Mittwoch, 5. August 2020

Tilman Jens ist gestorben


In seinen Büchern und TV-Beiträgen zeigte er sich stets streitbar. Besonders umstritten war sein offensiver Umgang mit der Demenzerkrankung seines berühmten Vaters Walter Jens. Nun ist Tilman Jens mit 65 Jahren gestorben.


Tilman Jens, ebenso gefeierter wie umstrittener Autor von TV-Dokumentationen und Sachbüchern, ist tot. Das teilte der Anwalt seiner Familie mit. Jens starb am 29. Juli im Alter von 65 Jahren.

Zu seinen kontroversen publizistischen Erfolgen gehören das Buch "Demenz: Abschied von meinem Vater" (2009) über die Erkrankung seines berühmten Vaters, dem Rhetorikprofessor Walter Jens, sowie eine Reportage über den Tod des Schriftstellers Uwe Johnson. Für diese brach Jens in das Haus des Verstorbenen ein.

Auch die Veröffentlichung des Bestsellers "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" über den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, den Jens zusammen mit Heribert Schwan 2014 veröffentlichte, war von Streit begleitet: Vor Gericht konnte Kohl durchsetzen, dass das Buch wegen nicht freigegebener Äußerungen aus Arbeitsgesprächen mit Schwan nur mit geschwärzten Seiten beziehungsweise gekürzt weiterverbreitet werden durfte.

Tilman Jens wurde 1954 in Tübingen geboren. An der Universität der schwäbischen Stadt hatte Vater Walter Jens den berühmten Lehrstuhl für Rhetorik inne. Seine Schullaufbahn führte nach dem Besuch einer Waldorfschule sowie eines humanistischen Gymnasiums auf die Odenwaldschule, wo Jens nach dem Abitur auch seinen Zivildienst ableistete. Als Reaktion auf die Aufdeckung von jahrzehntelangem systematischen sexuellen Missbrauchs von Schülern an der Odenwaldschule veröffentlichte Jens 2011 das Buch "Freiwild - die Odenwaldschule. Ein Lehrstück von Opfern und Tätern."

mehr:
- Autor und TV-Journalist – Tilman Jens ist tot (hpl/dpa, Spiegel Kultur, 03.08.2020)
siehe auch:
Inge Jens ringt um die Würde ihres Mannes, über die Grenzen allgemeinen Wissens über die Krankheit hinaus. Hinaus auch über die üblichen Definitionen dessen, was Menschsein ausmacht, wenn das Hirn nach und nach versagt. Mit viel Empathie und Vorurteilslosigkeit begleitet sie seinen Rückzug in eine unzugängliche Welt, von der ihr unklar ist, von wie viel Bewusstsein sie noch regiert wird. Denn Walter Jens konnte einige Zeit nach seiner Erkrankung so gut wie nichts mehr sprachlich mitteilen. Ausgerechnet er, der so viel über die Gesetze von Sprache wusste und sie so brillant beherrschte, vermochte keine verständlichen Botschaften mehr zu formulieren. Er sprach zwar grammatikalisch richtige Sätze, „doch ihr Sinn blieb meistens dunkel“, schreibt Jens. Das Schlimmste sei für sie gewesen, zu merken, dass er präzise Erinnerungen und Vorstellungen von dem hatte, was er vermitteln wollte. „Aber das Schaltzentrum, das die Umsetzung des Gedachten, Erinnerten, Gesehenen oder Empfundenen in Sprache ermöglicht, funktioniert nicht mehr. Und das ist einfach schrecklich.“
[Christine Adam, Das Buch „Langsames Entschwinden“ von Inge Jens
noz.de, 10.03.2016]
SPECIAL zu Tilman Jens »Demenz« – „Wir werden sein Leiden nicht verstecken.“ (Rezension von Roland Große Holtforth, randomhouse.de, März 2009)
- Tilman Jens: Demenz – Abschied von meinem Vater (Perlentaucher, Rezensionen aus dem Februar 2009)
x

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen