Hitlers Steuerschuld
München, Frühjahr 1934: Im Finanzamt München-Ost im Alten Hof in der Burgstraße sitzt Steuerinspektor Vogt und hat ein gewaltiges Problem. Der gewissenhafte Beamte bearbeitet den Buchstaben H. H wie Hitler. Der Reichskanzler ist in der bayerischen Landeshauptstadt polizeilich gemeldet – und ein ganz normaler Steurbürger, so sieht es zumindest Herr Vogl. Doch auf seine Nachfragen stellt sich die Reichskanzlei in Berlin taub. Hitlers Steuerschuld ist erheblich: Der nach eigenem Verlauten höchst bescheidene Diener des deutschen Volkes ist im Jahr seiner »Machtübernahme« bereits Millionär. Vor allem sein Pamphlet »Mein Kampf« hat ihm allein 1933 Einkünfte von 1,2 Millionen Reichsmark (RM) beschert.
Das Finanzamt errechnete in einem Entwurf den Steuerrückstand Adolf Hitlers für 1933/34 |
Nach einigem Hin und Her schaltet sich das Finanzministerium ein und macht schließlich einen Kompromissvorschlag: Hitler soll die Hälfte seiner Jahreseinnahmen als Werbungskosten absetzen dürfen. Damit verbleibt für 1933 immer noch eine Steuerschuld von 297.000 EM. Dazu kommt die Forderung, für 1934 eine Vorauszahlung von 400.000 RM zu leisten. Die Zahlungsfrist verstreicht, fünf Mahnschreiben an Hitlers Sekretariat bleiben ohne Antwort – der »Führer« des Deutschen Reichs denkt gar nicht daran, die geforderten Summen zu begleichen. Stattdessen lässt er endgültig Nägel mit Köpfen machen. Hitler sei »im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Stellung nicht steuerpflichtig«, heißt es bald aus dem Finanzministerium.
Kurz vor Weihnachten 1934 schreibt der Münchner Oberfinanzpräsident Ludwig Mirre dann an Vogls Vorgesetzten: »Alle Steuerbescheide sind, soweit sie eine Pflicht des Führers begründen würden, von vornherein nichtig. Der Führer ist damit steuerfrei!« Die Steuerakte wird aus dem Verkehr gezogen und unter Verschluss genommen. Der Deal zulasten der Staatskasse lohnt sich für Hitler: Als Reichskanzler hat er nie Steuern bezahlt. Und es lohnt sich für Mirre: Er bekommt als Dank für seine freundliche Hilfe 2000 RM monatlich zu seinem Beamtengehalt hinzu – steuerfrei, versteht sich.
Hitler als Steuersünder – dies mag angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen des NS-Regimes als unbedeutende Episode erscheinen. Und doch ist es symptomatisch für die korrumpierende Wirkung, die das NS-Herrschaftssystem von Beginn an auf die staatlichen Strukturen des Dritten Reichs hatte. Überall fanden sich bereitwillige Helfer, die gegen entsprechende Pfründen Geld, Karriere, Einfluss - gern mitmachten.
[…]
Hitlers Reichtum
Die von Hitler selbst gestrickte Legendu vom asketischen, opferbereiten, selbstlosen »Führer« im Dienste seines Volkes ist so langlebig wie falsch. Der nach außen zur Schau gestellte spartanische Lebensstil Hitlers, die öffentlich gepriesene persönliche Bescheidenheit des »Führers« – da alles war Teil einer Inszenierung die mit der Realität wenig zu tun hatte.
Als er 1945 gemeinsam mit seiner kurz zu vor angetrauten Ehefrau Eva Braun im Berliner Bunker Selbstmord beging, war er ein schwerreicher Mann. Schon zu Beginn seincr »Karriere« hatte der NS-Agitator über geügend Einkünfte verfügt – wohlhabend Gönner aus der Industrie finanzierten ihn heimlich. Als er an der Macht war, nahm dc Geldstrom kein Ende: Acht Millione Reichsmark flossen als Tantiemen für sein Buch »Mein Kampf« – das Machwerk wurde vom Staat als Geschenk an alle Neuvermählten überreicht. Anteile am Verkauf von Briefmarken mit Hitlers Porträt, Einnahmen von Fotos, auf denen er abgebildet war, Erbschaften von Parteigenossen: All das landete in den Taschen des Reichskanzlers und Reichspräsidenten, der zudem ab 1934 für beide Ämter Vergütungen kassierte – natürlich weiterhin alles steuerfrei.
Diese Summen verblassen jedoch angesichts der Gelder, die er von anderer Seite erhielt. Die deutsche Industrie beschloss auf Initiative von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, dem Diktator ein Geschenk zu machen – dafür, dass fortan in Deutschland jegliche Gefahr linker Experimente gebannt war, dass im NS-Staat die Gewerkschaften zerschlagen wurden, dass die Löhne und Gehälter auf dein Stand von 1933 eingefroren blieben und dass lukrative Rüstungsprogramme aufgelegt wurden.
Das »Interessenbündnis auf Gegenseitigkeit« zwischen den Unternehmerverbänden und den neuen Machthabern wurde durch eine großzügige Geste der Konzernherren besiegelt – die »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft«. Anfangs noch freiwillig, sollte jeder Arbeitgeber 0,5 Prozent seiner Lohnkosten spenden; in den folgenden Jahren entwickelte sich die Spende zu einer Zwangsabgabe. Das Geld floss in einen Privatfonds, der zur freien Verwendung des »Führers« bereitstand. Bis 1945 kamen so 700 Millionen Reichsmark zusammen. Hitler brauchte keinerlei Rechenschaft über seine Verwendung dieser Mittel abzulegen. Versteuern musste er auch dieses Geld selbstverständlich nicht.
Fortan wurde der Geldhahn aufgedreht, wenn der »Führer« teure private Wünsche und Projekte realisieren wollte. Nun war es an Hitler, kostspielige Geschenke zu machen. Maler und Bildhauer wurden ebenso bedacht wie prominente Staatsdiener und Parteigrößen. »Das ermöglichte Hitler, den Lebensstandard seiner Paladine zu bestimmen und wie ein absoluter Monarch durch Hergabe von Geldern und Geschenken zu belohnen oder durch Verweigerung von Mitteln zu strafen», schreibt Autor Wulf Schwarzwäller in einer Studie über Adolf Hitlers Finanzgebaren.
In erster Linie aber beschenkte sich Hitler selbst. Denn nun konnte er fast uneingeschränkt jene Interessen pflegen, die ihn schon in frühen Iahren in Wien umgetrieben hatten: die Liebe zur Kunst und das Interesse an der Architektur.
Zunächst lebte er seine Vorstellungen von Stil und Größe als Bauherr aus. Sein bescheidener Landsitz in Berchtesgaden wurde zu einem der persönlichsten Projekte Hitlers – er ließ das Anwesen zu seiner Privatresidenz umbauen. Groß und vom Feinsten musste alles sein. Protz und Privatmarotte paarten sich zu einem teuren Ausdruck absoluter Macht. Insgesamt haben die Baumaßnahmen am Obersalzberg 100 Millionen RM gekostet. Das meiste – bis auf den Umbau von Hitlers privatem Berghof – kam aus dem Fonds der »Adolf-Hitler-Spende«.
Auch ein Projekt von anderer Dimension sollte bald Unmengen von Geld verschlingen. Hitler wollte seine Heimatstadt Linz zu einer »Perle an der Donau« machen und großartig umbauen. Sein ganz persönlicher Beitrag sollte ein »Führer-Museum« werden, wo sich nach Hitlers Willen nur das »Beste aus allen Gebieten« finden sollte. Der selbst ernannte Kunstmäzen bedang sich ein Vorkaufsrecht für den gesamten Kunstmarkt aus und schickte seine Beauftragten mit gefüllten Geldschatullen durch das besetzte Europa. Die meisten der für Linz bestimmten Kunstwerke hatten vorher jüdischen Besitzern gehört. Diese wurden meist nicht einfach enteignet. Doch man konnte »Zwangsverkäufe« anordnen. Um der Form zu genügen, musste also Geld fließen, zumeist wurden marktübliche Preise gezahlt. Dass die ursprünglichen Besitzer von diesem Geld nicht profitierten, weil sie sich quasi freikaufen mussten, steht auf einem anderen Blatt.
Am Ende hatte der »Sonderauftrag Linz« die fantastische Summe von 130 Millionen RM verschlungen. Zu sehen bekamen die Deutschen die zusammengeraubten Kunstwerke übrigens nie. 1943 verschwanden sie in bombensicheren Depots. Bei Kriegsende wurden sie von amerikanischen Truppen entdeckt, die sich bemühten, sie an rechtmäßige Besitzer zurückzugeben. Doch noch immer gibt es ein Depot am Rande von Berlin, in dem einige Dutzend Werke aus Hitlers Sammlung auf die Rückgabe harren.
Auch am Verkauf von Briefmarken verdiente Hitler |
Diese Summen verblassen jedoch angesichts der Gelder, die er von anderer Seite erhielt. Die deutsche Industrie beschloss auf Initiative von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, dem Diktator ein Geschenk zu machen – dafür, dass fortan in Deutschland jegliche Gefahr linker Experimente gebannt war, dass im NS-Staat die Gewerkschaften zerschlagen wurden, dass die Löhne und Gehälter auf dein Stand von 1933 eingefroren blieben und dass lukrative Rüstungsprogramme aufgelegt wurden.
Das »Interessenbündnis auf Gegenseitigkeit« zwischen den Unternehmerverbänden und den neuen Machthabern wurde durch eine großzügige Geste der Konzernherren besiegelt – die »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft«. Anfangs noch freiwillig, sollte jeder Arbeitgeber 0,5 Prozent seiner Lohnkosten spenden; in den folgenden Jahren entwickelte sich die Spende zu einer Zwangsabgabe. Das Geld floss in einen Privatfonds, der zur freien Verwendung des »Führers« bereitstand. Bis 1945 kamen so 700 Millionen Reichsmark zusammen. Hitler brauchte keinerlei Rechenschaft über seine Verwendung dieser Mittel abzulegen. Versteuern musste er auch dieses Geld selbstverständlich nicht.
Fortan wurde der Geldhahn aufgedreht, wenn der »Führer« teure private Wünsche und Projekte realisieren wollte. Nun war es an Hitler, kostspielige Geschenke zu machen. Maler und Bildhauer wurden ebenso bedacht wie prominente Staatsdiener und Parteigrößen. »Das ermöglichte Hitler, den Lebensstandard seiner Paladine zu bestimmen und wie ein absoluter Monarch durch Hergabe von Geldern und Geschenken zu belohnen oder durch Verweigerung von Mitteln zu strafen», schreibt Autor Wulf Schwarzwäller in einer Studie über Adolf Hitlers Finanzgebaren.
In erster Linie aber beschenkte sich Hitler selbst. Denn nun konnte er fast uneingeschränkt jene Interessen pflegen, die ihn schon in frühen Iahren in Wien umgetrieben hatten: die Liebe zur Kunst und das Interesse an der Architektur.
Zunächst lebte er seine Vorstellungen von Stil und Größe als Bauherr aus. Sein bescheidener Landsitz in Berchtesgaden wurde zu einem der persönlichsten Projekte Hitlers – er ließ das Anwesen zu seiner Privatresidenz umbauen. Groß und vom Feinsten musste alles sein. Protz und Privatmarotte paarten sich zu einem teuren Ausdruck absoluter Macht. Insgesamt haben die Baumaßnahmen am Obersalzberg 100 Millionen RM gekostet. Das meiste – bis auf den Umbau von Hitlers privatem Berghof – kam aus dem Fonds der »Adolf-Hitler-Spende«.
Auch ein Projekt von anderer Dimension sollte bald Unmengen von Geld verschlingen. Hitler wollte seine Heimatstadt Linz zu einer »Perle an der Donau« machen und großartig umbauen. Sein ganz persönlicher Beitrag sollte ein »Führer-Museum« werden, wo sich nach Hitlers Willen nur das »Beste aus allen Gebieten« finden sollte. Der selbst ernannte Kunstmäzen bedang sich ein Vorkaufsrecht für den gesamten Kunstmarkt aus und schickte seine Beauftragten mit gefüllten Geldschatullen durch das besetzte Europa. Die meisten der für Linz bestimmten Kunstwerke hatten vorher jüdischen Besitzern gehört. Diese wurden meist nicht einfach enteignet. Doch man konnte »Zwangsverkäufe« anordnen. Um der Form zu genügen, musste also Geld fließen, zumeist wurden marktübliche Preise gezahlt. Dass die ursprünglichen Besitzer von diesem Geld nicht profitierten, weil sie sich quasi freikaufen mussten, steht auf einem anderen Blatt.
Am Ende hatte der »Sonderauftrag Linz« die fantastische Summe von 130 Millionen RM verschlungen. Zu sehen bekamen die Deutschen die zusammengeraubten Kunstwerke übrigens nie. 1943 verschwanden sie in bombensicheren Depots. Bei Kriegsende wurden sie von amerikanischen Truppen entdeckt, die sich bemühten, sie an rechtmäßige Besitzer zurückzugeben. Doch noch immer gibt es ein Depot am Rande von Berlin, in dem einige Dutzend Werke aus Hitlers Sammlung auf die Rückgabe harren.
GUIDO KNOPP, Die letzten Geheimnisse des Dritten Reiches, Hör Zu Wissen, 5/2011
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