In Ferguson im US-Bundesstaat Missouri wird die Entscheidung im Fall des erschossenen Teenagers Michael Brown erwartet. Ein Geschworenengericht in Clayton, Missouri, wird darüber befinden, ob der weiße Polizist Darren Wilson wegen der tödlichen Schüsse auf den unbewaffneten Schwarzen angeklagt wird. Der Gouverneur Jay Nixon rief den Notstand aus und aktivierte die Nationalgarde. So bereite man sich auf mögliche neue Proteste vor, sagten Behördenvertreter.
Michael Brown war unbewaffnet, als er von dem Polizisten erschossen wurde. Zeugen sollen beobachtet haben, dass er vor seinem Tod die Hände erhoben hatte. Er wurde von mindestens sechs Kugeln getroffen. Anschließend lag der leblose Körper stundenlang auf der Straße, ehe er weggebracht wurde.
mehr:
- Gouverneur von Missouri ruft Notstand für Ferguson aus (ZEIT; 18.11.2014)
dazu auch:
- USA: Die Militarisierung der Polizei (Thomas Pany, Telepolis, 14.08.2014)
Ausrüstung und Art und Weise, wie die Polizei in Ferguson, Missouri auf Unruhen infolge des Todes eines jungen Schwarzen durch einen Polizisten reagiert, alarmieren Bürgerrechtler
Seit Sonntag hat die Polizei in Ferguson, Missouri, 50 Personen festgenommen; sie fährt schweres Gerät auf, arbeitet mit Tränengas und Gummigeschossen, um mit Shock & Awe gegen Demonstrationen vorzugehen, deren Auslöser tödliche Polizeigewalt gegen einen jungen Schwarzen war, in einem Vorort, dessen Bewohner, mehrheitlich schwarz, sich seit längerem über Polizeiübergriffe gegen Schwarze beschweren. An Beispielen für rohe, willkürliche Auslegungen des Gesetzes seitens der Polizei mangelt es nicht, sie gehören, wie auch aktuelle Berichte zeigen, zum Alltag schwarzer Bewohner des Vorortes von St. Louis. Nun konnten auch Journalisten am eigenen Leib feststellen, wie die Polizei von Ferguson bei Festnahmen vorgeht.
Folgt man der Geschichte seiner Festnahme, die der Reporter der Washington Post erzählt, so fällt die Unsicherheit der Polizisten auf, die zur Überreaktion in einer eigentlich harmlosen Situation führte.
Die Journalisten saßen in einem Fastfood-Restaurant mit Hotspot und betätigten ihre elektronischen Kommunikationsgeräte. Die Polizisten wollten sie kontrollieren, Ausweispapiere etc.; die Journalisten zeigten sich etwas widerspenstig und ließen dazu ihre Aufnahmegeräte laufen; es folgte ein Disput, die Polizei reagierte mit der Festnahme, inklusive Plastikfessel und ruppigem Körpereinsatz. Ein rechtlicher Grund für Festnahme ist nicht erkennbar, Erklärungen seitens der Polizei blieben aus, wie der Chefredakteur der Zeitung zur Geschichte anmerkt.
Der Leser kommt aber an der einfachen Feststellung nicht vorbei, dass die Polizisten nicht wollten, dass man ihnen auf die Finger schaut, die Beobachtungen weitergegeben werden, dass sie große Schwierigkeiten damit haben, wenn jemand auf seine Bürgerrechte aufmerksam macht und keine Schwierigkeiten oder Skrupel damit, ihre Autorität mit Gewalt durchzusetzen. Neben dem Washington Post-Reporter wurden noch ein weiterer festgenommen und aufs Revier verbracht, ein Berichterstatter von Huffington Post, der mit kritischen Berichten über die Unruhen in Ferguson seit dem Tod von Michael Brown aufgefallen war.
- "Demilitarisierung" der Polizei als Reaktion auf Ferguson (Peter Mühlbauer, Telepolis, 19.08.2014)
Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Rand Paul will das Verhältnis zwischen Sicherheitskräften und Bürgern durch den Abbau von Subventionen verbessern
Am 9. August erschoss der 28-jährige weiße Polizist Darren W. in Ferguson, einer Vorstadt von St. Louis, den achtzehnjährigen unbewaffneten Schwarzen Michael B. mit sechs Kugeln. W. glaubte seiner eigener Schilderung nach in Notwehr zu handeln. Seitdem kommt es in der Stadt zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen und Brandstiftungen. Polizisten und Nationalgardisten konnten den Krawallen bislang kein Ende setzen – dafür brachten sie durch Straßenbetretungsverbote und Tränengasgranaten Bürger und Medien gegen sich auf.
Während Obama bislang relativ zurückhaltend auf die Vorwürfe reagiert, fordert Rand Paul, der aktuell chancenreichste Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2016, als Konsequenz aus dem Vorfall eine "Demilitarisierung" der Polizei. Dabei beruft sich der Sohn des protolibertären texanischen Abgeordneten Ron Paul auf Walter Olson vom libertären Think Tank Cato Institute, der sich vorher öffentlich fragte, warum Polizisten Bürgern Tränengaskanister in ihre eigenen Vorgärten schießen, warum Veteranen erklären, sie seien in Kriegsgebieten weniger hart vorgegangen als jetzt die Polizei in Ferguson, und warum Einsatzkräfte in einer Vorstadt im amerikanischen Mittelwesten Tarnanzüge tragen.
Auch anderen Beobachtern war aufgefallen, dass sich das Auftreten amerikanischer Polizisten in Ferguson nur wenig von dem des US-Militärs in Ländern wie Afghanistan unterschied. Mashable veröffentlichte dazu einen eindrucksvollen Bildvergleich.
- "Mein kindliches Vertrauen in die US-Polizei ist dahin" (Alexander Dill, Telepolis, 19.08.2014)
Springer-Journalisten in Ferguson mit Kommunisten im US-Knast
Seit Monaten kann man in der Springer-Presse erfahren, dass Tausende Israelis Schutz im Bunker vor den Raketen der Hamas suchen, dass russische Eliteeinheiten Zivilflugzeuge abschießen und die Ost-Ukraine besetzen. Und nun das: Welt-Reporter Ansgar Graw reist ausgerechnet in den Springer-Patenstaat USA, dort nach Missouri, dort nach Ferguson, wo ein unbewaffneter achtzehnjähriger Schwarzer namens Michael Brown wahlweise "nur" mit sechs Kugeln, darunter zwei Kopfschüssen "erschossen", oder aber - aus europäischer Sicht - ermordet wurde. Der Täter ist vom Dienst suspendiert. Auf den Straßen von Ferguson wurden nun Ansgar Graw von der "Welt" und sein Kollege Frank Herrmann von der US-Polizei aufgespürt und eingesperrt.
Eine ungewöhnliche Szenerie: In der Zelle saßen bereits zwei US-Kommunisten, die den Springer-Boys Tipps gegen Tränengas gaben. Ein Springer-Journalist mit Kommunisten im US-Knast - ein Grund, Ansgar Graws Bericht von heute zu lesen. Das von ihm angekündigte Gespräch über die Weltrevolution scheint aber nicht stattgefunden zu haben. Stattdessen erfahren wir, was wir bisher nur aus Videos und Hörsagenberichten kennen, dass es nämlich eine "Polizei" im Sinne eines Ordnungsdienstes für die gemeinsam bewohnte Polis in weiten Teilen der USA nicht gibt. Stattdessen terrorisieren paramilitärische Einheiten die Zivilbevölkerung und agieren eher in der Art brasilianischer Todesschwadronen.
- Polizeistaat USA (John W. Whitehead, Telepolis, 29.08.2014)
Der Tod der Freiheit an unseren Schulen
Ganz egal wie man den Showdown zwischen Anwohnern und Gesetzeshütern in Ferguson, Missouri, auch bewertet, es lässt sich die Tatsache nicht bestreiten, dass die örtliche Polizei den Protestlern wie ein Ableger des Militärs entgegengetreten ist. Leider werden wir uns im Polizeistaat, wie er im modernen Amerika nun einmal existiert, immer wieder in Ferguson wieder finden. Nämlich immer dann, wenn ein unbewaffneter Bürger durch einen bis zur Halskrause bewaffneten Polizisten niedergeschossen wird. Oder wenn ein Polizist dazu neigt, erst zu schießen, um danach Fragen zu stellen. Oder wenn ein Polizist sich derart besorgt um ihre persönliche Sicherheit zeigt, dass alles und jedermann zu einer potenziellen Bedrohung heranreift. Wir werden uns in Ferguson wiederfinden.
"Menschen kämpfen für ihre Freiheit und gewinnen diese mittels einer sehr harten Schule. Ihre Kinder, aufgewachsen in Gelassenheit, lassen sie sich wieder entgleiten, diese armen Narren. Und deren Enkel avancieren einmal mehr zu Sklaven". D.H. Lawrence
Hierbei gibt es stets eine Sache zu bedenken. Ob über solche Vorfälle nun berichtet wird oder nicht, ob dadurch soziale Proteste, Protestmärsche oder handgreifliche Auseinandersetzungen mit der Polizei mit stetig wachsendem Aggressionspotenzial ausgelöst werden, oder ob diese Entwicklung nun Empörung unter den Bürgern hervorruft oder nicht – Ferguson spielt sich laufend um uns herum ab.
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