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Von Günter Hoffmann
Die Mischung von Demonstranten vor dem Düsseldorfer Landtag im Frühjahr dieses Jahres war bunt. Führende CDU-Kommunalpolitiker marschierten Seite an Seite mit Sozialdemokraten und Grünen, kommunale Arbeitgeber gemeinsam mit Vertretern der Gewerkschaften. Mehr als 25 000 Menschen demonstrierten gegen die geplante Änderung der Gemeindeordnung. Vergebens. Am 1. Januar tritt ein Gesetz in Kraft, das die wirtschaftliche Tätigkeit der Städte und Gemeinden zugunsten der Privatfirmen drastisch einschränkt. »Privat vor Staat« begründet Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der sich gerne als soziales Gewissen seiner Partei präsentiert, dieses Gesetz. Für seinen Parteifreund Herbert Napp, den Bürgermeister von Neuss, wird diese Reform dagegen »zum Tod der Kommunalwirtschaft in allen Bereichen führen«.
Die Gesetzesnovelle kommt just zu einem Zeitpunkt, an dem in vielen Rathäusern ein radikales Umdenken einsetzt. Bisher galt es für viele Lokalpolitiker als nahezu selbstverständlich, das Haushaltsdefizit durch den Verkauf ihrer kommunalen Kliniken, Stadtwerke, Müllentsorgung oder Wohnungsbaugesellschaften zu sanieren vorausgesetzt, der Widerstand der Bürger vereitelte nicht ihre Pläne. Doch die Erfahrungen mit der Privatisierung zwingen inzwischen immer mehr Kommunalpolitiker zum Umdenken. Denn es erwies sich häufig als Trugschluss, dass die privaten Betreiber kompetenter, effizienter und kostengünstiger als die eigene Verwaltung seien. Im Gegenteil. Die Verkaufspreise und die hohen Renditeerwartungen der privaten Anbieter führten häufig zu einem sprunghaften Anstieg der Gebühren und Preise, trotz schlechter oder reduzierter Leistungen. Und wo sie günstiger als die kommunalen Betriebe arbeiten, geschieht dies häufig auf Kosten der Mitarbeiter; unbezahlte Überstunden, gekürzte Urlaubszeiten und Stundenlöhne zwischen vier und sechs Euro sind keine Ausnahme mehr.
Vor sechs Jahren begannen die ersten Kommunen damit, ihre privatisierten Betriebe wieder zu rekommunalisieren. Zu einer der Pionierstädte gehört die 52 000-Einwohner-Stadt Bergkamen in Westfalen. Bereits 2001 verstaatlichte die Verwaltung ihre Stadtreinigung. 2004 folgten Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgung und im Sommer 2006 die Müllentsorgung. »Dutzende Male hatten wir die Rekommunalisierung der Müllentsorgung durchgerechnet und kamen dann zu dem Ergebnis, dass wir dieselben Leistungen günstiger anbieten können«, so Bürgermeister Roland Schäfer (SPD). Die Kommune kündigte die Verträge mit dem privaten Entsorger, gründete die Entsorgungsbetriebe Bergkamen und investierte rund 1,6 Millionen Euro in neue Fahrzeuge. Seit dem 3. Juli 2006 sorgen 21 städtische Mitarbeiter dafür, dass die Mülltonnen pünktlich geleert werden. Während der ehemalige private Entsorger für diese Leistung rund 1,1 Millionen Euro verlangte, erbringt die Stadt die gleiche Leistung jetzt für 770 000 Euro. »Wir wussten, dass wir günstiger sein würden. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir 30 Prozent günstiger sind«, so Schäfer. Und verweist stolz darauf, dass sie Tariflöhne für die Müllarbeiter zahlen. Die Gründe, warum die Stadt so kostengünstig fährt, sind einfach: Sie zahlt keine Umsatzsteuer, keine teuren Vorstandsgehälter und muss lediglich kostendeckend arbeiten, während private Unternehmen Gewinne für die Eigentümer erwirtschaften müssen. Auch für die Bevölkerung zahlt sich der Eigentümerwechsel aus. So haben die Entsorgungsbetriebe Bergkamen inzwischen ihr Angebot an Dienstleistungen erweitert und gleichzeitig die Müllgebühren um rund elf Prozent gesenkt.
Die Rekommunalisierung der Betriebe in Bergkamen wurde zum Vorbild für viele andere Städte und Gemeinden und widerlegte eindrucksvoll die weit verbreitete Meinung: Die öffentliche Hand arbeite zu langsam, zu umständlich und zu teuer. So bringt die Rekommunalisierung der Müllentsorgung im Rhein-Sieg-Kreis eine Kostenersparnis von 800 000 Euro pro Jahr. Die Stadt Leichlingen im Rheinisch-Bergischen Kreis vergab die Müllabfuhr an die kommunale Tochter Avea; Kostenersparnis 370 000 Euro pro Jahr. In der Stadt Herzogenrath sparen die Bürger durch die Rekommunalisierung bis zu 35 Prozent bei Müllgebühren. Und nachdem ein Gericht den Weg für die Verstaatlichung der Müllentsorgung in der Stadt Freudenberg freimachte, bot der private Entsorger einen Preisnachlass von 30 Prozent an.
Die Großstädte Bochum und Dortmund haben mit Gelsenwasser sogar den einst größten Privatkonzern der hiesigen Wasserwirtschaft zurückgekauft. Ebenso erwarb die Stadt Potsdam 2001 ihre Anteile an der Wasserversorgung von einem privaten Konzern zurück, nachdem die Preise in drei Jahren um fast 80 Prozent gestiegen waren. In Fürstenwalde ist die Abwasserentsorgung wieder in kommunaler Hand. Bochum und Hamm investieren in eigene Kraftwerke, weil sie sich der Preispolitik der Stromriesen ausgeliefert fühlen. Und in Dortmund, Elmshorn und Freiburg werden Straßen, Schulen, Kindergärten, Büros und Bürgerhäuser wieder von kommunalen Angestellten gereinigt.
Nach der neuen Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen dürfen sich die Kommunen nur noch auf dringende öffentliche Kernaufgaben konzentrieren. Aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen droht den kommunalen Betrieben Ungemach, sondern auch bundesweit. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sieht »in der Verstaatlichung einen Rückschlag für die Marktwirtschaft« und will nicht tatenlos zusehen, wie seinen Mitgliedsunternehmen die Aufträge verloren gehen. Er reichte Beschwerde hei der EU-Kommission dagegen ein, dass Kommunalbetriebe im Gegensatz zu den Privatunternehmen von der 19-prozentigen Umsatzsteuer befreit sind. Schützenhilfe erhält der Verband von Hartmut Schauerte, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Auch er will die kommunalen Betriebe mit der Umsatzsteuer belasten.
So weht den kommunalen Betrieben der Wind ins Gesicht. Das weiß auch Bergkamens Bürgermeister Schäfer. Die Stadt will auch die Wasserversorgung wieder in eigener Regie betreiben. »Aber ob und wie uns das gelingt, ist zur Zeit noch offen«, so Schäfer, »denn die neue Gemeindeordnung wird die Möglichkeiten der Rekommunalisierung und die Wirtschaftsaktivitäten der Stadtwerke drastisch einschränken.«
Die Gesetzesnovelle kommt just zu einem Zeitpunkt, an dem in vielen Rathäusern ein radikales Umdenken einsetzt. Bisher galt es für viele Lokalpolitiker als nahezu selbstverständlich, das Haushaltsdefizit durch den Verkauf ihrer kommunalen Kliniken, Stadtwerke, Müllentsorgung oder Wohnungsbaugesellschaften zu sanieren vorausgesetzt, der Widerstand der Bürger vereitelte nicht ihre Pläne. Doch die Erfahrungen mit der Privatisierung zwingen inzwischen immer mehr Kommunalpolitiker zum Umdenken. Denn es erwies sich häufig als Trugschluss, dass die privaten Betreiber kompetenter, effizienter und kostengünstiger als die eigene Verwaltung seien. Im Gegenteil. Die Verkaufspreise und die hohen Renditeerwartungen der privaten Anbieter führten häufig zu einem sprunghaften Anstieg der Gebühren und Preise, trotz schlechter oder reduzierter Leistungen. Und wo sie günstiger als die kommunalen Betriebe arbeiten, geschieht dies häufig auf Kosten der Mitarbeiter; unbezahlte Überstunden, gekürzte Urlaubszeiten und Stundenlöhne zwischen vier und sechs Euro sind keine Ausnahme mehr.
Vor sechs Jahren begannen die ersten Kommunen damit, ihre privatisierten Betriebe wieder zu rekommunalisieren. Zu einer der Pionierstädte gehört die 52 000-Einwohner-Stadt Bergkamen in Westfalen. Bereits 2001 verstaatlichte die Verwaltung ihre Stadtreinigung. 2004 folgten Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgung und im Sommer 2006 die Müllentsorgung. »Dutzende Male hatten wir die Rekommunalisierung der Müllentsorgung durchgerechnet und kamen dann zu dem Ergebnis, dass wir dieselben Leistungen günstiger anbieten können«, so Bürgermeister Roland Schäfer (SPD). Die Kommune kündigte die Verträge mit dem privaten Entsorger, gründete die Entsorgungsbetriebe Bergkamen und investierte rund 1,6 Millionen Euro in neue Fahrzeuge. Seit dem 3. Juli 2006 sorgen 21 städtische Mitarbeiter dafür, dass die Mülltonnen pünktlich geleert werden. Während der ehemalige private Entsorger für diese Leistung rund 1,1 Millionen Euro verlangte, erbringt die Stadt die gleiche Leistung jetzt für 770 000 Euro. »Wir wussten, dass wir günstiger sein würden. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir 30 Prozent günstiger sind«, so Schäfer. Und verweist stolz darauf, dass sie Tariflöhne für die Müllarbeiter zahlen. Die Gründe, warum die Stadt so kostengünstig fährt, sind einfach: Sie zahlt keine Umsatzsteuer, keine teuren Vorstandsgehälter und muss lediglich kostendeckend arbeiten, während private Unternehmen Gewinne für die Eigentümer erwirtschaften müssen. Auch für die Bevölkerung zahlt sich der Eigentümerwechsel aus. So haben die Entsorgungsbetriebe Bergkamen inzwischen ihr Angebot an Dienstleistungen erweitert und gleichzeitig die Müllgebühren um rund elf Prozent gesenkt.
Die Rekommunalisierung der Betriebe in Bergkamen wurde zum Vorbild für viele andere Städte und Gemeinden und widerlegte eindrucksvoll die weit verbreitete Meinung: Die öffentliche Hand arbeite zu langsam, zu umständlich und zu teuer. So bringt die Rekommunalisierung der Müllentsorgung im Rhein-Sieg-Kreis eine Kostenersparnis von 800 000 Euro pro Jahr. Die Stadt Leichlingen im Rheinisch-Bergischen Kreis vergab die Müllabfuhr an die kommunale Tochter Avea; Kostenersparnis 370 000 Euro pro Jahr. In der Stadt Herzogenrath sparen die Bürger durch die Rekommunalisierung bis zu 35 Prozent bei Müllgebühren. Und nachdem ein Gericht den Weg für die Verstaatlichung der Müllentsorgung in der Stadt Freudenberg freimachte, bot der private Entsorger einen Preisnachlass von 30 Prozent an.
Die Großstädte Bochum und Dortmund haben mit Gelsenwasser sogar den einst größten Privatkonzern der hiesigen Wasserwirtschaft zurückgekauft. Ebenso erwarb die Stadt Potsdam 2001 ihre Anteile an der Wasserversorgung von einem privaten Konzern zurück, nachdem die Preise in drei Jahren um fast 80 Prozent gestiegen waren. In Fürstenwalde ist die Abwasserentsorgung wieder in kommunaler Hand. Bochum und Hamm investieren in eigene Kraftwerke, weil sie sich der Preispolitik der Stromriesen ausgeliefert fühlen. Und in Dortmund, Elmshorn und Freiburg werden Straßen, Schulen, Kindergärten, Büros und Bürgerhäuser wieder von kommunalen Angestellten gereinigt.
Nach der neuen Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen dürfen sich die Kommunen nur noch auf dringende öffentliche Kernaufgaben konzentrieren. Aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen droht den kommunalen Betrieben Ungemach, sondern auch bundesweit. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sieht »in der Verstaatlichung einen Rückschlag für die Marktwirtschaft« und will nicht tatenlos zusehen, wie seinen Mitgliedsunternehmen die Aufträge verloren gehen. Er reichte Beschwerde hei der EU-Kommission dagegen ein, dass Kommunalbetriebe im Gegensatz zu den Privatunternehmen von der 19-prozentigen Umsatzsteuer befreit sind. Schützenhilfe erhält der Verband von Hartmut Schauerte, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Auch er will die kommunalen Betriebe mit der Umsatzsteuer belasten.
So weht den kommunalen Betrieben der Wind ins Gesicht. Das weiß auch Bergkamens Bürgermeister Schäfer. Die Stadt will auch die Wasserversorgung wieder in eigener Regie betreiben. »Aber ob und wie uns das gelingt, ist zur Zeit noch offen«, so Schäfer, »denn die neue Gemeindeordnung wird die Möglichkeiten der Rekommunalisierung und die Wirtschaftsaktivitäten der Stadtwerke drastisch einschränken.«
aus Publik-Forum 19/07
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