Samstag, 15. November 2014

Linke Hahnenkämpfe

Es muß uns doch eigentlich gut gehen, sonst würde das nicht passieren…
Oder habe ich was nicht verstanden?

Es geschieht wieder einmal das, was ich seit Beginn meines politischen Denkens wahrnehmen muß: die Linken gehen sich untereinander an die Gurgel. 

- Bob Dylan wird 1964 anläßlich der Veröffentlichung von »Onother Side of Bob Dylan« ermahnt, er könne durch die Begleitumstände von Ruhm und Erfolg den Kontakt zur Basis zu verlieren (siehe im verlinkten Wikipedia-Artikel). Seine beiden Songs »My Back Pages« und »It Ain’t Me Babe« sowie auch der Platten-Titel werden geflissentlich überhört, augeblendet oder nicht verstanden.

- Er benutzt eine E-Gitarre und kriegt Prügel (Heute vor 45 Jahren – 25. Juli 1965: Die Geburtsstunde des Folk-Rock, Post, 25.07.2010). Er kommt 1978 nach Deutschland und singt auf dem Zeppelinfeld. Bei seinem Aufenthalt wird er von seinen (ehemaligen?) Fans mit Tomaten beworfen (ich bin mir nicht mehr sicher, es kann auch anderes Gemüse gewesen sein), und in der Berliner Alternativen-Zeitung »Tip« erscheint eine Todesanzeige (siehe Mr. Mark & Mr. Bob, Post, 07.11.2011). 

- Er singt bei der Grammy-Verleihung 1991 – wenige Wochen nach Beginn des ersten Irak-Krieges – »Masters of War« auf eine Weise, die das Lied kaum noch erkennen läßt und nuschelt, den Preis in der Hand, kurz was von seinem Daddy. Der genuschelte Inhalt entpuppt sich (im wahrsten Sinne des Wortes: Matrjoschka, Wikipedia) als tiefsinniger Hinweis auf den Kommentar eines bekannten deutschen Rabbi zu Psalm 27:10 im Anhang des Metsudah Siddur, einem weit verbreiteten jüdischen Gebetbuch und die damit verbundene Bedeutung seiner Rezitation in der Zeit nach dem jüdischen Neujahrsfest Rosh Hashana. (Bob Dylan's Grammy history - 1991 Lifetime Achievement Award revisited, Examiner, 30.01.2010; Video: Heute vor 45 Jahren – 25. Juli 1965: Die Geburtsstunde des Folk-Rock, Post, 25.07.2010)

Übrigens:
Der Silvestergruß „Guter Rutsch“ ist etymologisch möglicherweise eine Verballhornung aus dem Jiddischen beziehungsweise Bibel-Hebräischen und leitet sich vom hebräischen ראש השנה טוב Rosch ha-Schana tov (= einen guten Anfang; wörtlich: Kopf – des Jahres – gut; also etwa: „Gutes Neujahr“) ab. Diese Floskel dürfte Anfang des 20. Jahrhunderts im Deutschen geläufig geworden sein.

- Bob Dylan sagte zu seinem Lied: 
»It’s not an anti-war song. It’s speaking against what Eisenhower was calling a military industrial complex.«     (“Masters of War”: An Analysis, songfacts, Kommentar 17, 3. Absatz)
Aber es spielt keine Rolle, was Bob Dylan sagt (und über diesen Satz kann man lange nachdenken) – der Song wird heute noch überall als eines der bekanntesten Antikriegs-Lieder bezeichnet.

- Er spielt im weißen Haus vor Präsident Obama sein bekanntes »The Times They Are a-Changin'« als Walzer. Man schaue sich die youtube-Kommentare an: Der größte Teil der Kommentatoren meint, er spinne und habe stark nachgelassen. Die »New York Times« beschrieb Dylans Gesicht bei der Aufführung mit »poker-faced«. Sonst habe ich keinen Artikel im Internet gefunden, in dem sich jemand über den Sinn dieses »new arrangement« (Obama) Gedanken gemacht hat. Obama bemerkte noch: »[…] and the song sounds completely different.« (Flashback: Bob Dylan Plays for Obama at the White House, Rolling Stone, 10.09.2013; der Zehnte ist übrigens der Tag vor dem Elften.)

Nach so vielen Dylan-Post glaube ich, ihn halbwegs verstanden zu haben. Er hat eine Botschaft, die lautet: »Leute, ihr hört nicht genau hin, ihr bleibt an der Oberfläche, gebt Euch mit einfachen Wahrheiten zufrieden und verharrt im Schwarz-Weiß-Denken. Deshalb kapiert ihr nicht, was passiert und was mit Euch gemacht wird.« Ich könnte mir vorstellen, daß Dylan Obama (zumindest bis nach dem Beginn von dessen Präsidentschaft) sympathisch findet/fand. Wenn er sich aber mit ihm photographieren ließe (was er nicht tat, siehe den Rolling-Stone-Artikel), signalisierte er, daß er das Spiel mitspielt.


- Wolf Biermann also watscht »Die Linke« ab (Wolf Biermann im Bundestag: Den Stab brechen über oder eine Lanze brechen für?, Post, 08.11.2014) und bekommt jetzt Feuer von Schorlemmer:
- Wolf Biermann ist ein Wendehals (Friedrich Schorlemmer, der Freitag, 13.11.2014)

-  Da kommen mit Max Blumenthal & David Sheen zwei Israel-kritische Aktivisten auf Einladung von einem oder zwei Fraktonsmitgliedern der »Linken« nach Berlin und werden auf Betreiben mehrerer linker Parlamentarier von einem zum nächsten Veranstaltungsort gewiesen (Freiheit und Demokratie! – Nur für die, die richtig denken?, Post, 09.11.2014). Dann gibt’s im Bundestag anscheinend ein Gespräch mit den einladenden Fraktionsmitgliedern der »Linken«, und dann taucht irgendwie Gysi auf, den David Sheen beschuldigt, ihn des Antisemitismus bezichtigt zu haben (, was Gysi abstreitet). Sheen besteht auf einer Stellungnahme Gysis, verfolgt diesen bis aufs Klo und schimpft, Gysis Verhalten sei Stasitum und in Berlin wäre noch jetzt der Stasi-Geist zu sehen (siehe Gysi von Irren bis aufs Klo verfolgt, Post, 13.11.2014). Ein gefundenes Fressen für die BILD-Zeitung. Die 12 Millionen, die sie erreicht, erfahren kaum vom Hintergrund (wollen ihn auch wohl nicht wissen, Hauptsache: Schublade, Affe rein, gegessen, tot). Hauptsache, die Antizionisten sind irre. Man google nach »Gysi«, »Sheen« und »Toilette«: über 50 Prozent der Fundstellen enthalten in ihren Überschriften die Begriffe »Juden-Hasser«, »Antizionisten« oder »Israel-Feinde«. Haben wir doch toll hingekriegt!

Leute, geht’s noch? Jeden Tag werden wir vollgesülzt von unseren Medien mit russischen Grenzverletzung der Ukraine und von bekloppten NATO-Generalsekretären, die ständig was von russischer Gefahr faseln und Verteidigungshaushalts-Statistiken verdrehen (Ukraine: die nächste Runde auf dem Machtpolitik-Karussell, Post, 15.11.2014). Wir werden vollgelabert von Politikern der Qualität eines Günther Oettinger, die keinen englischen Satz geradeaus sprechen können und dabei die Verpflichtung von Facharbeitern propagieren, Englisch zu sprechen (This knocks me from the socks, Post, 12.09.2014). Täglich findet der Beschiß des transatlantischen Freihandelsabkommens hinter verschlossenen Türen statt, unter anderem mit der Freigabe der kapitalistischen Ausbeutung der Wasserversorgung, obwohl das nachweislich nicht funktioniert (Braunschweig: Stadt muß Verdopplung der Schulden durch Privatisierung einräumen, piratenwirken.de, 06.06.2013), während die wichtigsten deutschen Politiker sich nicht darüber im Klaren sind, was noch verhandelbar ist und was nicht. (Blamage für Gabriel: CETA kann nicht mehr geändert werdenDeutscheWirtschaftsNachrichten, 10.11.2014)

Und Ihr schlagt Euch derweil gegenseitig die Köpfe ein?
Ja, Leute, habt Ihr sie noch alle?

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