Samstag, 18. August 2018

Das Ende des Journalismus

Interview mit dem Publizisten und Medienkritiker Ulrich Teusch. Exklusivabdruck aus „Lügen die Medien?“.

Die etablierten Medien stecken in einer massiven Glaubwürdigkeitskrise. Teile des Publikums proben den Aufstand, öffentliche und veröffentlichte Meinung driften auseinander. Nicht nur hierzulande, auch in vielen anderen Ländern geraten die Leitmedien unter Beschuss. Stein des Anstoßes sind die Inhalte – Stichwort »Lügenpresse«. Doch sind Lügen wirklich das Problem? Oder gibt es nicht viel mehr strukturelle Probleme, die mit den Eigentumsverhältnissen der meisten Medien ebenso zu tun haben wie mit den inzwischen zur Regel gewordenen Methoden der Manipulation? Liegt es wirklich am einzelnen Journalisten, dass die Medien Unliebsames unterdrücken und statt umfassender Information oftmals Desinformation liefern, die gleichwohl gewissen Kreisen in die Hände spielt?
Herr Teusch, in Ihrem aktuellen Buch »Lückenpresse« äußern Sie scharfe Medienkritik, wenden sich zugleich aber auch gegen den Vorwurf, wir hätten es bei unseren Medien mit einer Art »Lügenpresse« zu tun…
Ich kann verstehen, wenn Leute »Lügenpresse« rufen. Ich ärgere mich ja auch über Medien und habe viel zu kritisieren. Aber ich halte den Begriff auf analytischer Ebene für untauglich und irreführend, auf normativer Ebene für diffamierend und ehrenrührig. Auch ganz persönlich.

Ich bin ja auch Journalist und nehme für mich in Anspruch, in meiner journalistischen Arbeit noch nie gelogen, also bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben. Und ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, für die das Gleiche gilt.

Der Begriff »Lügenpresse« unterstellt dem einzelnen Journalisten ein Fehlverhalten, und weil angeblich sehr viele Journalisten nicht adäquat arbeiten, entsteht daraus ein Massenphänomen, die »Lügenpresse« eben. Das ist mir zu simpel.

Aber der von Ihnen bevorzugte Begriff »Lückenpresse« klingt ja ganz ähnlich?
Aber er ist sauber definiert und setzt die Akzente anders.

Im Prinzip ist jedes Medium ein Lückenmedium. Jedes Medium ist angesichts des gigantischen Nachrichtenangebots gezwungen, eine kleine, oft winzig kleine Auswahl zu treffen. Die Frage ist, wie und nach welchen Kriterien diese Auswahl vorgenommen wird.

Und da ist bei den maßgeblichen Medien, also den sogenannten Leit- und Qualitätsmedien, wie sie sich selbst nennen, beziehungsweise im Mainstream, wie er immer öfter genannt wird, Folgendes zu beobachten: Erstens werden Nachrichten in ganz bestimmter Weise gewichtet. Zweitens werden Nachrichten gezielt unterdrückt. Drittens werden Nachrichten in tendenziöser Weise bewertet, das heißt, es wird mit zweierlei Maß gemessen, es gibt »Doppelstandards«.

Alle drei Aspekte hängen eng zusammen und verstärken sich wechselseitig. Wenn sie auf bestimmten Themenfeldern lange genug und mit ausreichender Intensität wirken, entstehen dominante Narrative, also große journalistische Erzählungen oder Deutungsmuster, in die dann alle neu einlaufenden Informationen eingeordnet werden können – oder eben auch nicht, so sie denn nicht ins Narrativ passen.

Manchmal wächst sich das zu Kampagnen aus oder auch zu regelrechter Propaganda.

Mein entscheidender Punkt ist nun: Die beschriebenen Phänomene kommen nicht zufällig zustande, sondern sie sind strukturell verankert und interessengeleitet. Das ist auch der Grund für die wachsende Homogenisierung des Mainstreams. Die Nachrichtenauswahl und Kommentierung wird immer ähnlicher und ist bei bestimmten wichtigen Themen kaum noch unterscheidbar.

mehr:
- Das Ende des Journalismus (Jens Wernicke, Rubikon, 18.08.2018)
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