Dienstag, 13. Oktober 2020

Maaßen zum Breitscheidplatz-Anschlag: Alle haben Schuld, nur der Verfassungsschutz nicht

Die Vernehmung des früheren BfV-Präsidenten im Untersuchungsausschuss des Bundestags zeigt immerhin, dass die Causa Amri ganz oben angesiedelt war

Die Frage sei nicht mehr, ob der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Parlament und Öffentlichkeit belogen habe, sondern: Warum. Das sagte die Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag, Martina Renner, im Rahmen der Fraktionsstatements vor Beginn der Sitzung des Untersuchungsausschusses gegenüber der Presse.

Nach dem Anschlag vom 19. Dezember 2016 hatte Hans-Georg Maaßen mehrfach erklärt, Anis Amri, in offizieller Lesart der Attentäter, sei ein "reiner Polizeifall" gewesen, der Verfassungsschutz sei höchstens am Rande mit ihm befasst gewesen. Diese Darstellung pflegen BfV-Verantwortliche im Grundsatz bis heute. Im Ausschuss dagegen herrscht weitgehende Einigkeit, dass die These vom reinen Polizeifall "komplett widerlegt" (Fritz Felgentreu, SPD) sei.

Damit war die Front gezogen, entlang der Maaßen vernommen werden sollte. Das Grundproblem ist allerdings: Der Ausschuss kann inzwischen zwar darlegen, wie der Anschlagskomplex Breitscheidplatz und seine Hintergründe nicht waren. Aber wie es sich tatsächlich abgespielt hat, das bleibt im Dunklen. Und zwar nicht zuletzt auch dadurch, dass den Abgeordneten verweigert wird, Führungsbeamte von V-Leuten in der Szene zu vernehmen.

Das lässt den Geheimen Spielraum. Und Maaßen nutzte ihn in geradezu schamloser Weise. Dazu gehörten zunächst sogar Aussagen aus seiner politischen Agenda. Er verknüpfte islamistisch motivierten Terrorismus mit der Flüchtlingsbewegung und erklärte vor allem muslimische Männer zu einem Sicherheitsrisiko.

Mit Flucht, offenen Grenzen und dem Recht auf Schutz und Asyl hatte der Anschlag vom Breitscheidplatz in Berlin nichts zu tun. Die Tätergruppierung bestand nach allem, was man inzwischen weiß, mutmaßlich aus einem "deutschen" Teil in und um die Berliner Fussilet-Moschee sowie einem "ausländischen, tunesischen" Teil professioneller reisender Dschihadisten. Hinzu kommt ein bislang unbekannter dritter Teil von Personal des Sicherheitsapparates.

Maaßen, in Desinformationspolitik geübt, operierte im Ausschuss nach dem Motto "Haltet den Dieb!" und verteilte umfangreich Schuldzuweisungen an andere Stellen. In einer Mischung aus Wahrem und Unwahrem proklamierte er in rhetorischer Weise: Wie habe es sein können, dass sich Amri in Italien nach seiner Haftentlassung frei bewegen konnte; dass er dann nicht aus Deutschland nach Italien zurückgeschoben wurde; dass er nicht in Abschiebehaft kam; dass keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung für ihn verhängt wurde; dass man hinnahm, dass sich Tunesien mit der Ausstellung der Papiere Zeit ließ; dass nicht der Botschafter des Landes einbestellt wurde; dass Amri nicht verboten wurde, ein Smartphone zu benutzen; dass Amri nicht in Haft genommen wurde; dass er am 19. Dezember 2016 noch in Deutschland gewesen sei. Das mache ihn fassungslos.
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