Donnerstag, 21. Februar 2008

Aus Ärzten werden Patienten

AKTUELLE STUDIE: Immer mehr Kollegen leiden unter der Belastung durch den Beruf

Der Arztberuf macht krank – dies belegen mittlerweile zahlreiche Studien. „Untersuchungen weisen darauf hin, dass viele Mediziner unter den Folgen ihrer beruflichen Belastungen leiden“, so Dr. Harald B. Jurkat vom Zentrum für Psychosomatische Medizin der Universität Gießen (DMW 133 [2008] 14-16). Und zwar erheblich! So hätten bereits acht Prozent der Befragten einer Studie zugegeben, zum Zeitpunkt der Befragung substanzabhängig gewesen zu sein, sechs Prozent gaben Alkoholmissbrauch an. Zwar würden Mediziner laut Expertenmeinung weniger Zigaretten und illegale Drogen konsumieren als die Allgemeinbevölkerung. „Dafür aber mehr Alkohol, Opiate und Benzodiazepine“, so Jurkat.

Auch die Suizidrate sei im Arztberuf exorbitant. „Es kann davon ausgegangen werden, dass die Suizidrate fast doppelt so hoch ist wie in der Allgemeinbevölkerung.“ Die Medizinerinnen seien im Vergleich stärker betroffen als ihre männlichen Kollegen. „Die Suizidraten waren im Vergleich zu den Zahlen in der weiblichen Allgemeinbevölkerung bis zum 5,7-Fachen höher“, führt Jurkat aus.

Aufgrund des Lebensstils mit langen Arbeitszeiten, hoher beruflicher Verantwortung und wenig Freizeit fühle sich ein Großteil der Mediziner in der eigenen psychischen und physischen Gesundheit beeinträchtigt. „Extreme Arbeitszeiten in Verbindung mit hohem Zeitdruck wirken sich ungünstig auf die Lebensqualität aus. Dies betrifft vor allem diejenigen, die 70 und mehr Stunden arbeiten, im Vergleich zu denjenigen, die 55 und weniger Stunden arbeiten“, so der Experte.

Große Unterschiede lassen sich im Vergleich von Niedergelassenen in Einzelpraxis und Mitgliedern einer Gemeinschaftspraxis in Bezug auf Zufriedenheit und psychischen Zustand feststellen. Ärzte in Solo-Praxen waren bei Weitem nicht so ausgeglichen wie gemeinsam arbeitende Kollegen. „Mediziner in Gemeinschaftspraxen erreichten im psychischen Bereich noch den Bevölkerungsdurchschnitt gleichen Alters und liegen somit bezüglich ihrer selbst angegebenen gesundheitsbezogenen Lebensqualität an zweiter Stelle nach den Chefärzten.“

Jurkat warnt: „Im Hinblick auf Veränderungsmöglichkeiten muss kritisch angemerkt werden, dass gesundheitspolitische Strukturen wie ständige Sparmaßnahmen, eingeschränkte Niederlassungsmöglichkeiten und zunehmende Verwaltungstätigkeiten Mitverursacher für die Beeinträchtigung der Lebensqualität von Ärzten sind.“

Ein weiteres Problem spricht Dr. Bernhard Mäulen, Institut für Ärztegesundheit in Villingen-Schwenningen, an: „Die meisten Ärzte haben in ihrem Studium gelernt, sich um ihre Patienten zu kümmern. Die eigene Gesundheit ist etwas, was sie als selbstverständlich betrachten“, so Mäulen. Immerhin seien viele Kollegen bereit einzusehen, dass sich die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen negativ auswirken. Mäulen: „Meist wird aber weiter hart gearbeitet und die nötige Vorsorge nicht am eigenen Leib praktiziert.“ Alexa Fuchswinke

Fazit
Andere Leute zu heilen – das ist ein Beruf, der die Heller selbst krank macht. Die Suchtrate ist hoch: Acht Prozent sind von Substanzen, sechs Prozent alkoholabhängig. Die Suizidrate liegt im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung bei Ärzten 1,3- bis 3,4-, unter Ärztinnen 2,5- bis 5,7-fach höher.
aus Ärztliche Praxis Nr. 8, 19. Februar 2008

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