Mittwoch, 14. September 2005

Suizid à la Carte

Beim jährlichen Treffen der australischen Gesellschaft für Gerichtsmedizin (AAFS) berichtete der Präsident Dr. Don Haper Mills seinem erstaunten Publikum von den rechtlichen Komplikationen eines bizarren Todefalles.

Ein Pathologe untersuchte die Leiche von Mr. Ronald Opus und kam zu dem Schluß, daß er an einer Schußwunde im Kopf gestorben sei. Der Verstorbene war vom Dach eines 10-stöckigen Hauses gesprungen, um Selbstmord zu begehen.
Er hinterließ einen Abschiedsbrief, der seine Mutlosigkeit deutlich macht. Als er am neunten Stock vorbeifiel, wurde sein Leben durch eine Pistolenkugel, die aus einem Fenster kam, abrupt beendet. Weder der Schütze noch der Fallende waren sich des Sicherheitsnetzes bewußt, das unterhalb des achten Stockwerks angebracht worden war, um Bauarbeiter zu sichern. Es verhinderte, daß Ronald Opus seinen Selbstmord wie geplant ausführen konnte.

»Normalerweise«, fährt Dr. Mills fort, »gilt eine Person, die Suizid begehen will und damit letztlich erfolgreich ist, sogar wenn das gewählte Mittel versagt, immer noch als Selbstmörder. Mr. Opus wurde auf seinem Weg in den sicheren Tod erschossen, aber sein Selbstmordversuch wäre wahrscheinlich am Sicherheitsnetz gescheitert. So kam der Gerichtsmediziner zu dem Schluß, daß es sich hier um einen Mordfall handelt.«
Den Raum im neunten Stock, aus dem der Schuß abgefeuert wurde, bewohnte ein älteres Ehepaar. Sie hatten gerade einen heftigen Streit, und er bedrohte sie mit der Pistole. Der Mann war so aufgebracht, daß er seine Frau komplett verfehlte, die Kugel aus dem Fenster flog und Mr. Opus traf.
Wenn jemand beabsichtigt, Person A umzubringen, stattdessen aber Person B tötet, so ist er des Mordes an Person B schuldig. Als der Mann und die Frau mit der Mordanklage konfrontiert wurden, waren beide uneinsichtig, denn sie waren überzeugt, daß die Pistole nicht geladen sei. Der Mann sagte aus, es sei eine alte Angewohnheit von ihm, seine Frau mit der ungeladenen Pistole zu bedrohen. Er habe nicht die Absicht gehabt, sie umzubringen. Sollte die Pistole also zufällig geladen gewesen sein, müßte man den Tod des Ronald Opus deshalb als Unfall betrachten.
Weitere Untersuchungen brachten einen Zeugen ans Licht, der gesehen hatte, wie der Sohn des Ehepaares ungefähr 6 Wochen vor dem tödlichen Unfall die Pistole geladen hatte. Es kam heraus, daß die Mutter ihrem Sohn die finanzielle Unterstützung gestrichen hatte und der Sohn, der die Angewohnheit seines Vaters kannte, die Mutter mit der Pistole zu bedrohen, die Pistole in der Erwartung geladen hatte, sein Vater würde die Mutter erschießen.
Jetzt sah der Fall so aus, der der Sohn in einen Mordfall gegen Ronald Opus verstrickt war.

Aber der Clou der Geschichte kommt erst jetzt. Im Laufe der Untersuchungen kam ans Licht, daß der Sohn Ronald Opus war. Über den Verlust der finanziellen Unterstützung und den vergeblichen Versuch, seine Mutter umzubringen, war er immer deprimierter geworden. Das brachte ihn dann dazu, vom Dach des zehnten Stocks zu springen - nur um im neunten Stock von einer Pistolenkugel, die aus dem Fenster flog, getötet zu werden. In Wirklichkeit hatte also der Sohn sich selbst umgebracht, so daß der Fall als Suizid geschlossen wurde.

Saubere Arbeit, Ronnie!
Osho Times 9/98
Zur Geschichte hinter der Geschichte: 1994's Most Bizarre Suicide (bei Snopes)

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