Ungebetener Doppelnachruf auf einen "weisen Staatsmann" und einen "weisen Beobachter"
Nun, da Helmut Schmidt, nachdem er mein Leben über vierzig Jahre lang mitgestaltet hat, unter der Erde ist und die letzten Bachklänge des Staatsaktes verklungen sind, darf ich es als vielleicht erster Historiker wagen, über den Toten etwas weniger Gutes zu sagen. Ich sag’s frei heraus: Ich habe ihn, den Kanzler der Betonzeit, niemals leiden können - je weiser und heiliger er im Alter wurde, desto weniger. Warum eigentlich nicht? Das ist hier zu ergründen. Das Dogma, dem ich widersprechen will, lautet: Helmut Schmidt war weise, "der letzte Staatsmann" (so der Spiegel), der letzte Politiker, dem man vertrauen konnte. Peter Scholl-Latour ist schon ein Jahr länger tot. Die beiden waren politisch uneins, aber in der Haltung ähnlich. Das Dogma über letzteren lautet: Peter Scholl-Latour war ein Islam-Experte und ein weiser, weil völlig unabhängiger Beobachter des Weltgeschehens.
Der PR-Profi Dushan Wegner hat in seinem Buch "Talking Points" (Westend Verlag 2015) die Methoden herausgearbeitet, mit denen Leute wie Schmidt (und, ich ergänze, Scholl-Latour) im Alter ihre vorgebliche Weisheit (oder wahlweise Güte, Echtheit, Kompetenz) in Szene gesetzt haben. Ein paar Ingredienzien:
mehr:
- Schmidt und Scholl-Latour: Eine Zusammenkunft alter Männer (Hans Jürgen Korff, Telepolis, 18.12.2015)
siehe auch:
- Unsere Welt besteht aus Geschichten (Post, 17.12.2015)
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