Dienstag, 15. Oktober 2019

Erdogan bringt unseren Mainstream in Stress!

Vor mehr als anderthalb Jahren hat sich ein Szenario abgespielt, das sich durchaus mit den aktuellen Ereignissen in Nordsyrien vergleichen lässt. Damals marschierte die türkische Armee in der bis dahin von Kurden besetzten Provinz Afrin ein. Befassen wir uns daher mit den Parallelen aber auch den Veränderungen im Vergleich zur Lage im Syrien des Jahres 2018. 

Die derzeitige Berichterstattung über eine erneute völkerrechtswidrige Intervention der Türkei in Nordsyrien – das ist sie ganz ohne Zweifel – lässt alle Narrative des Wertewestens über den Syrien-Konflikt in einer, für den Medienkonsumenten nur schwer durchschaubaren Suppe aus Desinformation, Lügen, Monokausalitäten, Umkehrung von Kausalitäten, Selektion und nicht zuletzt moralischer Floskeln aufgehen. Daher am Anfang dieses Textes eine Auswahl von vordergründig wie hintergründig vermittelten Hauptsentenzen derzeitiger westlicher Medienberichterstattung: 
  • Die kurdischen Milizen trugen die Hauptlast im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS).
  • Trump lässt die Kurden im Stich.
  • Wenn die westlichen Truppen und ihre Verbündeten Syrien verlassen, wird der IS wieder erstarken.
  • Die Kurden stehen zwischen den Stühlen und werden allein gelassen.
  • Die Kurden haben das Recht auf einen eigenen Staat (auf syrischem Boden).
Diese Sentenzen sind so falsch, wie sie als Einheitsmeinung, ja gegebene Tatsachen, vorgetragen werden.
mehr:
- Die zweite Chance (Peter Frey, Ped’s Ansichten, 14.10.2019)
siehe auch:
«Auch Europa kann sich auf die Schutzmacht USA nicht verlassen» (Gabor Steingart, Info-Sperber, 15.10.2019)
US-Verteidigungsminister will Nato-Mitglieder zu Maßnahmen gegen die Türkei bringen (Florian Rötzer, Telepolis, 15.10.2019)
Asselborn warnt vor Nato-Einsatz: EU revidiert Waffenembargo gegen Türkei (n-tv, 14.10.2019)
Kurden trauen Zweckbündnis nicht Syrische Truppen erreichen türkische Grenze (n-tv, 14.10.2019)
Die Zerstörung der kurdischen Hoffnung auf Frieden (Passar Hariky, Cicero, 11.10.2019)


Die grossen westlichen Medien leiden an Gedächtnisverlust. Sie vergessen, dass der Westen Truppen finanziert, bewaffnet und nach Syrien geschickt hat, um die Regierung zu stürzen. Immer erst wenn es diesen sogenannten Rebellen an den Kragen geht, entdeckt derselbe Westen mit grossem Jammern das Leid der Menschen im Krieg. Die Heuchelei ist zum politischen Kerngeschäft geworden. Das Projekt «Regime Change» ist gescheitert, die Planer dieses Projektes, die USA und ihre Verbündeten am Golf und in der NATO, rufen jetzt nach mehr Menschlichkeit.

Hat man in acht Kriegsjahren auf unseren deutschsprachigen Sendern ein Fernsehinterview gesehen, in dem eine syrische Familie befragt wird, wie es ihr geht, nachdem ein Familienvater, ein Sohn, eine Tochter von «Rebellen» umgebracht wurde? Ich habe keines gesehen und gehört. Gab es einen einzigen Zeitungsartikel, in dem das Leid der Familien gefallener syrischen Soldaten Thema war? In der Mediendatenbank ist nichts zu finden. Die Berichterstattung unserer grossen Medien konzentrierte sich auf die Perspektive der sogenannten Rebellen und der USA. Westliche Medien informierten noch einseitiger als es im Irakkrieg der Fall war. Und das ist noch heute so.

Warum verschweigen die Medien, wie es zur Eskalation in Idlib kam?

Ein Beispiel. Die Region Idlib wurde Ende 2018 zur demilitarisierten Zone erklärt und den Aufständischen als vorläufiges Refugium angeboten. So sah es eine Abmachung zwischen Russland, dem Iran, der Türkei und Syrien vor. Doch die Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (früher al-Nusra), die Al Kaida nahesteht, missachtete sämtliche Abmachungen, gab ihre schweren Waffen nicht ab und verschaffte sich in brutalen Überfällen weitgehend militärische Kontrolle über das Gebiet. Nachdem die Dschihadisten immer wieder Stellungen der syrischen Armee angegriffen hatten, leitete die syrische Regierung in Kooperation mit den Russen Ende April 2019 die Offensive ein, die zur Zeit andauert.

All dies ist zwar auf Wikipedia 
[Google-Übersetzer, Link von mir eingefügt]
nachzulesen, wird aber in unseren Zeitungen, im Radio und in der «Tagesschau» weitgehend ignoriert. Berichtet wird hingegen ausgiebig über Bombenangriffe der syrischen Armee, ganz so als massakriere einmal mehr nur ein tyrannisches Regime eine schutzlose Zivilbevölkerung. In andern Fällen wird dies als «Kolateralschaden» bezeichnet. Man erinnere sich nur an die Bombardierung der Stadt Mossul. Diese Kommunikationsstrategie wird als Framing bezeichnet: Ereignisse werden aus dem Kontext herausgeschnitten, das Handeln der syrischen Regierung erscheint als grundlos, willkürlich und brutal.

Die «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens stellte vor kurzem ein Filmteam vor, das einen Film über Syrien auf dem Festival von Locarno präsentierte. Ein Sprecher dieses Teams sagte vor der Kamera, der Film dokumentiere das tägliche Leben der Bevölkerung im Widerstand. Der Titel des Films: «During Revolution».

Welche «Revolution» ist da gemeint? Und wie hat sie sich manifestiert? In der Bedrohung, Ermordung, Vertreibung von Christen, Alewiten, Schiiten, Jesiden und all derjenigen, die als Sympathisanten der Regierung galten? In den abgeschnittenen Köpfen? In den Massenerschiessungen auf den Dorfplätzen? Die Burka-Frauen, die wie stumme, schwarze Pakete in den Gebieten unter Kontrolle der Aufständischen zu sehen sind: Gehören sie zur Revolution, von der hier die Rede ist?

Den Aufstand der vom Westen finanzierten Milizen gegen die syrische Regierung als «Revolution» zu bezeichnen ist Parteinahme für einen Terrorkrieg.
[Helmut Scheben, Idlib und die Heuchelei des Westens, Info-Sperber, 21.08.2019)
yyy
xxx
zzz

erinnert sich noch jemand?
- Bundeswehr soll Kurden in Nordsyrien unterstützen (Alke Dangeleit, Telepolis, 08.07.2019)

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