Sonntag, 18. Oktober 2015

Flüchtlingspolitik : Die Grenzen des Guten

Vor einer Woche schrieb Bernd Ulrich von der "Naivität des Bösen" in der Flüchtlingskrise: Kein Zaun und kein hartes Wort der Kanzlerin werde den Zustrom aufhalten. Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing halten dagegen: Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns wollen. Darüber müssen wir streiten. 

"Nein, gemessen an anderen großen Rädern, die wir gerade drehen – nehmen wir nur die Energiewende –, muss uns dieses nicht schrecken. Zumal die deutsche Haushaltsführung seriös genug ist, um uns vorzuwarnen, sollten wir wirklich einmal zu großzügig geworden sein. Bis dahin freilich ist es noch weit." 

So stand es im April in der ZEIT. Es ging um die Frage, was wir den Flüchtlingen schulden und was denen, die schon hier leben. Darf man Zuwanderung begrenzen? Muss man, geht das überhaupt? Das war damals eine eher hypothetische Frage, wir haben sie in zwei Fraktionen durchgespielt, intern "Fundis" und "Realos" genannt. Inzwischen ist die Wirklichkeit fast schon weiter, als wir damals dachten.
mehr:
- Flüchtlingspolitik: Die Grenzen des Guten (Tina Hildebrandt, Heinrich Wefing, ZEIT Online, 18.10.2015)

siehe auch:
- Besorgte Antidemokraten (Michael Klarmann, Telepolis, 12.10.2015)
- Flüchtlingskriminalität: Auch Polizisten sind Dummschwätzer und Brandstifter (Andre Schulz, LKA Hamburg, Die Welt, 18.10.2015)
- Polizeigewerkschaft fordert Einzäunung Deutschlands (Florian Rötzer, Telepolis, 18.10.2015)
- Thilo Sarrazin im Streitgespräch: Die große Zustimmung beunruhigt mich etwas (mit Frank Schirrmacher, FAZ, 01.10.2010)
- Deutschland zwischen Mitgefühl und Angst (Franz Alt, Telepolis, 18.10.2015)
- Bürger, Pegida und AfD… Extremismus der Mitte (Timo Stein, Cicero, 15.10.2015)
- Flüchlingspolitik: Merkels verhängnisvollster Fehler (Christoph Schwennicke, Cicero, 14.09.2015)

mein Kommentar:
Was geht in Deutschland vor, daß öffentlich erst diskutiert wird, wenn die Situation da ist?
Wenn Pegida und AfD der Mund verboten wird, müssen wir uns nicht wundern, wenn hier in ein paar Jahren eine Partei mitspricht wie der Front National in Frankreich. Eine breite öffentliche Diskussion über die Sarrazin-Thesen (Deutschland schafft sich ab, Wikipedia) hätte Deutschland gut getan.
Im übrigen:
Seit Jahren warten wir auf den Ruck, der durch Deutschland gehen muß (Herzog-Memoiren – Warum Deutschland den Ruck brauchte, Die Welt, 24.02.2007), jetzt ist die Herausforderung für alle politisch korrekten Wohlstandsbürger und Couch-Potatoes da! Im übrigen kocht im Moment jeder sein eigenes Süppchen. Motto: kühlen Kopf bewahren. Wenn Leute in die Fernsehkamera erzählen, daß 80% der Asylanten Männer seien und wir deshalb um »unsere Frauen« Angst haben müßten, steht die »Bild« Gewehr bei Fuß.

siehe dazu auch:
- Pöbeln, hetzen, drohen - wird der Hass gesellschaftsfähig? (ARD Mediathek, 18.10.2015)
- TV-Kritik: Günther Jauch: Schwarz-rot-goldener Coup von rechts (Frank Lübberding, FAZ.net., 19.10.2015)
- TV-Kritik zum Flüchtlinge-Talk Günther Jauch konnte Björn Höcke nicht Paroli bieten - oder wollte er nicht? (Andrea Dembach, Tagesspiegel, 19.10.2015)
- Talk bei Günther Jauch Mit der Deutschlandfahne ins Irrenhaus (Laura Sandgathe, rp-online, 19.10.2015)
Die Szene kann exemplarisch gesehen werden für das, was immer wieder auch passiert, wenn die Vertreter von AfD, Pegida und Co. die Menschen für ihre Zwecke zu gewinnen versuchen. Sie wählen große Gesten, pathetische Worte, arbeiten mit Symbolen. Dass das (leider) gut funktionieren kann, zeigte der Auftritt Höckes bei Jauch beispielhaft.Er war der schillerndste Gast in der Runde und diskutierte seine Mit-Talker nicht nur einmal an die Wand - auch wenn der Inhalt der meisten seiner Beiträge haarsträubend war. So schaffte er es auch, sich die meiste Redezeit zu sichern.

Auffällig in Höckes Argumentation war, dass er sich stets einen kleinen Schritt auf die Position seiner Mit-Talker zubewegte, nur um dann fünf große Schritte zurück zu machen. Trotzdem: Weil die anderen Gäste klare Kante gegen Höcke bezogen, wirkte es immer ein bisschen so, als sei er der offene, ausgewogene Redner, während die anderen sich in ihrer Meinung einzumauern schienen. So verurteilte Höcke das Attentat auf Reker klar als "unentschuldbar und entsetzlich" und wünschte ihr gute Besserung.

Ein Einspieler zeigte dann aber einen augenscheinlich ganz anderen Höcke als den, der bei Jauch im Sessel saß: Auf Mitschnitten von Demonstrationen in Erfurt skandierte Höcke "Wir sind das Volk" und sagte hanebüchene Sätze wie "Der Syrer, der zu uns kommt, hat noch sein Syrien. Aber wenn wir unser Deutschland verloren haben, haben wir keine Heimat mehr" oder "Erfurt ist schön deutsch und schön deutsch soll Erfurt bleiben". Bei dem Satz "Die Angsträume werden immer größer in unserem Land, gerade für blonde Frauen" hakte Jauch nach. Höcke distanzierte sich daraufhin halbherzig von seiner eigenen Aussage: "Ich muss mich für diesen Satz entschuldigen, natürlich waren auch Brünette oder Schwarze gemeint".
- Jauch-Talk über Fremdenhass: Nicht zum Lachen - und trotzdem komisch (Mathias Zschaler, SPON, 19.10.2015)
- Jauch-Talk mit AfD-Politiker: "Hilfe, ist das eine schlechte Moderation" (SPON, 19.10.2015)
mein Kommentar:
Alle mal wieder runterkommen. Der Höcke hat sich doch selbst um Kopf und Kragen geredet.

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