Mittwoch, 27. August 2014

Wachstumskritik – Das bornierte Streben nach Profit

Die Krise ist nicht vorbei, sie ist systemisch. Wettbewerb verursacht Stress. Das Band zwischen Wohlstand und Wachstum ist gerissen. Auch grüne Lebensstile reichen nicht aus. Angriff auf den Wohlfühlkapitalismus.

In der Gesellschaft verbreitet sich Unbehagen über die Kurzsichtigkeit der immer noch herrschenden Krisenstrategie. Immer mehr Geld wird in prekär werdende Branchen gesteckt, dem Staat werden qua „Schuldenbremse“ Möglichkeiten zur Gestaltung genommen, Alternativen kaum mehr diskutiert. Der stärkste Antrieb dieser Krisenpolitik bleibt wirkungsmächtig, obwohl sie in der Öffentlichkeit weitgehend abgelehnt wird: dass vor allem die Reichen und Mächtigen ihre Vermögen, sozialen Positionen und ihre Einflussmacht sichern. 

 Das Versprechen von herrschender Seite, dass alles sich zum Besseren wenden wird, lautet weiterhin: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das hören auch die Beschäftigten gerne, öffnet das ihnen doch Spielraum für verteilungspolitische Forderungen. Und dennoch: Der Glaube an den deus ex machina des Wachstums schwindet. 
weiter bei der FAZ: Wachstumskritik – Das bornierte Streben nach Profit (27.07.2014) 


siehe dazu auch einige Texte bzw. Interviews von und mit Julian Nida-Rümelin:
- Die ökonomische Praxis ist auf Tugenden angewiesen (Interview 2012, PDF-Download)  
Die Ökonomie scheint in vielen Bereichen außer Kontrolle geraten zu sein. Finanzmärkte bestimmen das politische Handeln. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin, der sich seit Jahren mit dem Verhältnis Ethik und Ökonomie auseinandersetzt, übt scharfe Kritik am rück- sichtslosen Streben des globalen Finanzkapitalismus nach Effizienz und Optimierung. Werde Optimierung zum alleinigen Maßstab, zerstöre sie am Ende die kultu- relle moralische Basis der Gesellschaft, warnt er. Eine humane Gesellschaft setze eine Beschränkung oder Einbettung der ökonomischen Praxis voraus. In seinem Buch „Die Optimierungsfalle. Philosophie einer humanen Ökonomie“ (Irisiana Verlag, München 2011) entwirft er eine an den antiken Werten und Tugenden orientierte Alternative. Dabei geht es ihm nicht um die Beschrei- bung einer Utopie, sondern darum, die pragmatischen Bedingungen einer humanen ökonomischen Praxis fest- zulegen.

Kooperieren können Menschen allerdings nur, wenn sie einander vertrauen. Wie eng das mit Tugenden und Werten, also mit Ethik, verbunden ist, zeigt Julian Nida-Rümelin, Philosophie-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in seinem Buch „Die Optimierungsfalle“. So ist beispielsweise für eine funktionierende Ökonomie Kommunikation unverzichtbar, und die klappt nicht ohne die leicht angestaubt klingenden Eigenschaften Vertrauen, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit.

- Philosophie – Kann man Ethik lehren (science ORF, 10.08.2012)  
"Das Ethische kann man nicht lehren!", davon war Ludwig Wittgenstein überzeugt, die Philosophen könnten lediglich eine Art Orientierungshilfe anbieten. Seine Ablehnung einer universell gültigen Ethik teilten auch die meisten Vortragenden des heurigen Wittgenstein Symposiums. Im Rahmen einer angewandten Ethik könne die Philosophie heute dennoch Denkanstöße liefern.

Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, möglichst gute Produkte möglichst preiswert zu erwerben. Viele haben auch versucht, aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einen Gewinn zu schlagen. Dagegen gibt es gar nichts einzuwenden. Problematisch wird es dann, wenn das zur allgemeinen Weltanschauung wird. Das heißt, wenn die Botschaft lautet, dass erstens das gesamte menschliche Leben nach dem Modell eines ökonomischen Marktes organisiert sein sollte und zweitens der Markt moralfrei ist. Dann wird postuliert, dass man auf den Märkten alles vergessen kann, was man sonst als anständiger Mensch berücksichtigt: zum Beispiel ehrliche Kommunikation und Kooperationsbeziehungen, die von Respekt und Verlässlichkeit geprägt sind.

Siehe auch:
- Der Überfluss an Unnötigem und Schädlichem (Telepolis, 30.08.2014)
Problematische Arbeitsinhalte und Gebrauchswertangebote im gegenwärtigen Kapitalismus 
Kommen einander unbekannte Bürger ins Gespräch, dann taucht früher oder später die Frage "Was arbeiten Sie eigentlich?" so sicher auf wie das Amen in der Kirche. Meist ist dabei die Vergewisserung mit im Spiel, ob das Gegenüber denn auch im Erwerbsleben seinen Mann oder seine Frau stehe und - wenn ja -, wie weit sie oder er es dabei wohl gebracht habe. Die Frage könnte allerdings dem Gespräch auch eine ganz andere Wendung geben. Dann nämlich, wenn es um die Inhalte der Produkte oder Dienstleistungen ginge, für die gearbeitet wird. Wer unerschrocken und beharrlich dieser Frage nachgeht, dem werden Einblicke nicht verborgen bleiben, die weite Teile der Wirtschaft ebenso infrage stellen wie die Messung des nationalen Reichtums durch das Bruttosozialprodukt. Es steigt bekanntlich, wenn bspw. mehr Autos verunglücken und infolgedessen mehr Reparaturen bzw. Neukäufe getätigt werden.

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