Alle Helden sind grau
Robert Redford rechnet ab mit Bushs Amerika: Der Politfilm „Von Löwen und Lämmern“ startet am Donnerstag
Von Stefan Stosch
Für das Aufpolieren des amerikanischen Traums hat sich Robert Redford immer schon verantwortlich gefühlt. Ein Rückblick auf die Rollenauswahl des Hollywoodstars belegt das: In „Bill McKay – Der Kandidat“ (1972) brandmarkte er die Oberflächlichkeit der US-Wahlkampfmaschinerie. In „Die drei Tage des Condor“ (1975) war er ein CIA-Mann, dessen Vorgesetzte einen Krieg für Öl anzetteln wollten. In „Die Unbestechlichen“ (1976) enthüllte er als Reporter Bob Woodward den Watergate-Skandal. Und in „Quiz Show“ (1994) – nun als Regisseur – beleuchtete er Schiebereien in der Fernsehindustrie.
Dennoch galt Redford bislang zuerst als Sunnyboy. Damit könnte jetzt Schluss sein: Den 71-Jährigen hat der heilige Zorn auf sein Land – oder besser: seine Regierung – gepackt. Der Politfilm „Von Löwen und Lämmern“, seine siebte Regiearbeit (zuletzt inszenierte er vor sieben Jahren „Die Legende von Bagger Vance“), wird beherrscht von der Wut auf die Verantwortlichen in den USA.
Allerdings hat Redford seine Gefühle heruntergekühlt und in einen klug strukturierten Dialogfilm umgewandelt. So viel wird in „Von Löwen und Lämmern“ geredet, dass Freunde des üblichen Hollywood-Actionkinos wohl schnell Reißaus nehmen werden. Andere Zuschauer jedoch dürften sich an der intellektuellen Schärfe eines Films erfreuen, der die politische Wirklichkeit vorausgeahnt hat: Kürzlich erst schwadronierte der US-Präsident von einem Dritten Weltkrieg, und auch der Iran ist zwischenzeitlich ins Visier der amerikanischen Militärstrategen geraten. Beides wird in „Von Löwen und Lämmern“ angedeutet.
Das Drehbuch hat Matthew Michael Carnahan geschrieben. Das ist, man glaubt es kaum, derselbe Autor, der es gerade in dem Kriegsfilm „Operation: Kingdom“ im Dienste Amerikas so richtig krachen lässt. Hier entdeckt Carnahan Worte als Waffen.
In drei parallelen Handlungen beleuchtet Redford die amerikanische Misere. In einer Episode tritt er selbst als kalifornischer Soziologieprofessor auf, der einen desillusionierten Studenten dazu bringen will, sich politisch zu engagieren. Der linksliberale Professor hält ein Plädoyer gegen die Politikverdrossenheit einer Generation, die die kriegerischen Umtriebe der Regierung erst möglich machten: „Wenn sich niemand mehr für die Mächtigen interessiert, können sie machen, was sie wollen“, sagt er. Ob er damit zu dem Studenten durchdringt, lässt der Film offen. Zweifel sind erlaubt.
Zeitgleich begegnen sich in Washington ein aalglatter republikanischer Senator (Tom Cruise) und eine schlagfertige Reporterin (Meryl Streep). Er will ihr eine zweifelhafte Geheimstrategie für den Afghanistan-Krieg als Exklusivnachricht verkaufen. Sie versucht, ihn mit provozierenden Bemerkungen aus der Reserve zu locken – wird aber bald in die Defensive gedrängt und muss einräumen, dass die US-Medien ihren Posten als Korrektiv der Politik nach dem 11. September aus falsch verstandenem Patriotismus aufgegeben haben.
Der dritte Handlungsstrang führt in den Afghanistan-Krieg und nimmt exemplarisch das Scheitern aller Washingtoner Militärspiele vorweg: Zwei Soldaten einer versprengten US-Einheit sterben auf einem verschneiten Bergpass am Hindukusch den Heldentod. Im Angesicht des Feindes stellen sie sich mit leergeschossenen Waffen den Al-Qaida-Leuten.
Nur in diesem tödlichen Finale im Schneesturm demonstriert Redford ein letztes Mal amerikanisches Sendungsbewusstsein. Gerade deshalb sticht die Szene aus einem Film hervor, dem Pathos zuwider zu sein scheint: stille Verzweiflung, Resignation, Mutlosigkeit, wohin man blickt. Redford, der in so vielen Filmen erfolgreich für das bessere Amerika gekämpft hat, kann sich zu keiner Zuversicht durchringen. Er schreckt sogar davor zurück, eindeutig Böse oder Gute gegenüberzustellen. Bei ihm sind alle Helden grau. Der smarte Senator in Washington ist zwar ein Verblendeter, doch kein Unsympath, der Uniprofessor in seiner rhetorischen Erschöpfung keine Figur, mit der sich der Zuschauer identifizieren möchte, und auch der Journalistin scheint letztlich die Kraft zu fehlen, um für die politische Wahrheit zu streiten.
Bei der Berliner Premiere seines Films stellte sich Redford Ende Oktober der politischen Debatte: Der Hollywood-Regisseur diskutierte mit dem deutschen Exaußenminister Joschka Fischer. Das war mehr als ein klug gesetzter PR-Trick, es war ein echtes Anliegen Redfords: In den USA hat er seinen Film an Universitäten präsentiert – also dort, wo er das Publikum findet, das er aufrütteln möchte. Er selbst, das stellte er in Berlin klar, habe keine Antworten auf drängende Probleme im Nahen Osten und anderswo. Er habe zeigen wollen, wie die amerikanischen Werte in den Bush-Jahren mit Füßen getreten worden seien.
Der moralisch-didaktische Ansatz lastet zu sehr auf dem Film, als dass sich „Von Löwen und Lämmern“ zu einem cineastischen Meisterwerk emporschwingen könnte. Das Werk ist von der politischen Analyse eines Enttäuschten durchdrungen. Andererseits: So schlecht kann es um Amerika nicht stehen, wenn Amerikaner sich so sehr nach verlorenen Idealen sehnen.
Dennoch galt Redford bislang zuerst als Sunnyboy. Damit könnte jetzt Schluss sein: Den 71-Jährigen hat der heilige Zorn auf sein Land – oder besser: seine Regierung – gepackt. Der Politfilm „Von Löwen und Lämmern“, seine siebte Regiearbeit (zuletzt inszenierte er vor sieben Jahren „Die Legende von Bagger Vance“), wird beherrscht von der Wut auf die Verantwortlichen in den USA.
Allerdings hat Redford seine Gefühle heruntergekühlt und in einen klug strukturierten Dialogfilm umgewandelt. So viel wird in „Von Löwen und Lämmern“ geredet, dass Freunde des üblichen Hollywood-Actionkinos wohl schnell Reißaus nehmen werden. Andere Zuschauer jedoch dürften sich an der intellektuellen Schärfe eines Films erfreuen, der die politische Wirklichkeit vorausgeahnt hat: Kürzlich erst schwadronierte der US-Präsident von einem Dritten Weltkrieg, und auch der Iran ist zwischenzeitlich ins Visier der amerikanischen Militärstrategen geraten. Beides wird in „Von Löwen und Lämmern“ angedeutet.
Das Drehbuch hat Matthew Michael Carnahan geschrieben. Das ist, man glaubt es kaum, derselbe Autor, der es gerade in dem Kriegsfilm „Operation: Kingdom“ im Dienste Amerikas so richtig krachen lässt. Hier entdeckt Carnahan Worte als Waffen.
In drei parallelen Handlungen beleuchtet Redford die amerikanische Misere. In einer Episode tritt er selbst als kalifornischer Soziologieprofessor auf, der einen desillusionierten Studenten dazu bringen will, sich politisch zu engagieren. Der linksliberale Professor hält ein Plädoyer gegen die Politikverdrossenheit einer Generation, die die kriegerischen Umtriebe der Regierung erst möglich machten: „Wenn sich niemand mehr für die Mächtigen interessiert, können sie machen, was sie wollen“, sagt er. Ob er damit zu dem Studenten durchdringt, lässt der Film offen. Zweifel sind erlaubt.
Zeitgleich begegnen sich in Washington ein aalglatter republikanischer Senator (Tom Cruise) und eine schlagfertige Reporterin (Meryl Streep). Er will ihr eine zweifelhafte Geheimstrategie für den Afghanistan-Krieg als Exklusivnachricht verkaufen. Sie versucht, ihn mit provozierenden Bemerkungen aus der Reserve zu locken – wird aber bald in die Defensive gedrängt und muss einräumen, dass die US-Medien ihren Posten als Korrektiv der Politik nach dem 11. September aus falsch verstandenem Patriotismus aufgegeben haben.
Der dritte Handlungsstrang führt in den Afghanistan-Krieg und nimmt exemplarisch das Scheitern aller Washingtoner Militärspiele vorweg: Zwei Soldaten einer versprengten US-Einheit sterben auf einem verschneiten Bergpass am Hindukusch den Heldentod. Im Angesicht des Feindes stellen sie sich mit leergeschossenen Waffen den Al-Qaida-Leuten.
Nur in diesem tödlichen Finale im Schneesturm demonstriert Redford ein letztes Mal amerikanisches Sendungsbewusstsein. Gerade deshalb sticht die Szene aus einem Film hervor, dem Pathos zuwider zu sein scheint: stille Verzweiflung, Resignation, Mutlosigkeit, wohin man blickt. Redford, der in so vielen Filmen erfolgreich für das bessere Amerika gekämpft hat, kann sich zu keiner Zuversicht durchringen. Er schreckt sogar davor zurück, eindeutig Böse oder Gute gegenüberzustellen. Bei ihm sind alle Helden grau. Der smarte Senator in Washington ist zwar ein Verblendeter, doch kein Unsympath, der Uniprofessor in seiner rhetorischen Erschöpfung keine Figur, mit der sich der Zuschauer identifizieren möchte, und auch der Journalistin scheint letztlich die Kraft zu fehlen, um für die politische Wahrheit zu streiten.
Bei der Berliner Premiere seines Films stellte sich Redford Ende Oktober der politischen Debatte: Der Hollywood-Regisseur diskutierte mit dem deutschen Exaußenminister Joschka Fischer. Das war mehr als ein klug gesetzter PR-Trick, es war ein echtes Anliegen Redfords: In den USA hat er seinen Film an Universitäten präsentiert – also dort, wo er das Publikum findet, das er aufrütteln möchte. Er selbst, das stellte er in Berlin klar, habe keine Antworten auf drängende Probleme im Nahen Osten und anderswo. Er habe zeigen wollen, wie die amerikanischen Werte in den Bush-Jahren mit Füßen getreten worden seien.
Der moralisch-didaktische Ansatz lastet zu sehr auf dem Film, als dass sich „Von Löwen und Lämmern“ zu einem cineastischen Meisterwerk emporschwingen könnte. Das Werk ist von der politischen Analyse eines Enttäuschten durchdrungen. Andererseits: So schlecht kann es um Amerika nicht stehen, wenn Amerikaner sich so sehr nach verlorenen Idealen sehnen.
aus der HAZ vom 6.11.07
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