Freitag, 29. August 2008

Felder, der vierte und letzte

Ich habe mich ja lange gedrückt. Es ist ja auch schon viel gesagt worden, und vieles von dem, was gesagt worden ist, ist verkehrt. Das mag mir andererseits aber auch als Anregung dienen, weil, was kann ich dann noch verkehrt machen. Also:

Die beiden ersten Feldartikel (zum ersten, zum zweiten) bezogen sich auf physikalische Felder, und der Sinn des Gebrauchs des Begriffes „Feld“, wie ihn Richard Feyman erklärt ist: „Ein wirkliches Feld ist eine mathematische Funktion, die wir verwenden, um die Vorstellung der Fernwirkung zu vermeiden.“ (zitiert nach wikipidia)

Der dritte Artikel ist der Abdruck eines Vortrags, den Rupert Sheldrake Anfang der 80er Jahre gehalten hat. Nachdem sich inzwischen die Hypothese von morphogenetischen Feldern als falsch erwiesen hat, reitet er inzwischen auf morphischen Feldern herum, die er aber in den letzten zwanzig Jahren nicht nachzuweisen imstande war. Diese Tatsache spricht für sich.

Sheldrakes Felder sind Zwitter, sie sind nicht genau zuzuordnen. Was nicht zuzuordnen ist, bietet Chancen, sowohl für die Wissenschaft als auch für die Pseudowissenschaft. Nun gibt es bekannte Leute (wie C. G. Jung oder den Physiker Wolfgang Pauli), die seltsame Erlebnisse hatten, oder mit deren Person seltsame Ereignisse in Zusammenhang gebracht werden. Dazu später

Zuerst noch einmal einen Punkt der Definition von Cornelis de Jager für Pseudowissenschaft:
»… [Sie] zieht Koinzidenz und Korrelation zur Beweisführung heran und verwechselt Korrelation mit Kausalität.«

Es bedeuten:
Koinzidenz – ein meist zeitliches, manchmal ein räumliches Zusammentreffen von Ereignissen. Die Physik unterscheidet zwischen wahren und zufälligen Koinzidenzen. Bei einer wahren Koinzidenz ist ein einziger physikalischer Vorgang Ursache beider Detektorsignale, bei einer zufälligen zwei verschiedene und voneinander unabhängig eintretende Vorgänge. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet Koinzidenz das gleichzeitige Auftreten von zwei (oder mehr) Ereignissen, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen ihnen zwar nicht bekannt ist, aber vermutet oder diskutiert wird.

Korrelation – ist eine Beziehung zwischen zwei oder mehr statistischen Variablen. Wenn sie besteht, ist noch nicht gesagt, ob eine Größe die andere kausal beeinflusst, ob beide von einer dritten Größe kausal abhängen oder ob sich überhaupt ein Kausalzusammenhang folgern lässt. Aus dem Wikipedia-Artikel:

Die Korrelation beschreibt aber nicht unbedingt eine Ursache-Wirkungs-Beziehung in die eine oder andere Richtung. So darf man über die Tatsache, dass man Feuerwehren oft bei Bränden findet, nicht folgern, dass Feuerwehren die Ursachen für Brände seien. (Anmerkung von mir: die andere Richtung würde stimmen.)

Die direkte Kausalität kann auch gänzlich fehlen. So kann es durchaus eine Korrelation zwischen dem Rückgang der Störche im Burgenland und einem Rückgang der Anzahl Neugeborener geben, diese Ereignisse haben aber nichts miteinander zu tun – weder bringen Störche Kinder noch umgekehrt. Das heißt, sie haben kausal allenfalls über eine dritte Größe etwas miteinander zu tun, etwa über die Verstädterung, die sowohl Nistplätze vernichtet als auch Kleinstfamilien fördert.
[…]
In der Presse finden sich häufig Korrelationen, deren Präsentation eine Kausalität suggeriert: [Achtung, das heißt nicht, daß keine Kausalität besteht, es geht nur um die Suggestion]
• Größere Leute verdienen mehr (baz, 25. Oktober 2003)
• Je mehr Lärm im Haus, desto dümmer die Kinder (baz, 4. September 2004)
• Rauchen schadet Ihrer Intelligenz (20min, 17. Dezember 2004)
• Kreative haben mehr Sex (St. Galler Tagblatt, 1. Dezember 2005)
• Glückliche Menschen sind gesünder (20min, 19. April 2005)
• Sozial engagierte Menschen haben einen besseren Gesundheitszustand (benevol SPECTRUM, Mai 2006)
• Senkung der Arbeitslosigkeit erfordert starkes Wirtschaftswachstum (Schlussfolgerung aus der konjunkturellen Korrelation Wirtschaftswachstum/Arbeitslosigkeit – Okunsches Gesetz)

Kausale Fehlschlüsse aus Korrelationen bezeichnet man als »cum hoc ergo propter hoc«.

Zurück zu C. G. Jung und Wolfgang Pauli
Jung prägte den Begriff der Synchronizität (an dem soll Pauli mitgewirkt haben); zwei Ereignisse sollen ihn zum Nachdenken darüber bewogen haben:

1. „Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen Skarabäus zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen.“ (Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 497.) [zitiert nach Wikipedia]

2. Schon im Jahre 1909, also gerade mal zwei Jahre nach ihrem ersten Zusammentreffen, gab es starke Spannungen innerhalb ihrer Beziehung und Freud begann Jung wegen seines Interesses an Spiritualität zu rügen. Einmal während eines Gespräches, in dem wieder eine solche Bemerkung fiel, verspürte Jung ein glühend heißes Empfinden in seinem Zwerchfell und im selben Moment fiel ein Buch aus einem Regal. C.G. Jung bezeichnete dies als in Zusammenhang mit diesem Gespräch stehend, was Freud mit der Bemerkung: „…völliger Quatsch“ abtat.

(aus einem Text von Rudolf Engemann; das tatsächliche Geschehen ist allerdings anscheinend der Stillen Post zum Opfer gefallen, weswegen ich im Folgenden Jungs Originaltext zitiere [aus Jaffée (Hg.) Erinnerungen, Träume, Gedanken])

Es interessierte mich, Freuds Ansichten über Praekognition und über Parapsychologie im allgemeinen zu hören. Als ich ihn im Jahre 1909 in Wien besuchte, fragte ich ihn, wie er darüber dachte. Aus seinem materialistischen Vorurteil heraus lehnte er diesen ganzen Fragenkomplex als Unsinn ab und berief sich dabei auf einen dermaßen oberflächlichen Positivismus, daß ich Mühe hatte, ihm nicht allzu scharf zu entgegnen. Es vergingen noch einige Jahre, bis Freud die Ernsthaftigkeit der Parapsychologie und die Tatsächlichkeit »okkulter« Phänomene anerkannte.
Während Freud seine Argumente vorbrachte, hatte ich eine merkwürdige Empfindung. Es schien mir, als ob mein Zwerchfell aus Eisen bestünde und glühend würde – ein glühendes Zwerchfellgewölbe. Und in diesem Augenblick ertönte ein solcher Krach im Bücherschrank, der unmittelbar neben uns stand, daß wir beide furchtbar erschraken. Wir dachten, der Schrank fiele über uns zusammen. Genauso hatte es getönt. Ich sagte zu Freud: »Das ist jetzt ein sogenanntes katalytisches Exteriorisationsphänomen.«
»Ach«, sagte er, »das ist ja ein leibhaftiger Unsinn!«
»Aber nein«, erwiderte ich, »Sie irren, Herr Professor. Und zum Beweis, daß ich recht habe, sage ich nun voraus, daß es gleich nochmals so einen Krach geben wird!« - Und tatsächlich: kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, begann der gleiche Krach im Schrank!
Ich weiß heute noch nicht, woher ich diese Sicherheit nahm. Aber ich wußte mit Bestimmtheit, daß das Krachen sich wiederholen würde. Freud hat mich nur entsetzt angeschaut. Ich weiß nicht, was er dachte, oder was er schaute! Auf jeden Fall hat dieses Erlebnis sein Mißtrauen gegen mich geweckt, und ich hatte das Gefühl, ihm etwas angetan zu haben. Ich sprach nie mehr mit ihm darüber.

Ein kleiner Ausflug: Als ich den Engemann-Text, den es auch als PDF-Datei gibt, zum zweiten Mal herunterladen wollte – die erste Version hatte ich aus Versehen gelöscht – konnte ich die PDF-Datei nicht mehr sichern, mehrmals erschien die Datei im Download-Fenster als heruntergeladen, am Speicherort konnte ich sie jedoch nicht finden. Ich wollte schon an ein neues Beispiel für Synchronizität denken, da merkte ich, daß ich inzwischen die Internet-Verbindung getrennt hatte: es konnte also gar nicht funktionieren.

Pauli prägte den Begriff des Pauli-Effektes, dieser läßt sich bei Wikipedia nachlesen. Es geht bei diesem um die mit Schmunzeln zur Kenntnis genommene Tatsache, daß in Paulis Gegenwart häufig z. T. teure Apparaturen zu Bruch gingen, weswegen ihm der Physiker Otto Stern Labor-Verbot erteilte. Pauli soll von dem Effekt überzeugt gewesen sein.

Bei diesen Dingen verlassen wir den Bereich der Physik. Wenn wir also hier von Feldern sprechen, handelt es sich nicht um physikalische Felder. Es geht um das sogenannte psychophysische Problem. C. G. Jung führt dazu den alchemistischen Begriff „unus mundus“ (Eine Welt) wieder ein, Pauli nennt es psychophysische Einheitswirklichkeit.

Um es ganz klar zu sagen: Es ist meiner Meinung nach im Prinzip möglich, daß der Geist die Materie beeinflußt. (Ob dies über Neutrinos, Bosonen oder eine Fernwirkung geschieht, ist mir völlig egal.) Ich glaube aber nicht, daß solche Möglichkeiten oder Fähigkeiten wissenschaftlich reproduzierbar sind. Ich glaube, daß, wenn ich nur genug gebetet oder meditiert oder TaiJi oder sonstwas gemacht habe, mein Geist in eine Region gerät, in der die Wahrscheinlichkeit, daß solche Dinge geschehen, erhöht wird. Ich glaube aber nicht, daß eine Kontrolle über solche Phänomene erlangt werden kann. Und wenn doch eine Kontrolle darüber erlangt werden kann, existiert die Frage, ob eine Kontrolle darüber erlangt ist, nicht mehr.


Aber darum geht es nicht. Die wirkliche Frage ist: Unter welchen Voraussetzungen darf ich über psychische Felder reden? (Ich verwende den Begriff psychophysisch mit Absicht nicht.)

Was auf der psychischen Ebene geschieht, ist so hochkomplex, daß es mit der physikalischen Erforschung der Fallgesetze nicht verglichen werden kann.

Die Antwort lautet deshalb
1. wenn ich das, was geschieht, nicht auf eine einfachere Art beschreiben kann,
2. wenn in der Kommunikation deutlich ist, daß ich über meine eigene (subjektive) Wahrnehmung der Welt rede und
3. wenn ich mir der Tatsache bewußt bin, daß das, was ich sage, nicht beweisbar ist.

Zwar sagt Wittgenstein (im Tactatus Logico-Philosophicus, 1921) „Alles, was sich sagen, lässt sich klar sagen, wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Jedoch ist Andreas Arndt (Dialektik und Reflexion, 1994, S. 312) der Meinung, daß Wittgenstein die Absicht verfolgte, durch diese Grenzziehung „jenseits der Philosophie Raum zu gewinnen für die Mystik“.

99% dessen, was über Mystik gesagt wird, ist Geschwätz. Das sollte einen aber nicht davon abhalten, es zu versuchen.

Eine Schlußbemerkung für Kon Fu Sius:
1. Grundsätzlich haben wir keinen direkten Zugang zur Wahrheit. (von mir: soweit war Platon schon)
2. Wir können jedoch gar keinen radikalen Zweifel durchführen, weil wir hierzu Gewissheiten benötigen und weil uns zum Zweifeln oft die Gründe fehlen. Nur wenn ein Zweifel Teil des Sprachspiels und dieses wiederum Element der Lebensform ist, ist ein Zweifel möglich.
3. Dem Skeptiker, der an allem zweifeln möchte, darf somit keine klassische Antwort gegeben werden. Es geht Wittgenstein eher um eine therapeutische Behandlung des Zweifels, indem die Grundlosigkeit und die Unnötigkeit sowie schließlich die Unmöglichkeit des Zweifels aufgezeigt werden.

(aus dem Wikipedia-Artikel »Über Gewißheit«, dem letzten Werk Wittgensteins, an dem er bis zwei Tage vor seinem Tode noch gearbeitet hat; also wenn das nicht klar ist…)

1 Kommentar:

  1. 99% dessen, was über Mystik gesagt wird, ist Geschwätz....
    Jedwede Information, und es ist jetzt völlig gleich, was wir als eine Information definieren wollen, bedarf eines Mediums, um sie zu übermitteln. Mitunter mag der Container im Verhältnis zum Inhalt unvergleichlich groß erscheinen. Man braucht ungeheuer mächtige und komplizierte Apparaturen um ein Photon zu isolieren und für die Mystik braucht man anscheinend 99% Geschwätz. Nicht nur für die Mystik...


    "Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig."

    Ludwig Wittgenstein

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