Donnerstag, 24. August 2017

Kommunismus ohne Hammer und Sichel

Philosophie Alain Badiou präzisiert im Gespräch mit Peter Engelmann den neuen Kommunismus

Bis vor kurzem sah es so aus, als sei der Kommunismus auf dem Abfallhaufen der Geschichte gelandet. Die Zeit des Historisierens schien gekommen zu sein. Der sogenannte real existierende Sozialismus hat der guten Idee keinen Gefallen getan. Ist damit aber auch schon die Idee an sich erledigt? Einer, der dies vehement bestreitet, ist der französische Philosoph Alain Badiou, ein ehemaliger Maoist (nicht alle sind Renegaten geworden). Badiou versucht zu begründen, weshalb an der Hypothese des Kommunismus festgehalten werden soll. Dies schließt für ihn eine umfassende Kritik der bislang gescheiterten Versuche ein, das kommunistische Programm von Karl Marx zu verwirklichen.

Viele der auf Deutsch übersetzten Werke von Alain Badiou sind im Wiener Passagen-Verlag des einstigen DDR-Dissidenten Peter Engelmann erschienen. Engelmann hat schmerzliche Erfahrungen mit dem Staatssozialismus gemacht. Der Dissens liegt offen. Nun ist ein Band mit Gesprächen der beiden erschienen. Engelmann betont, es gehe um Unterschiede in der Analyse totalitärer Strukturen. Das hält sie aber nicht davon ab, grundlegende gesellschaftliche Alternativen zum globalisierten Kapitalismus zu erörtern, Engelmann hält sich dabei mit eigenen Urteilen spürbar zurück.

Badiou plädiert für einen „neuen“ Kommunismus, weil der alte viel zu sehr in traditionellen Denk- und Handlungsstrukturen verhaftet war – sowohl im Blick auf die Arbeitsteilung wie auch hinsichtlich der Orientierung am Nationalstaat. Von Marx‘ Vier-Punkte-Programm hätten die realsozialistischen Staaten lediglich den ersten ansatzweise verwirklicht: die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Die Übrigen – Überwindung der bisherigen Formen der Arbeitsteilung, Internationalismus sowie Abschaffung der Nationalstaaten – seien unerledigt geblieben. Den Kommunismus begreift Badiou als notwendig, weil das kapitalistische System die grundlegenden Probleme unserer Zeit nicht mehr zu lösen in der Lage sei.

Große Teile selbst der Linken wollten diese Schwäche nicht wahrhaben und akzeptierten den demokratischen Kapitalismus des Westens sozusagen als kleineres Übel gegenüber diktatorischen und faschistischen Regimen. Den relativen politischen Frieden, der auf einigen Wohlstandsinseln genossen werden kann, hält Badiou für faul, weil er mit der Ausbeutung der übrigen Welt erkauft wird.

mehr:
- Ohne Hammer, ohne Sichel (Kurt Seifert, der Freitag 32/2017)

Passagen Gespräche: Peter Engelmann im Gespräch mit dem französischen Philosophen Alain Badiou {1:41:31}

Veröffentlicht am 16.01.2017
Gessnerallee 8| 8001 Zürich
Im ersten Zürcher Passagen Gespräch diskutieren Passagen Verleger Peter Engelmann und Alain Badiou über Kapitalismus, Demokratie, Terror, Migration und den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft.

Kapitalistische Demokratien westlicher Prägung sind aktuell sowohl durch geopolitische Konflikte und radikale Bewegungen von außen bedroht, als auch durch anhaltende ökonomische und politische Krisen von innen gefährdet. Die Suche nach alternativen Gesellschaftsentwürfen gewinnt damit zunehmend an Brisanz. Mit seinem Plädoyer für eine kommunistische Gesellschaftsform bezieht der Pariser Philosoph Alain Badiou eine radikal kritische Position in dieser Debatte, was ihm den Titel «gefährlichster Philosoph Mitteleuropas» einbrachte. Aber was bedeutet seine kommunistische Hypothese eigentlich? Welches Gesellschaftsmodell schwebt ihm vor? Welche Rolle spielt seine Theorie der Subjektivität?

In Französisch mit deutscher Konsekutivübersetzung von Isolde Schmitt.

Eine gemeinsame Veranstaltung der Gessnerallee Zürich und des Passagen Verlages.

Alain Badiou: Raus aus der Komfortzone! (Sternstunde Philosophie vom 18.12.16) {58:01}

Veröffentlicht am 19.12.2016
Alain Badiou füllt mit seinen knapp 80 Jahren nach wie vor Säle. Der überzeugte Kommunist ist nicht nur ein leidenschaftlicher Provokateur, sondern auch ein brillanter Philosoph. Sein Appell: Wagt das Verrückte! Barbara Bleisch fragt den französischen Denker, warum ihm die Komfortzone zuwider ist.
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Alain Badiou analyse la désorientation de la jeunesse d'aujourd'hui {1:10:50}

Veröffentlicht am 22.11.2016
Entretien à Télérama, le 26 septembre 2016.
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