigung verklagt worden. Im Prozess – zu dem als Zeuge der Redakteur Hubert Wetzel aus den USA angereist war – stellte sich heraus, dass die Klage des angeblich beleidigten Wetzel nicht von ihm selbst angestrebt worden war. Die Rechtsabteilung der SÜDDEUTSCHEN hatte den inkriminierten Artikel zu einem „postfaktischen Arschloch“ aus dem Internet gefischt und dem Angestellten der Zeitung offenkundig eine Klage nahegelegt. Der juristische Anfängerfehler: Beleidigungsklagen müssen vom Beleidigten selbst angestrebt werden. Doch die süddeutsche Attacke auf die Meinungsfreiheit sollte, dem Willen der Inhaber folgend, von den Hausjuristen erledigt werden.

Erst im Verlauf der richterlichen Befragung des Zeugen stellte sich die ganze Wahrheit heraus: Nicht der Redakteur Wetzel hatte geklagt, sondern die unprofessionelle Rechtsabteilung des Münchner Blattes übernahm die Rolle des Beleidigten. Das gab dem Wortverbrecher Gellermann die Gelegenheit, dem Gericht und dem Zeugen erneut deutlich zu machen, dass er den Artikel der SZ zu den möglichen Russlandverbindungen des US-Präsidenten für schlechten Journalismus, letztlich für politische Propaganda, hält. Präzis erklärte er vor Gericht, dass der Artikel der SZ im Kern auf einem Geheimdienst-Dossier basiere, Geheimdienste aber nun mal nur Interessen von Politik und Militär wahrnehmen, also kaum verläßliche Informationen für Zeitungsleser liefern.

Auch ein Schmuddel-Video – das niemand gesehen und geprüft hat und angeblich Sexspiele des US-Präsidenten zeigen soll, in denen Urin eine Hauptrolle spielt – war der SÜDDEUTSCHEN Grundlage für ihre sonderbare Auffassung von Journalismus. Zwar wurde auch diese Tatsache vom Gericht nicht bestritten, aber der Richter ritt gern weiter darauf herum, dass das böse Wort „Arschloch“ in Gellermanns Artikel vorgekommen sei. Dass der Beklagte sich nur der Was-wäre-Wenn-Methode der SÜDDEUTSCHEN bedient hatte, also den Konjunktiv als Waffe benutzte, war schon der juristischen Instanz vorher nicht zugänglich, die den Filmemacher und Journalisten bereits verurteilt hatte. Auch der anwesende Staatsanwalt, der eine eigene Revision des Urteils anstrebte, wollte mit Gellermann über dessen Denkansatz nicht diskutieren: Wer, wie die SÜDDEUTSCHE statt sauber recherchierten Journalismus lieber Feindbilder verbreite, der sei schlicht unseriös, also auch nicht zu beleidigen.

mehr:
- SÜDDEUTSCHE verliert - Obdachlose gewinnen Juristen des Medienkonzerns setzen eine Klage in den Sand (U. Gellermann, Rationalgalerie, 22.11.2018)
siehe auch:
- Propaganda mit Fragezeichen? – Der nächste Blogger vor Gericht… (Post, 14.06.2018)
x

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen