Mittwoch, 4. März 2020

Assange-Prozess: Politische Justiz in London

London. Der Woolwich Crown Court liegt in der Nähe des Hochsicherheits-Gefängnisses Belmarsh. Vor dem Gericht protestierten zu Prozessbeginn am Montag WikiLeaks-Anhänger gegen die Auslieferung des Australiers an die USA. Er wird dort wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente (gutes Recht und täglich Brot von Enthüllungs-Journalisten) und Verstößen gegen das Anti-Spionage-Gesetz (barbarisches Relikt aus Zeiten des Ersten Weltkriegs) angeklagt. "Prozess gegen Assange: 'Er ist kein Journalist'" so titelt die SZ (Süddeutsche Zeitung) ganz im Sinne der USA. Die USA wollen den berühmtesten und erfolgreichsten Enthüllungs-Journalisten unserer Zeit, Julian Assange, zum Spion und Verräter umdeklarieren, nachdem sie ihn mit einer Justiz-Intrige zehn Jahre lang unter Vergewaltigungsverdacht stellen ließen - mit von der schwedischen Justiz gefälschten Beweisen. Als Verräter könnten die USA ihn hinter Gitter stecken, weil er über US-Kriegsverbrechen (!) aufklärte. Doch Verbrechen können nicht den Schutz der Geheimhaltung in Anspruch nehmen.

Die Anwälte jener US-Regierung, die bei Kriegsverbrechen erwischt wurde, beschimpften zum Prozessauftakt den vielfach preisgekrönten Journalisten Assange als „gewöhnlichen Kriminellen“. Dies erfahren die Leser der SZ freilich nicht. Die SZ salbadert sich durch eine wohlmeinende Aufzählung der Litanei der Beschuldigungen gegen Assange, den sie als „unkonzentriert“ beschreibt. Schon die Überschrift repetiert US-Propaganda gegen Assange, er sein kein Journalist, der Artikel distanziert sich davon nicht, macht vielmehr Stimmung gegen den Angeklagten.

Die SZ redet den USA nach dem Munde, klaubt ablenkende Desinformation zusammen, enthält ihren Lesern aber vor, was die Anwälte des Angeklagten vorbringen: Die Wikileaks-Anwälte rügen die britische Kronjustiz für schikanöse Behandlung des Angeklagten und Behinderung der Verteidigung von Julian Assange. Vanessa Baraitser, Richterin Ihrer Majestät, behauptet nicht zuständig zu sein, die Anwälte sollten sich doch beim Gefängnisdirektor beschweren, so der Guardian.

mehr:
- Assange-Prozess: Politische Justiz in London (Hannes Sies, Neue Rheinische Zeitung, 04.03.2020)
siehe auch:
Assange-Prozess: „Umgang, wie ich ihn eher von Diktaturen kenne“ (Armin Siebert, Interview mit Sevim Dagdelen, SputnikNews, 03.03.2020)
ein weiteres Interview mit Sevim Dagdelen:
- Gerichtsverhandlung gegen Julian Assange: "Alles deutet auf einen reinen Schauprozess hin" (Dietmar Pieper, SPON, 01.03.2020)

Tagesdosis 3.3.2020 – Der kafkaeske Schauprozess gegen den Wikileaks-Gründer (Kommentar von Mathias Bröckers, KenFM, 03.03.2020)
Transparency Deutschland und Netzwerk Recherche fordern Bundesregierung auf, Konsequenzen aus dem Fall Assange zu ziehen (NetzwerkRecherche, 03.03.2020)
Ein Resümee der Anhörung zu Assange in London (Moritz Müller, NachDenkSeiten, 03.03.2020)
Bericht zu Assange deckt auf: Vergewaltigungsvorwürfe waren "konstruiert" (Frauke Niemeyer, n-tv, 01.03.2020)
Whistleblower – Julian Assange: Der gejagte Journalist (Tanja Brandes, Berliner Zeitung, 01.03.2020)
Assange-Auslieferung: Wie gefährlich ist Julian Assange? (Detlef Borchers, heise online, 28.02.2020)
- Julian Assange: US-Anwalt wirft WikiLeaks-Gründer Verschwörung vor (ZON, 24.02.2020)
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