Mittwoch, 30. Oktober 2019

Das Monopol des vorherrschenden Denkens ist gefährlich

Ökonomie und Finanzen: An Universitäten müssen Studierende allzu oft unrealistische Konzepte lernen.
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Red. Der Autor ist Finanzprofessor an der Universität Zürich. Er fordert eine Reform der Inhalte von Lehre und Forschung. Diese sollen insbesondere die Gründe und Folgen von Finanzungleichgewichten und Finanzkrisen sowie von der Negativzins- und Schuldenpolitik auf die Gesellschaft tiefgreifend analysieren.
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Die akademische Welt ist von den Bedürfnissen und Realitäten der Wirtschaft und Gesellschaft abgehoben. Sie hat aus der Finanzkrise von 2008 nicht die nötigen Lehren gezogen und zeigt sich angesichts der wiederholten Finanzskandale sehr zurückhaltend. Dabei wäre es doch ihre Aufgabe, diese Probleme zu analysieren und eine sachliche Argumentation beizusteuern.
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Damit es sich bei der akademischen Freiheit nicht nur um leere Worte handelt und sie mehr als ein schöner Leitsatz ist, der an Universitätsfassaden prangt, muss sie ständig und von allen Mitgliedern der Professorenschaft praktiziert werden. Dies gilt insbesondere auch für den Finanzbereich im akademischen Umfeld, der sich mit den Preisen von finanziellen Vermögenswerten befasst, aber keine Werte vermittelt. Geld wird implizit oder explizit eher als Zweck dargestellt statt als Mittel.1
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Finanzlehre: Hat die Finanzkrise von 2008 stattgefunden?
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Beim Durchsehen der vielen Lehrpläne und Lehrbücher stellt sich die Frage, ob in den Jahren 2007/2008 tatsächlich eine Finanzkrise stattgefunden hat. Dafür gibt es unzählige Beispiele an hochangesehenen Universitäten in Nordamerika2 und Europa. Mein 2010 in der Zeitung «Le Temps» veröffentlichter Artikel hat leider nichts von seiner Aktualität verloren.3 Soweit ein Vergleich der Kursprogramme vor und nach der Krise möglich ist, zeigt sich eine grosse Trägheit auf Seiten der Professorenschaft. Meistens wird in diesen Programmen die Finanzkrise nicht erwähnt oder nur gestreift. In manchen Fällen erscheint das Thema kurz nach der Krise, um ein paar Jahre später wieder völlig zu verschwinden. In den meisten Programmen für den Master in Finance werden Fragen der Ethik und Nachhaltigkeit nicht behandelt. Es gibt durchaus Initiativen zur Aktualisierung des bestehenden Unterrichts, doch beruhen diese auf persönlichen Entscheidungen einzelner Professoren oder Universitätsleitungen.
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Fragwürdige Standardinhalte von Lehrbüchern
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Das Beispiel der Finanzmathematik spricht Bände. Das Buch «Options, Futures, and Other Derivatives» von John C. Hull wird auf Bachelor-Ebene als unumgängliche Referenz zum Thema Derivate angepriesen und dementsprechend an vielen Universitäten, auch in der Schweiz, rege genutzt. In der zehnten Auflage von 2018, die 851 Seiten umfasst, sind nur rund 3 Prozent der Schlüsselrolle gewidmet, die derivative Produkte bei der Auslösung und Verbreitung der Finanzkrise gespielt haben.

mehr:
- Das Monopol des vorherrschenden Denkens ist gefährlich (Marac Chesney, Info-Sperber, 29.10.2019)
siehe auch:
- Grossbanken sind stärker subventioniert als die Landwirtschaft (Post, 18.08.2019)
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The Wolff of Wall Street: Derivate {6:18}

KenFM
Am 22.02.2019 veröffentlicht 
Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?
Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag um 12:00 Uhr Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Derivate“.
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