Dienstag, 28. Mai 2019

Jens Spahn vs. Datenschutz: Mit dem Kopf durch die Wand!

„Datenschutz ist etwas für Gesunde“ – diese Aussage des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn wurde auf dem Hauptstadtkongress 2019 fast schon gebetsmühlenartig wiederholt. Zu dieser allgemeinen Tendenz, den Datenschutz bei Patientendaten aufzuweichen, passt nun die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dass in der ersten Version der elektronischen Patientenakte den PatientInnen nicht die Möglichkeit gegeben werden soll, selbst auszuwählen, welcher Behandelnde welchen Eintrag in der elektronischen Patientenakte sehen darf.

Gleichzeitig betonten Minister Spahn und alle anderen Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit – vor diesem Hintergrund eine unglaubwürdige Äußerung –, dass der Patient immer Herr seiner Daten sein solle.

Der Berufsverband der Vertragspsychotherapeuten bvvp e.V. lehnt die vorschnelle Einführung der elektronischen Patientenakte ab, bei der nur pauschal die gesamte Akte eingesehen werden kann oder die Einsichtnahme gar nicht möglich ist.

Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen sind besonders sensible Daten. Ein Bekanntwerden kann weitreichende negative Folgen für das Leben der betroffenen Menschen haben. Psychisch kranke Menschen sind immer noch von Stigmatisierung bedroht.
Es ist unverantwortlich, die e-Patientenakte ohne ein differenziertes Berechtigungskonzept für die PatientInnen auf den Markt zu bringen. Das Vorhaben zeigt, wie bedenkenlos der Gesundheitsminister in seinem Aktionismus mit den Rechten der Bürger umgeht. Wo bleibt da die erforderliche Umsicht?

Der bvvp fordert, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) eine eindeutige Verpflichtung aller Anbieter einer Elektronischen Patientenakte (ePa) zum selektiven Datenschutz in den Paragraphen 291h SGB-V aufzunehmen. Nur so kann überhaupt Vertrauen in die ePA und alle weiteren Anwendungen der Telematik Infrastruktur entstehen.

Darüber hinaus wendet sich der bvvp eindeutig gegen die verschärften Sanktionen bei Nichtanschluss an die Telematik Infrastruktur (TI). Staatlicher Druck und Zwang sind nicht die geeigneten Mittel, um die Akzeptanz der TI zu fördern. Der bvvp fordert das BMG zudem auf, die ernsthaften Bedenken der Kolleginnen und Kollegen, die den Anschluss verweigern, anzuhören und ihnen mit Fakten und klaren gesetzlichen Regelungen im Sinne des Patientenschutzes zu begegnen.

Ein weiteres Thema sind die von Bundesminister Spahn geforderten sogenannten Datenspenden für die Forschung. "Datenspende ist ein Euphemismus: Der Patient wird durch eine vermeintlich harmlose Datenspende zum wohlfeien Datenlieferanten einer prosperierenden Gesundheitsindustrie", meint Benedikt Waldherr, Erster Vorsitzender des bvvp.
Bevor Daten freigegeben werden und bevor darüber diskutiert wird, über welche Anreize die Patienten zur Datenfreigabe bewegt werden sollen (Stichwort „Incentivierung“), muss nach Ansicht des bvvp unbedingt eine grundlegende gesellschaftliche Diskussion über den ethisch angemessenen Umgang mit Gesundheitsdaten stehen. Nur wenn hier ein öffentliches Bewusstsein für die Implikationen eines leichtfertigen Umgangs mit so sensiblen Informationen geschaffen wird, kann über Datenspenden wirksam entschieden werden.
Mit mehr als 5200 Mitgliedern ist der bvvp die größte integrative Interessenvertretung von ärztlichen, psychologischen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Für den bvvp 

Dipl.-Psych. Benedikt Waldherr 1. Vorsitzender
Berlin, 28.05.2019

Anfragen und Interviewwünsche bitte an: 

bvvp Bundesgeschäftsstelle
Frau Anja Manz - Pressesprecherin
Württembergische Straße 31,
10707 Berlin
Tel. *49 30 88 72 59 54
Mobil *49 177 65 75 445 presse@bvvp.de
www.bvvp.de

siehe:
- Datenschutz muss für alle gelten! – auch und ganz besonders bei der elektronischen Patientenakte (Pressemitteilung des bvvp, 28.05.2019)
mein Kommentar:
Der Umgang des BGM mit den eigenen Telematik-Vorgaben spottet jeder Beschreibung.
siehe auch:
Elektronische Gesundheitskarte, digitale Transformation und unsere Zukunft in der Obhut von Bertelsmann (Post, 06.04.2016)
Reif für die Tonne: Elektronische Gesundheitskarte erstickt in Problemen (Post, 22.08.2015)
Medizin und Geld (Post, 21.07.2014)
Elektronische Gesundheitskarte rechtswidrig (Post, 13.03.2014)
- Elektronische Gesundheitskarte: Ärzte sind keine Hilfspolizisten (Post, 10.02.2014) x
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