Mittwoch, 30. November 2016

Vom Kampf um die Realitätskonstruktion im postfaktischen Zeitalter

Zum erklärten "postfaktischen Zeitalter" passend fürchten traditionelle Instanzen der Wahrheit die neue Medienöffentlichkeit
Die Verbreitung von Fake-News und Social Bots, die solche massenhaft posten, scheint allmählich zu einem Politikum zu werden, das oben auf der Agenda steht. War zuvor eher das ungeahndete Posten von Hassbotschaften das Problem, so wird nun von verschiedenen Seiten behauptet, dass Falschinformationen die Präsidentschaftswahl beeinflusst hätten, die wieder einmal ziemlich knapp ausgefallen ist. Gerne nehmen die traditionellen Medien, die zwar auch das Internet und Soziale Netzwerke nutzen, das Thema auf, um auf die ungeordnete und wilde Cyberwelt aufmerksam zu machen, wo bislang unkontrolliert Propaganda, Falschinformationen oder Gerüchte fabriziert werden.

Letztlich geht es darum, die wilde Welt im Internet zu zähmen, wozu das Bild aufgebaut wird, dass die neuen digitalen Medien erst die Unwahrheit eingeführt haben, während zuvor weder Fake-News noch Gerüchte verbreitet wurden. Und zudem wird die Vorstellung genährt, dass die Menschen urteilsunfähige Trottel sind, die sich schnell von Falschinformationen verführen lassen und zu den die Infektion weiter verbreitenden Wirten der Meme werden. Die bringen vornehmlich die Bösen in den Umlauf, gegenwärtig die russische Regierung allen voran, die mit Trollen und Propagandamedien die vom Westen gepachtete Wahrheit unterminiert. Die Sorge vor den Falschinformations- und Gerüchtefluten passt zur Ausrufung des "postfaktischen Zeitalters" (Postfaktisches Zeitalter - Darauf einen Bommerlunder). Es könnte freilich sein, dass es auch um einen Kampf darum geht, welche Instanzen und Medien in der Gesellschaft "das Sagen" haben. Die "Lügenpresse" der einen werden die Fake-Medien der anderen gegenübergestellt.

Da gibt es Aktivisten, die ebenso schwindeln, wie das Trump und Clinton gemacht haben, oder Medien, die betont einseitig sind wie Breitbart.com oder Foxnews.com, aber im Wahlkampf waren auch Leitmedien wie Washington Post oder New York Times einseitig, nämlich gegen Trump. Wo in einem Wahlkampf Milliarden für Werbung, Propaganda und Manipulation verprasst werden, ist es kein Wunder, dass nüchterne Einschätzungen und differenzierte Berichterstattung besonders in einem gespaltenen Land mit einem fixierten Zwei-Parteien-System auch ganz ohne Russen keine Chance haben. Zur Verbreitung der "interessanten" Nachrichten für ein bestimmtes Publikum, das jetzt wie schon früher in einer Nachrichtenblase gefangen ist, tragen sicherlich die gut demokratischen und kapitalistischen Mechanismen der Sozialen Medien und der Suchmaschinen bei, die nach dem erfolgreichen Google-Prinzip das bevorzugen, was am meisten gesucht, geklickt oder weitergeleitet wird.

mehr:
- Von der "Lügenpresse" zum Kampf gegen Fake-News (Florian Rötzer, Telepolis, 28.11.2016)

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Der Begriff postfaktische Politik bezeichnet ein politisches Denken und Handeln, bei dem Fakten nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Die Wahrheit einer Aussage tritt hinter den Effekt der Aussage auf die eigene Klientel zurück. In einem demokratischen Diskurs wird – nach dem Ideal der Aufklärung – über die zu ziehenden Schlussfolgerungen aus belegbaren Fakten gestritten. In einem postfaktischen Diskurs wird hingegen gelogen, abgelenkt oder verwässert – ohne dass dies entscheidende Relevanz für das Zielpublikum hätte. Entscheidend für die von postfaktischer Politik angesprochenen Wähler ist, ob die angebotenen Erklärungsmodelle eine Nähe zu deren Gefühlswelt haben.[1] [Postfaktische Politik, Wikipedia, abgerufen am 30.11.2016]

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"Der Westen ist im permanenten Ausnahmezustand" - Bazon Brock [13:39]

RT Deutsch Veröffentlicht am 24.09.2015
Was ist Demokratie und wie lange kann ein Ausnahmezustand dauern, um die Grundrecht zu beschneiden? Bazon Brock, Künstler und Kunsttheoretiker, über das Ideal einer Demokratie und das Scheitern Deutschlands. Mehr auf unserer Webseite: http://rtdeutsch.com Folge uns auf Facebook: https://www.facebook.com/rtdeutsch Folge uns auf Twitter: https://twitter.com/RT_Deutsch Folge uns auf Google+: https://plus.google.com/1068940314550... RT Deutsch nimmt die Herausforderung an, die etablierte deutsche Medienlandschaft aufzurütteln und mit einer alternativen Berichterstattung etablierte Meinungen zu hinterfragen. Wir zeigen und schreiben das, was sonst verschwiegen oder weggeschnitten wird. RT - Der fehlende Part.


siehe auch:
- Sein und Streit - Die ganze Sendung: Steckt die Wahrheit in der Krise? (Moderation: Simone Miller, Deutschlandradio Kultur, 25.09.2016)
- Wie Realität hergestellt wird: Sprachverdrehungen, scheinbare Gewissheiten und Geschichtsklitterung (Post, 05.11.2016)
- Schneller als die Fakten erlauben (Sascha Lobo, SPON, 06.11.2016)
- US-Präsidentschaftswahl : Das Ende der Aufklärung (Adrian Daub, ZON, 09.11.2016)
- US-Wahl : Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch (Slavoj Žižek, SPON, 13.11.2016)
- "Post-truth" ist das internationale Wort des Jahres (Der Standard, 16.11.2016)
- Rolling-Stone-Journalistin wegen böswilliger Verleumdung verurteilt (Alexander und Bettina Hammer, Telepolis, 17.11.2016)
- When the facts don’t matter, how can democracy survive? (Catherine Rampell, Washington Post, 17.10.2016)

mein Kommentar:
Nicht auf die Sprachverwendung hereinfallen! Die Frage ist nicht, ob sich die Politik von den Fakten entfernt sondern
1. wie weit und
2. wieviele Leute merken es?

Gerüchteverbreitung als Form der Aufklärung [46:23]


Bazon Brock Veröffentlicht am 19.10.2016
Zum Erscheinen des Bandes »Kritik der kabarettistischen Vernunft« Nietzsche behauptete, Nüchternheit und Kälte seien die Tugenden der Vorurteilslosigkeit. Sein Pathos hieß Distanz. Distanz aber ist eine aristokratische Form der Nähe. Kritik ist eine Form der Anerkennung und Gegnerschaft ist eine Form der Vermeidung von Feindschaft. Alle diese Distanzgesten definiert die kabarettistische Vernunft. Seit 1900 hat sie die Führung der Erkenntnisanstrengung im Politischen, im Sozialen und häufig auch im Ästhetischen übernommen. Heute übertrifft Volker Pispers in jeder Hinsicht das Differenzierungsvermögen von Jürgen Habermas – soweit es um Fragen der Wirkung geht. Mit Hegel überholte das Werden das Sein, mit den Kabarettisten überholt die Wirkung die Werke als Einheit von Entstehen und Bestehen. Die höchste Form der Wirksamkeit ist das Gerücht, das zwischen Geheimnis (schwarze Mystik) und Banalität (weiße Mystik) vermittelt. Aber das Banale bezeichnet etwas, das alle für selbstverständlich halten und deshalb als Problem nicht erkennen. Autor Bazon Brock und Verleger Christian Boros stellten den Band „Kritik der kabarettistischen Vernunft. Ein autobiografisches Scherbengerücht“ vor.


Harald Lesch fordert endlich Konsequenzen aus dem Wissen um den Klimawandel zu ziehen (#HAV16) [19:36]

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Veröffentlicht am 21.11.2016
Prof. Dr. Harald Lesch erklärt, wie wir unseren Planeten und sein Klima durch die Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben verändern. Dabei stehen die Gier nach abstrakten Dingen wie Geld und Reichtum einer konkreten Natur gegenüber, die sich beschreiben lässt, mit der wir aber nicht verhandeln können. Genauso unvereinbar ist das Wissen um die Erderwärmung und ihre Gründe mit den Konsequenzen, die wir daraus ziehen.


siehe dazu:
- Monsanto: Roundup Ready v2.0 (Post, 28.11.2016)
- Zunehmende Resistenzen – Das Monster auf dem Acker (Post, 30.07.2016)

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