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Von Adelbert Reif
Herr Nirumand, bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar gab es eine Annäherung zwischen dem Iran und den USA – kurz darauf machte Ayatollah Khamenei einen verbalen Rückzieher. Sind die Verhandlungen nun gekippt?
Bahman Nirumand: Ganz gekippt sind sie nicht. Das Angebot der USA steht. Auch die Ablehnung von Seiten des Irans ist nicht hundertprozentig, zumal viele führende iranische Politiker darauf drängen, dass Verhandlungen mit den USA zustande kommen – auch Präsident Ahmadinedschad. Die Haltung des Irans ist allerdings ziemlich radikal und mit Bedingungen verbunden, die der Westen so sicherlich nicht akzeptieren wird. Sie sagen: Nehmt uns erst die Pistole von der Brust dann verhandeln wir.
Was bedeutet das für die Verhandlungen des Irans mit den fünf Vetomächten im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland, der Gruppe 5 plus 1, die am 26. Februar stattfinden sollen? Nirumand: Das sind die gleichen Verhandlungen, die seit zehn Jahren geführt werden. Ich bin skeptisch, dass dabei etwas herauskommt. Im Juni wird im Iran gewählt und ich denke, dass es vorher keine klare Entscheidung geben wird.
Bahman Nirumand, 77, floh mit 29 aus Teheran. Der Publizist lebt in Berlin und verfasst den Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung. Neueste Veröffentlichung: »Iran. Israel. Krieg« Wagenbachs Taschenbücherei. |
Gibt es Neuigkeiten zum iranischen Atomprogramm?
Nirumand: Es gibt Gerüchte, dass der Iran jetzt die Zahl der Zentrifugen erhöht habe und einen Teil des hoch angereicherten Urans für andere Zwecke verwendet als für medizinische. Das sind aber, wie gesagt Gerüchte.
Woher kommen sie?
Nirumand: Meiner Auffassung nach meistens aus Israel. Von dort wird es an die Volksmudschahedin weitergegeben, die militante iranische Oppositionsbewegung im Iran, die das für bare Münze verkaufen. Bisher haben die Erklärungen dieser Bewegung selten gestimmt, daher bin ich persönlich sehr skeptisch. Obwohl ich nicht ausschließen kann, dass der Iran die Bombe doch plant. Man weiß es schlicht nicht. Amerikanische Geheimdienste erklären, dass es dafür absolut keine Beweise gebe. In Wirklichkeit geht es im Nahen Osten um wirtschaftliche und militärische Interessen. Dass man immer wieder auf den Atomkonflikt zurückkommt ist eine Irreführung.
Welche Wirkungen haben die Sanktionen, die der Westen gegen den Iran verhängt?
Nirumand: Sie treffen das Volk. Solange der Iran Öl hat können die westlichen Staaten Boykotte erlassen, so viel sie wollen. Mit den Einnahmen aus dem Ölverkauf überlebt das Regime. Das Volk aber leidet unter Entbehrungen. Die Steigerung der Preise ist selbst für die Mittelschicht untragbar, von den ärmeren Menschen gar nicht zu reden. Außerdem gibt es zu wenig Medikamente. UNO-Generalsekretär Ban Kimoon wies daraufhin, dass durch die Sanktionen humanitäre Maßnahmen reduziert wurden.
Radikalisiert das die iranische Bevölkerung?
Nirumand: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits versucht die Regierung mit allen Mitteln der Propaganda darzustellen, dass die Feinde der iranischen Republik ihren Untergang planen und das iranische Volk vernichten wollen. Andererseits sind die Iraner ganz gut informiert und glauben nicht alles, was die Regierung sagt. Radiosender wie BBC haben mehr Hörer als die staatlichen Sender. Dass die Sanktionen dem iranischen Regime in die Hände spielen, kann man so nicht sagen. Dennoch glaube ich, dass sich eine gewisse Front gegen den Westen bildet.
Steht die iranische Bevölkerung hinter den Attacken Teherans?
Nirumand: Iraner sind Patrioten und befürchten, dass die Souveränität ihres Landes beeinträchtigt wird – egal, um welches Regime es sich handelt. Dennoch führt das Bild, das im Westen von der iranischen Gesellschaft vermittelt wird, in die Irre, denn sie ist mit dem Regime überhaupt nicht einverstanden. Die überwiegende Mehrheit will diese Islamische Republik und die feindliche Haltung gegenüber dem Westen nicht. Die Iraner wollen Freiheit.
Das haben sie zuletzt 2009 gezeigt als Millionen Menschen auf die Straße gingen, insbesondere Frauen. Denken sie nur daran, wie viele Künstler, Schriftsteller und Filmemacher das Land hervorgebracht hat. Das ist keine zurückgebliebene Gesellschaft.
Weshalb hält das Regime in Teheran den Konflikt mit dem Westen überhaupt so lange am Leben?
Nirumand: Das iranische Regime hat große Schwierigkeiten, sich gegenüber der unzufriedenen Bevölkerung zu behaupten. Äußere Feinde schlimmer auszumalen, als sie sind, ist eine Methode, die alle Diktaturen anwenden. Das Regime schürt den Konflikt nicht aus Feindschaft gegenüber Israel, sondern es geht darum, Anhänger in der arabischen Welt zu gewinnen. Wenn Sie heute durch die arabischen Länder fahren, dann hängen in den Hütten ärmerer Menschen die Bilder von Ahmadinedschad. Er wird als einziger Politiker verehrt der den Mut hat Israel und die USA zu kritisieren und zugunsten der Palästinenser zu sprechen.
Wie kam es dazu?
Nirumand: Durch die Kriege gegen den Irak und Afghanistan konnte das iranische Regime in beiden Ländern großen Einfluss erlangen. Es ist auf dem Weg zu einer regionalen Großmacht. Auch kam es, beginnend mit dem »Arabischen Frühling«, zu einem Prozess der Veränderung in den arabischen Staaten, der nicht unbedingt zugunsten des Westens und schon gar nicht zugunsten Israels verläuft.
Der ARD-Nahostexperte Ulrich Tilgner plädierte dafür, den Iran für Kooperationen zur Beruhigung Afghanistans und des Iraks zu gewinnen. Könnte der Iran ein Element der Stabilität in der Region werden?
Nirumand: Das ist eine schwierige Frage. Der Iran ist zwar ein starkes Land und hat an Macht gewonnen. Die inneren Verhältnisse aber sind katastrophal. Wir haben ein Regime, das nicht die Interessen des Volkes vertritt. Es herrscht Unterdrückung auf allen Gebieten. Wirtschaftlich befindet sich das Land in einer tiefen Krise. Die Menschen werden immer ärmer. Die Mittelschicht ist nahezu ruiniert. Überall stößt man auf Willkür und Korruption. Ich weiß nicht, wie lange das Regime das noch durchhalten kann. Denn die schlechte Lage verschärft auch die Konflikte innerhalb des Regimes. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass der Iran eine stabilisierende Rolle innerhalb der Region.
Publik-Forum, Nr. 4, 2013
Der Revolutionär aus der Fremde bei STERN Online
Bahman Nirumand: Weit entfernt von dem Ort, an dem ich sein müsste bei Rowohlt
Ulrike Meinhofs iranischer Genosse bei Aron Sperber
Mein 68 bei der Goethe-Stiftung
Der Iran und die Heinrich-Böll-Stiftung bei trend online
Ulrike Meinhofs Freund bei der Süddeutschen
»Revolutionäre Romantik«, ein Interview mit Bahman Nirumand auf Cicero Online
umotrebla
Am 01.02.2012 veröffentlicht
Am 01.02.2012 veröffentlicht
Dr. Bahman Nirumand in Evangelische Stadtakademie Aachen über die Gefahren eines Krieges gegen Iran (12.01.2012 - gesamt Dauer: 26m29s)
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