Dienstag, 3. November 2020

Corona-Bill und die Kirchen der Angst

„Angst essen Seele auf“ heißt ein Film von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974, dessen Titel sich zu einem geflügelten Wort entwickelt hat. Es kam mir in den Sinn, als ich über die merkwürdige und bedrückende Atmosphäre nachdachte, in die Corona und Lockdown die Gesellschaft versetzt hat. Die „Kirche der Angst“ hat mehr Gläubige versammelt als je zuvor, und zwar in beiden „Konfessionen“: Angst vor einer Massenvernichtungs-Pandemie auf der einen Seite und Angst vor einer Massenüberwachungs-Diktatur auf der anderen – und in beiden Kirchen orgeln Panik-Orchester und verkünden jeweils die allein seligmachende Wahrheit. Dass das geisterhafte Erscheinen eines unsichtbaren Virus einen Glaubens-und Religionskrieg entfacht hat, ist indes kein Wunder – bis vor ein paar Monaten war dieses Wesen völlig unbekannt, es gab kein Wissen über seine Verbreitung, keine Fakten über seine Wirkung, keinerlei Einschätzungen über seine Gefährlichkeit. Das ist mittlerweile ein wenig anders, aber eben nur ein wenig. SARS-Cov-2 ist noch immer ein großer Unbekannter – und könnten wir ihn als großen schwarzen Hund sehen, würden die einen sofort in Deckung gehen, denn er könnte ja beißen und die anderen – Abteilung „ganz normale Grippewelle“ –sagen: „Der will doch nur spielen“. Wirklich Bescheid weiß aber gar keiner, denn dieses Wesen ist neuartig und nicht unter Kontrolle, es ist nicht einmal klar, ob es ganz natürlich entstanden ist oder eine Chimäre, an der gentechnisch herumgeschraubt wurde. Wo aber so viel Unwissen und Unsicherheit herrscht entsteht fast zwangsläufig Angst – jeder will wissen, was ihn erwartet und was er oder sie möglicherweise zu befürchten hat.

Letzte Woche flog zum Beispiel ein Asteroid in der Größe des Empire State Building mit 28.500 Stundenkilometern sehr knapp an der Erde vorbei, wovon kaum jemand etwas mitbekommen hat. Zum Glück, denn wäre die Gefahr eines Treffers samt der möglichen Einschlagsregionen dieses Brockens kommuniziert worden, wäre in den Kirchen der Angst gleich wieder eine neue Spaltung entstanden – mit NASA-Experten auf der einen und kritischen Astrophysikern auf der anderen Kanzel. Und Regierungen, die angesichts unklarer Daten über präventive Zwangs-Evakuierungen bestimmter Regionen entscheiden müssen und sie dann auch durchziehen. Und wehe, der Brocken schlägt dann woanders ein oder fliegt wie am Donnerstag knapp vorbei – da wär` was los. Und es würde mal wieder deutlich, dass sich mit Prävention schwer Blumentöpfe gewinnen lassen.

Wobei – wenn man sich die honecker – artigen Zustimmungsraten für die eigentlich schon abgeschriebene Kanzlerin anschaut, scheint sich bei Corona der präventive Lockdown politisch sogar auszuzahlen, während bei ihren anfangs so lockeren Kollegen wie Donald Trump und Boris Johnson weiter kräftig gestorben wird. Übrigens auch in Schweden, wo von 1 Million Einwohner bisher mehr als drei Mal so viele Menschen gestorben sind (319) wie in Deutschland (90) und fast acht Mal so viele wie in Norwegen (40).

Dass der „Mutti-Faktor“ derart zieht, zeigt wie viel Angst bei den 80 Millionen Merkel-Kindern derzeit herrscht – sie flüchten sich freiwillig unter den schützenden Rock der „guten Mutter“, an die Brust der „Konsensmilch“, die in unsicheren Zeiten narrativen Halt und Gewissheit bietet. Weshalb jede Kritik an diesem politischen und medialen Konsens, jede Skepsis und jede Opposition, aggressiv weggebissen werden muss: „Alles Nazis und Verschwörungstheoretiker – außer Mutti“! Zweifel sind in der Kirche der Angst nicht erlaubt, wo das Wissen unsicher und die Tatsachen unklar sind, zählt allein der Glaube. Was aber auch für die „Ungläubigen“ gilt, die hinter der Fassade der „guten Mutter“ den „starken Führer“ wittern und in dieser Pandemie eine Plan-demie zur Versklavung der Menschheit und Errichtung einer Gesundheits-Diktatur sehen. „Wir glauben keiner Statistik, die wir nicht selbst gefälscht haben“ – das war nie wahrer als zu Corona Zeiten, wo keine repräsentativen Zahlen vorliegen (warum eigentlich?) können Statistiken nach gusto interpretiert werden. „Der Paranoiker kennt immer alle Fakten“ hat der Schriftsteller William Burroughs gesagt – und so wähnen in den Kirchen der Angst alle Schäfchen in gutem Glauben, die „Fakten“ auf ihrer Seite zu haben.
mehr:
- Corona-Bill und die Kirchen der Angst (broeckers.com, 11.05.2020)
siehe auch:
- xxx (Post, )
x
x

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen