(letzter Post vom 22.11.2013: PROstitution, dort weitere Links)
Auf ZEIT-Online findet sich der Artikel eines Freiers:
Wo bleibt die Kundschaft?
Bemerkenswert die Kommentare
Kostproben:
Wir leben im 21. Jahrhundert in Deutschland. Es war noch nie so einfach, Sex zu bekommen, ohne Moralwächter, staatliche und gesellschaftliche Zwänge. Frauen wollen wirklich nicht mehr umbedingt gleich geheiratet werden. Es reicht, sich nicht wie ein Ekelpaket aufzuführen. Aber schon dieser minimale Aufwand ist dem Herrn zuviel. Da zahlt er lieber, damit sie stillhält. Aber er "wertschätzt" Prostituierte, wie edel. [...] [ don_rumata, 28. November 2013 3:15 Uhr]
Die Frage, warum Sie es nicht schaffen oder nicht wollen, eine Frau zu finden, mit der Sie Sex und Seele in Einklang bringen können (perfekt wird das nie sein), ist Ihre Sache. Nur drüber nachdenken sollten Sie mal. Für Ihre Lust und Zufriedenheit ist Bedingung, über ordentlich Geld zu verfügen. Das ist nicht moralisch gemeint, sondern im Sinne eines erfüllten Lebens. [TDU 28. November 2013 9:32 Uhr]
Das ist ein glatter Artikel, der jedoch nichts wirklich offenlegt. Freier am runden Tisch vertreten nichts anderes als ihre eigene Position. Um diese geht es aber nicht. Die Wurzeln der sg. Sexarbeit sind Herrscher und Sklavinnen. Nach dem Lebensweg der Frauen, der sie bewußt oder unbewußt im Bordell ankommen lässt, fragt auch der Autor nicht. Wann und wie erlebt die/der Betroffene die eigene Ich-Erfahrung? Um einen Traumberuf der Frauen handelt es sich doch eher nicht. [ameliebott 28. November 2013 10:09 Uhr]
Das dürfte reichen: Wer anders ist, ist verkehrt und unmoralisch.
Ein Kommentator empfahl, oben genannten Artikel zu diesem hier parallel zu lesen:
Eine Stunde Tanja (ZEIT vom 21.11.2013)
Zu meinem freudigen Erstaunen wurden die Kommentare mit der Zeit reflektierter.
Zu meiner Freude hat auch die eloquente Undine de Rivière mitgemischt…
In dem Sexwork-Verein sitzt der kleine privilegierte Anteil derer, die Sex anbieten, plus Freier und Bordellbetreiber*innen. An sich kein Problem und ich würde selbigen auch wünschen, dass sie problemlos ihrer Tätigkeit nachgehen können. Da sie aber, statt einfach für sich zu sprechen, behaupten, für die gesamte Branche zu sprechen und dabei Zwangs-und Armutsprostitution systematisch verharmlosen, haben sie bei mir längst ihren Glaubwürdigkeitskredit verspielt. [Ms Poppins 30. November 2013 13:20 Uhr]
Antwort Undine:
Ich wünschte, meine Welt wäre auch so simpel.
Mit einem kleinen Klick auf meinen Usernamen rechts oben könnte sich das heilige Mysterium meiner Identität möglicherweise lösen lassen. :) Aber es ist schön, dass Sie wissen, wer in im Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen so alles engagiert ist, warum sich wer in welche Diskussion einbringt, und welche Motivationen wen antreiben. Verschwörungstherorien können ein tolles Hobby sein, zugegeben! [UdR 30. November 2013 15:03 Uhr]
Der Trieb der Freier ist das Glück der Prostituierten Stellen wir uns mal für einen Moment unseren Planeten in einem Paralleluniversum vor, wo es KEINE Prostitution gibt: Nein, NICHT deshalb, weil Prostitution dort verboten wäre und bestraft würde. Oder deshalb, weil dort die Männer sich ganz "anständig-heroisch" ihre sexuellen Bedürfnisse "verkneifen". Sondern einfach deshalb, weil in dieser Parallelwelt von VORNEHEREIN die sexuellen Bedürfnisse des Mannes entweder genauso sind wie in unserer Welt die sexuellen Bedürfnisse der Frau - oder aber die Bedürfnisse der Frau so sind wie in unserer Welt die des Mannes. In beiden Fällen wäre Prostitution, ebenso wie ein Verbot der Prostitution, überflüssig, denn es wäre ja von vorneherein gar nicht erst ein BEDARF danach da. Die Tatsache, dass die sexuellen Bedürfnisse von Frauen und Männern scheinbar so stark divergieren ermöglicht doch den Prostituierten überhaupt erst ihre lukrative Tätigkeit. Ich meine, man kann es doch auch mal andersherum sehen: Wenn NICHT so viele Männer "sexuell ausgehungert" wären, dass sie zu Prostituierten gehen, wenn sie gar nicht erst diesen Drang, hätten (oder zumindest nur in der Intensität wie auch die Frauen) dann würden ebenjene Männer verdammt viel Geld sparen, Geld, welches sie dann für anderes "Männerzeugs" ausgeben könnten: Autos, Motorräder, eine neue Kamera, Urlaubsreisen, vielleicht auch für die Altersvorsorge. Zum Glück der Prostituierten HABEN aber Männer dieses starke Sex-Bedürfnis und so fließt das Geld in die Taschen der Frauen. [Karlmall 30. November 2013 3:53 Uhr]
Wie in der Debatte mehrfach genannt wurde, gibt es keine validen Zahlen. Die einzige wirklich belegte sind ca. 400 Fälle von "Sexueller Ausbeutung" im BKA Bericht. Bei 400.000 Sexarbeiter*innen etwa ein Promille. Ich kann diese Zahlen aus meinem Bekanntenkreis bestätigen. Wir haben mal gezählt, wie viele Sexarbeiter*innen wir kennen, welche wir wirklich ohne Bias ausgewählt haben. Wie viele unsere Sexarbeiter*innen im Bekanntenkreis Kolleginnen kennen und was wir über diese wissen, bzw. von diesen erfahren. Ich kann ihnen leider keine Quellen benennen, weil die Leute anonym bleiben wollen. Aber ich sage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass Juanita Rosina Hennig und Sexworker Deutschland die Situation richtig beschreiben und Frau Schwarzer Gräuelpropaganda verbreitet... [Klarmann1970 30. November 2013 21:00 Uhr]
Laut EU hatten wir 2010 in der EU 9528[1] Opfer von Menschenhandel. Davon entfielen 62%[1] auf Prostituierte (davon wiederum 96%[1] Frauen) Das bedeutet 5907 Prostituierte (inkl der Männer) sind EU-weit Opfer von Menschenhandel. Wenn man den Zahlen von Emma glaubt, sind 95% Zwangsprostituierte, also Opfer von Menschenhandel. Demnach gibt es in der EU 6218 Prostituierte. Das glaubt kein Mensch! Gehen mal davon aus, dass 100% der Zwangsprostituierten der EU in D arbeiten und wir in D um die 400.000 Menschen haben, die mit Sexwork ihr Geld verdienen, sind wir bei einem Schnitt von 1,5%, die Ihren Job unter Zwang erledigen. Dies kommt schon eher den Zahlen nahe, die die Sexworkerinnen nennen. Kann mir jetzt mal bitte jemand glaubhaft mitteilen, warum wir 393.788 Menschen, die freiwillig in der Prostitution arbeiten, nebst deren Kunden kriminalisieren sollen? Nochmals: Jedes Opfer von Menschenhandel ist eines zu viel. Für mich ist die Diskussion hiermit beendet [1] https://twitter.com/Europ... [W. Guent 2. Dezember 2013 10:55]
Die Grafik habe ich nochmal hochgeladen:
Eine interessante Diskussion, in der recht schnell offenbar wird, wer seine Meinung unbedingt behalten will und wer andere Sichtweisen nicht gelten läßt. Die Menschen sind nicht böse, sie sind auch nicht von vorneherein ignorant. Sie haben Angst. Angst davor, daß die Realität, in der sie leben, sich als eine Anordnung von Kulissen auf einer Theaterbühne erweist. Einer Theaterbühne, die sie selbst ständig aufrechterhalten. Diese Aussicht verunsichert natürlich gewaltig. Die Menschen haben Angst und glauben, sich verteidigen zu müssen. An diesem Punkt treffen sich die subjektiven Bedürfnisse der inzwischen zu einer Gallionsfigur aufgestiegenen Alice Schwarzer und die derjenigen, die um die Aufrechterhaltung ihres moralischen Weltbildes und ihrer »guten« Identität ringen. (siehe »Wir geben ihnen die Macht 1« vom 14. März 2013 und »Realität ist, was wir glauben wollen« vom 29. August 2013)
Wer Angst hat und glaubt, sich verteidigen zu müssen, dessen Fähigkeit zu verstehen ist massiv eingeschränkt, denn Verstehen stellt zwangsläufig in Frage.
Ich zitiere Castaneda:
Um diese Prämisse zu begründen, gab Don Juan sich alle Mühe, mich davon zu überzeugen, daß das, was in meinen Augen die wirklich vorhandene Welt war, nur eine Beschreibung der Welt sei; eine Beschreibung, die mir seit dem Augenblick meiner Geburt eingehämmert worden sei.
Jeder, der mit einem Kind in Kontakt komme, erklärte er, sei ein Lehrer, der unaufhörlich die Welt erkläre, bis zu dem Augenblick, wo das Kind die Welt so wahrnehmen könne, wie sie ihm erklärt wird. Nach Don Juan haben wir keine Erinnerung an diesen folgenschweren Augenblick, einfach weil wir keinen Bezugsrahmen hatten, in dem wir ihn mit etwas anderem hätten vergleichen können. Doch von diesem Augenblick an ist das Kind ein Mitglied. Es kennt die Beschreibung der Welt; und es erreicht, glaube ich, die volle Mitgliedschaft, wenn es in der Lage ist, alle seine Wahrnehmungen so zu deuten, daß sie mit dieser Beschreibung übereinstimmen und sie dadurch bestätigen.
Für Don Juan besteht die Wirklichkeit unseres alltäglichen Lebens daher aus einem endlosen Fluß von Wahrnehmungsinterpretationen, welche wir, die Individuen, denen eine bestimmte Mitgliedschaft gemeinsam ist, gemeinsam anzustellen gelernt haben.
Reise nach Ixtlan
und ich zitiere den Dalai Lama:
»Selbst- Losigkeit bedeutet nicht, daß etwas, das es in der Vergangenheit gab, nunmehr nicht-existent wird. Vielmehr ist diese Art von ›Selbst‹ etwas, das nie existiert hat. Die Aufgabe besteht darin, etwas als nicht-existent zu erkennen, das schon immer nicht-existent war.«
zitiert nach Epstein, Gedanken ohne den Denker
Es würde mich freuen, wenn Deutschland den Mut hätte, in der EU einen Sonderweg zu gehen. Die Differenziertheit, die Intelligenz und der Mut der Betroffenen, an die Öffentlichkeit zu gehen, hätten es verdient!
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