- Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen (Telepolis, 26.08.2014)
So unglaublich diese Überschrift auch klingen mag, sie ist doch wahr
Als ich einen in der vergangenen Woche publizierten Bericht in Foreign Affairs, dem medialen Sprachrohr des Council on Foreign Relations (CFR) überflog, musste ich mir erst einmal kräftig die Augen reiben, um mir bewusst zu werden, ob ich auch wirklich richtig gelesen hatte. Der CFR ist einer der weltweit vier wichtigsten privaten Think Tanks und unter anderem eng mit Chatham House verwoben.
Immerhin steht Chatham House unter der Schirmherrschaft der britischen Queen Elizabeth II. Einzelne Schlüsselprojekte werden laut wikipedia.de durch die Rockefeller-Stiftung, die Konrad Adenauer Stiftung, die NATO und die Europäische Union finanziert. Dem Gros der westlichen Mainstreammedien war dieser Bericht bisher keine Silbe wert. Wie passt das im Angesicht der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine alles noch zusammen?
siehe auch:
- Die Nato dehnt sich aus und nicht Russland (NachDenkSeiten, 22.09.2014)
Über die Ukraine wird zurzeit viel gesprochen und publiziert. Putin bedrohe mittels seiner Einflussnahme in der Ukraine Europa, sei Aggressor, wolle Russland vergrößern etc. pp. Doch was ist dran an der „russischen Aggression“ – und welche Verantwortung trägt auch „der Westen“ wofür? Jens Wernicke sprach hierzu mit dem renommierten Friedensforscher Daniele Ganser.
Herr Ganser, im deutschen Blätterwald hat es – im Kontext der Situation in der Ukraine – in den letzten Wochen und Monaten regelrechte Kampagnen zum Thema einer vermeintlichen Bedrohung der EU und des Westens durch russische Großmachtbestrebungen und russischen „Imperialismus“ gegeben. Wie bewerten Sie als NATO-Kenner und Friedensforscher die aktuelle Situation?
Ich sehe das anders. Ich glaube nicht, dass Russland Westeuropa bedroht oder erobern möchte. Das stimmt nicht. Es kommt in der Geschichte immer sehr darauf an, wo man die Schnittstelle legt, ob man mit der Annexion der Krim anfängt, oder mit der Vorgeschichte, etwa dem Sturz von Janukowitsch im Februar 2014, oder mit der Vorgeschichte der Vorgeschichte, also beispielsweise dem Entscheid der NATO 2008, die Ukraine und Georgien in das Militärbündnis zu integrieren. .
Herr Ganser, im deutschen Blätterwald hat es – im Kontext der Situation in der Ukraine – in den letzten Wochen und Monaten regelrechte Kampagnen zum Thema einer vermeintlichen Bedrohung der EU und des Westens durch russische Großmachtbestrebungen und russischen „Imperialismus“ gegeben. Wie bewerten Sie als NATO-Kenner und Friedensforscher die aktuelle Situation?
Ich sehe das anders. Ich glaube nicht, dass Russland Westeuropa bedroht oder erobern möchte. Das stimmt nicht. Es kommt in der Geschichte immer sehr darauf an, wo man die Schnittstelle legt, ob man mit der Annexion der Krim anfängt, oder mit der Vorgeschichte, etwa dem Sturz von Janukowitsch im Februar 2014, oder mit der Vorgeschichte der Vorgeschichte, also beispielsweise dem Entscheid der NATO 2008, die Ukraine und Georgien in das Militärbündnis zu integrieren. .
- Kanadischer Diplomat sagt seine Meinung: Nato steckt hinter dem kalten Krieg (Post, 17.09.2014)
- "Eine unglaubliche Verödung des öffentlichen Lebens" (Telepolis, 17.09.2014)
Der Geschichtsphilosoph Hauke Ritz über den Westen, Russland und die unbewusste Präsenz des Religiösen in der Politik Hauke Ritz, Jahrgang 1975, ist Autor u.a. mehrerer Essays in den »Blättern für deutsche und internationale Politik« und veröffentlichte zuletzt das Buch »Der Kampf um die Deutung der Neuzeit«.
Zitate:
Die Siegermentalität, die aufgrund dieser falschen Lesart im Westen Fuß fasste, führte zu der Einschätzung, dass man sich selbst nicht ändern müsste. Ändern musste sich nach dieser Sichtweise nur der Osten, der angeblich den Kalten Krieg verloren hatte. Dabei kalkulierte man den Bruch der mit Gorbatschow getroffenen Vereinbarung bewusst mit ein. […]
Erschwerend kommt noch hinzu, dass Putin seit seiner Wiederwahl die Entstehung einer "Eurasischen Union" vorantreibt. Hierbei handelt es sich weniger um eine Neuauflage der Sowjetunion, als vielmehr um eine Kopie der früheren "Europäischen Gemeinschaft" (EG), also um den Versuch, im postsowjetischen Raum eine Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen. Diese eurasische Wirtschaftsgemeinschaft, zu der Belarus und Kasachstan und wahrscheinlich auch Armenien und Kirgisien gehören werden, würde aber wahrscheinlich auch kulturelle und politische Standards entwickeln. Das klingt zunächst wenig dramatisch. Doch es würde praktisch bedeuten, dass Zentraleuropa aufhört die einzige verbindliche Interpretation Europas zu sein. […]
Die Ukraine wäre somit der ideale Partner für Russland, um eine eigenständige und zweite Interpretation der europäischen Kultur zu entwickeln. Und deshalb sind die Vertreter einer starken EU so erpicht darauf, die Ukraine Russland wegzunehmen. […]
Die Entwicklung der Presse in den letzten 25 Jahren ist das wohl drastischste und traurigste Beispiel der kulturellen Erosion, die Europa zu verzeichnen hat. Wenn es um Außenpolitik geht, werden die Menschen einfach nicht mehr über die simpelsten Fakten informiert. Die Presse scheint ihre Aufgabe zunehmend darin zu sehen, Feindbilder zu etablieren. Die Journalisten sammeln sich wie um eine Fahne, um die Interessen eines Lagers, meist der neokonservativen Fraktion im Westen, abzubilden und blenden dabei alle übrigen Fakten und Perspektiven aus, als ob sie nicht existieren würden. Eine Aufklärung über die Geschichte eines Konflikts, bestehende Interessensgegensätze, potentielle Gefahren et cetera findet nicht mehr statt. Selbst gestandene Politiker und Diplomaten, die noch während der Wiedervereinigung Strategien der Entspannungspolitik vertraten, haben heute Probleme, in der Presse zu Wort zu kommen.[…]
Man kann zumindest sagen, dass jene 25 Jahre, in denen das westliche Zivilisationsmodell keinem Vergleich und keiner Konkurrenz mehr ausgesetzt war, ihm schlecht bekommen sind. Durch das Wegbrechen des kritischen Potentials der Universitäten, Kirchen, Gewerkschaften und der Presse ist zunehmend eine Gesellschaft entstanden, die nur noch Einheitsperspektiven zu allen möglichen Themen zulässt.
Diese heute in der Presse vertretene
Einheitsperspektive führt zu einer Einschüchterung des Denkens insgesamt
und damit zu einer Abnahme der intellektuellen Freiheit. Man spürt das
im Alltag, etwa im Zuge wissenschaftlicher Debatten, die heute an den
Universitäten geführt werden. Es existiert eine Angst vor dem
Überschreiten echter oder imaginärer roter Linien und dies führt
letztlich zu einer verstärkten Selbstzensur. Dadurch ist es in den
westlichen Staaten zu einer unglaublichen Verödung des kulturellen und
öffentlichen Lebens gekommen, und parallel dazu zu einer unfassbaren
Verflachung der Politik.
dazu aus der Rede von Wladimir Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz (09.-11.02.2007) (Wortprotokoll auf der Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel):
Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch schmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.
Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.
dazu aus der Rede von Wladimir Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz (09.-11.02.2007) (Wortprotokoll auf der Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel):
Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch schmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.
Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.
- Ex-US-Botschafter über Ukraine-Krise „Das ist ein Familienstreit“ (taz, 09.09.2014, gefunden bei den NachDenkSeiten)
Putins aktuelle Politik ist die Folge von Provokationen des Westens, sagt Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau.
Serenading the cattle with my trombone (Lorde - Royals) [4:14]
Veröffentlicht am 03.08.2014
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siehe dazu auch:
- Stratfor: Deutschlands neue Außenpolitik ist „schamlos“ (Deutsch-Türkische Nachrichten, 08.02.2014)
Die Strategen der US-Denkfabrik Stratfor umschreiben die neue
aktive Außenpolitik Deutschlands als „schamlos“. Berlin wolle seinen
Platz in der Welt einnehmen. Doch das wecke alte Ängste vor dem
Nationalismus und der Aggression der Deutschen.
Die US-Denkfabrik Stratfor beäugt Deutschlands Einmischung in die Innenpolitik der Ukraine mit Argwohn.In einem aktuellen Artikel schreiben Stratfor-Chef George Friedman und Stratfor-Analyst Marc Lanthemann, dass die Staatskrise in der Ukraine eine wichtige Entwicklung sei. Deutschland habe den direkten Kampf gegen Präsident Janukowitsch aufgenommen. Der Präsident der Ukraine hatte sich zuvor dagegen gesträubt, die Beziehungen der Ukraine mit der EU zu festigen.
zuletzt aktualisiert am 17.09.2014
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