Montag, 4. Juli 2016

Nach dem Brexit: rüstungs- und verteidigungspolitische Perspektiven

Nach dem Brexit sieht man in Deutschland und in der EU in einer gemeinsamen Rüstungs- und Verteidigungspolitik das Heil 

Nach dem britischen Referendum zum Brexit, von dem in Frage steht, ob und wie es überhaupt umgesetzt wird, gibt es von Politikern, die an der EU festhalten wollen, eine Flut von Vorschlägen. Man darf vermuten, es ist viel heiße Luft dabei und wird schnell wieder vergessen.

Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Jean-Marc Ayrault hatten schnell ein vorbereitetes Papier vorgelegt, in dem sie auf ein Kerneuropa setzten, das die Vereinigung zu einer "Politischen Union" beschleunigen sollte. Das stieß gleich bei dem im Anschluss angesetzten Treffen der Visegard-Gruppe auf Ablehnung. Auch auf dem Krisengipfel war von einer stärkeren Vereinigung nicht groß die Rede.

Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel suchte vielmehr die sozialen Aspekte, der Abbau der Arbeitspolitik und ein Ende der von der deutschen Regierung vertretenen Sparpolitik in den Vordergrund zu rücken, schlug aber neben einer Konzentration auf das Wesentliche für die EU-Kommission gleichzeitig die Schaffung einer "wahren europäischen Regierung" vor. Hier setzte sein Parteikollege, der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, am Wochenende noch einmal nach und forderte weiterhin eine "echte europäische Regierung", die vom Europaparlament und einer zweiten Kammer mit Vertretern der Mitgliedsstaaten kontrolliert wird. Europa also als Bundesstaat.

Mitstreiter auf europäischer Ebene wird es dafür kaum geben, daher ist interessant, dass gestern Finanzminister Wolfgang Schäuble, der starke Mann in der CDU, klar machte, an der Sparpolitik und den "Regeln" festzuhalten, aber auch einen Vorschlag ins Spiel brachte, der einen Vorstoß von Steinmeier und Ayrault und von der EU-Außenbeauftragten Mogherini (EU: "Eine schlagkräftige europäische Verteidigungsindustrie schaffen") aufgriff und verstärkte: eine größere Einheit der EU durch eine gemeinsame Rüstungspolitik und letztlich durch eine europäische Armee. Auch Schäuble spielte wieder auf ein Kerneuropa an (Schäuble: EU-Kommission in den Hintergrund rücken), was möglicherweise zu der gemeinsamen Rüstungs- und Verteidigungspolitik gehören soll. Allerdings setzte sich Schäuble von Steinmeier ab, der vor wenigen Tagen eine andere Russlandpolitik und ein Ende des "Säbelrasselns" der Nato gegen Russland forderte. Natürlich wäre es dumm, für eine Verstärkung der europäischen Rüstungs- und Verteidigungspolitik zu werben und gleichzeitig für Entspannung einzutreten.

mehr:
- "Wir brauchen ein stärkeres Europa" (Florian Rötzer, Telepolis, 04.07.2016)
"Die Stärke einer Zivilisation wird nicht gemessen an ihren Fähigkeiten, Kriege zu führen, sondern an ihrer Fähigkeit, sie zu vermeiden ." - Gene Roddenberry, Abspann von "Mission Erde"
"Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt. Es hat keine verpflichtende Sittenlehre, keine Dogmen mehr." - Peter Scholl-Latour, zitiert von Peter Hahne in »Schluss mit lustig! Das Ende der Spaßgesellschaft«, Kapitel "Feige Kompromissgesellschaft", (S. 65 der Lizenzausgabe der RM Buch und Medien)  
"Wir sind so stark, wie wir einig, und so schwach, wie wir gespalten sind." - Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Feuerkelch / Albus Dumbledore

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