Dienstag, 5. Juni 2007

Margarete Mitscherlich: Freuds Sexualleben war ein Geheimnis

Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich sieht im Sexualleben Sigmund Freuds eines der großen Rätsel im Leben des Erfinders der Psychoanalyse. Wenn sie Freud eine Frage stellen dürfe so lautete diese: "Mensch, was hast du eigentlich mit deiner Sexualität angefangen?" Margarete Mitscherlich sagt im Interview in der neuen Ausgabe des Magazins "DIE ZEIT – Geschichte": "Er hat so vieles von der Sexualität verstanden, und trotzdem bleibt verborgen, wie er mit seiner eigenen Sexualität umgegangen ist." Sie glaube nicht, dass Freud jemals ein sexuelles Verhältnis zu einer seiner Patientinnen hatte: "Dazu war er viel zu kontrolliert", so Mitscherlich.
aus der ZEIT-Pressemappe vom 24.4.2006

Dazu folgende Anmerkungen:

1. hat Freud sich schützen wollen und wohlweislich möglichst viel aus seinem Privatleben verborgen: »die Biographen aber sollen sich plagen, wir wollen 's ihnen nicht zu leicht machen.
Jeder soll mit seinen Ansichten über die 'Entwicklung des Helden' recht behalten, ich freue mich schon, wie die sich irren werden.« (Link zu Ausschnitten aus einem Brief des damals 29jährigen an seine Verlobte Martha Bernays; Link zu freud-biographik.de, da gibt’ auch das Zitat.)

2. hat, glaube ich, Churchill einmal gesagt: »Entweder man versteht die Geschichte oder man macht sie.« Will heißen: Die Tatsache, daß Freud Sexualität in weiten Teilen verstanden hat (was immer man darunter verstehen will), heißt nicht notwendigerweise, daß er sie auch praktiziert hat. Mit ziemlicher Sicherheit stellte er ab dem vierzigsten Lebensjahr den sexuellen Kontakt mit seiner Frau ein. Die Ehe hatte sich nach der Geburt der Tochter Anna, des letzten von sechs Kindern, »amortisiert«, wie Freud später einmal gegenüber Emma Jung bemerkte. (Zitiert aus dem ZEIT-Aufsatz »Der Mann, der das Schlafzimmer vergaß« von Bernd Nitzschke)

Viele Autoren vermuten, seine sexuelle Abstinenz Martha gegenüber sei aufgrund der vielen Kinder entstanden und somit eine bestimmte Art von Verhütung gewesen. (Freud war der Meinung, daß das regelmäßige Praktizieren eines Coitus interruptus zu Neurosen führe.) Meiner Meinung nach ist kann dieser Satz nicht auf die sexuelle Beziehung zu Martha eingegrenzt werden. Amortisation bedeutet (nach www.fremdwort.de) die »
allmähliche Tilgung einer Schuld nach festgelegtem Plan« oder die »Abschreibung des allmählichen Verschleißes der Grundmittel in der Produktion«. Dem ist nichts hinzuzufügen. Oder doch: Ich habe das jetzt nicht nachgeschlagen. 1986 war Freud 40 Jahre alt. Es wäre interessant, zu versuchen herauszufinden, ob er schon vor seinem vierzigsten Lebensjahr ab und zu Ohnmachtsanfälle hatte. (Dieser Link führt zu einer eindrucksvollen Schilderung eines Anfalls in Gegenwart von C. G. Jung) Wenn nicht, kann man sich seinen Teil dazu denken. (Dabei vergesse man nicht den sekundären Krankheitsgewinn!) Übrigens gab es Ohnmachtsanfälle auch bei C.G. Jung (Vortrag von Rudolf Sponsel aus dem Jahr 1996)

Außerdem wird gemunkelt, daß er eine Liebschaft mit der in seinem Haushalt lebenden Schwester von Martha, Minna, hatte:
»Oskar Rie, Freund der Familie Freud und Hausarzt der Kinder Freuds: "Wegen der Kinder ging er zu Martha, für das Vergnügen nahm er Minna." (zit. n.Kerr S. 171)« (zitiert aus »Zur Geschichte des Sexuellen Mißbrauch in der Psychoanalyse und Analytischen Psychotherapie«, auf der Seite ganz unten). Dazu findet sich im ZEIT-Aufsatz auch eine sehr kritische Bemerkung. Also, wir wissen schon einiges über Freuds Sexualität. Und mehr, denke ich, wäre eine Art Leichenfledderei.

3. Freud sei zu kontrolliert gewesen, sagt Frau Mitscherlich, um ein sexuelles Verhältnis mit einer Patientin zu haben. Es ist mir nicht so ganz klar, was damit gemeint ist. Es ist sehr sicher, daß er nie mit einer Patientin sexuellen Kontakt hatte, aber er war wahrhaft kein kühler und steriler Therapeut und hielt sich oft selbst nicht an die Regeln, die er für die technische Durchführung der »analytischen Kur« aufstellte. Sie dazu den Aufsatz von Ulrich Weinzierl »Freud war kein Freudianer« und die Besprechung des Buches von Paul Roazen »Wie Freud arbeitete«. Ob von Seiten des Therapeuten Kontrolle notwendig ist, um einen sexuellen Kontakt mit einem Patienten zu verhindern, möchte ich infrage stellen. Da sollte sich jeder, der einmal als Therapeut gearbeitet hat, seine eigenen Gedanken dazu machen.

Den Versuch, die Psychoanalyse zu analysieren, findet man auf der Seite von Marianne Krüll

In der Weltwoche gibt es mit Frau Mitscherlich ein Gespräch über Frauen, Männer und die Natur des Menschen.

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